herbergen, damit sie nicht bey so schlimmen Wetter auf der Gassen liegen dürffte. Jch weiß nicht, warum sie nicht meine Leute in die Schencke gewiesen, allwo ja auch die Bettler zur Noth auf eine Nacht Herberge finden. Doch, wie mein Vater bey seinem grossen Zorn, den er, wenn es Noth that, von sich blicken ließ, ein weichhertziger Mann war, so nahm er das Weib ins Haus, so sehr wir Kinder auch samt der Mutter uns wi- dersetzten. Es gefiel aber dem Weibe wohl bey uns, und, da es Morgen war, so hatte sie keine Lust, ihren Stab weiter zu setzen. Sie wuste uns so viel vorzusagen, oder vieimehr vorzulügen, daß wir ihr noch etliche Tage nachsahen. Da sie aber des Zauderns kein Ende machte, so sehr wir auch auf ihr Ausziehen drungen, so stiessen wir sie schier mit Gewalt aus dem Hause. Jch war selbst nicht dabey, ob ich wol mit dazu mochte gerathen haben; wie man mir aber darnach er- zehlet, so soll sie sich, alß sie mit Gewalt fortgeja- get wurde, haben verlauten laßen, sie wolte ma- chen, daß wir eine Weile an sie gedencken solten; und was etwan der Drohungen und der Schelt- Worte mehr gewesen, deren sie sich bedienet. So lange diß Weib bey uns gewesen, haben wir nichts an ihr gemercket, aus welchem wir hätten schließen können, daß sie ein unrein Weib, oder mit Ungeziefer angestecket wäre, welches auch
mochte
D
Wird ſambt ſeinem
herbergen, damit ſie nicht bey ſo ſchlimmen Wetter auf der Gaſſen liegen duͤrffte. Jch weiß nicht, warum ſie nicht meine Leute in die Schencke gewieſen, allwo ja auch die Bettler zur Noth auf eine Nacht Herberge finden. Doch, wie mein Vater bey ſeinem groſſen Zorn, den er, wenn es Noth that, von ſich blicken ließ, ein weichhertziger Mann war, ſo nahm er das Weib ins Haus, ſo ſehr wir Kinder auch ſamt der Mutter uns wi- derſetzten. Es gefiel aber dem Weibe wohl bey uns, und, da es Morgen war, ſo hatte ſie keine Luſt, ihren Stab weiter zu ſetzen. Sie wuſte uns ſo viel vorzuſagen, oder vieimehr vorzuluͤgen, daß wir ihr noch etliche Tage nachſahen. Da ſie aber des Zauderns kein Ende machte, ſo ſehr wir auch auf ihr Ausziehen drungen, ſo ſtieſſen wir ſie ſchier mit Gewalt aus dem Hauſe. Jch war ſelbſt nicht dabey, ob ich wol mit dazu mochte gerathen haben; wie man mir aber darnach er- zehlet, ſo ſoll ſie ſich, alß ſie mit Gewalt fortgeja- get wurde, haben verlauten laßen, ſie wolte ma- chen, daß wir eine Weile an ſie gedencken ſolten; und was etwan der Drohungen und der Schelt- Worte mehr geweſen, deren ſie ſich bedienet. So lange diß Weib bey uns geweſen, haben wir nichts an ihr gemercket, aus welchem wir haͤtten ſchließen koͤnnen, daß ſie ein unrein Weib, oder mit Ungeziefer angeſtecket waͤre, welches auch
mochte
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Wird ſambt ſeinem
herbergen, damit ſie nicht bey ſo ſchlimmen
Wetter auf der Gaſſen liegen duͤrffte. Jch weiß
nicht, warum ſie nicht meine Leute in die Schencke
gewieſen, allwo ja auch die Bettler zur Noth auf
eine Nacht Herberge finden. Doch, wie mein
Vater bey ſeinem groſſen Zorn, den er, wenn es
Noth that, von ſich blicken ließ, ein weichhertziger
Mann war, ſo nahm er das Weib ins Haus, ſo
ſehr wir Kinder auch ſamt der Mutter uns wi-
derſetzten. Es gefiel aber dem Weibe wohl bey
uns, und, da es Morgen war, ſo hatte ſie keine
Luſt, ihren Stab weiter zu ſetzen. Sie wuſte
uns ſo viel vorzuſagen, oder vieimehr vorzuluͤgen,
daß wir ihr noch etliche Tage nachſahen. Da
ſie aber des Zauderns kein Ende machte, ſo ſehr
wir auch auf ihr Ausziehen drungen, ſo ſtieſſen
wir ſie ſchier mit Gewalt aus dem Hauſe. Jch
war ſelbſt nicht dabey, ob ich wol mit dazu mochte
gerathen haben; wie man mir aber darnach er-
zehlet, ſo ſoll ſie ſich, alß ſie mit Gewalt fortgeja-
get wurde, haben verlauten laßen, ſie wolte ma-
chen, daß wir eine Weile an ſie gedencken ſolten;
und was etwan der Drohungen und der Schelt-
Worte mehr geweſen, deren ſie ſich bedienet.
So lange diß Weib bey uns geweſen, haben wir
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/95>, abgerufen am 24.11.2024.
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