Fällen GOtt im Gebet anzuruffen gewohnet ge- wesen, auch von meinen Eltern zum Gebete an- gehalten worden, so gläube ich gäntzlich, daß ich auch dazumal GOtt im Gebete werde inbrünstig angeruffen haben, daß er mich von dieser Plage befreyen möchte, ob ich mich schon nicht mehr darauf zu besinnen weiß; gleichwie ich mich auch nicht besinnen kan, wie lange eigentlich dieser ver- drüßliche Zufall gewähret; zum wenigsten muß ich Anno 1689. schon davon seyn befreyet gewe- sen. Jetzt, da ich nach der Philosophie solches betrachte, kan ich es leichte aus der Natur, und aus den Kräfften der Imagination, wie solche bey schwachen Leibern und Gemüthern, so Tempe- ramenti melancholici, und zur Furcht sehr ge- neigt sind, anzutreffen, auflösen. Dazumal aber dachte ich nicht anders, als daß der Satan allein sein Spiel mit mir hätte, und mich mit sol- chen Einfällen quälete, dessen Mitwürckung ich doch bey dergleichen Zufällen keinesweges in Zweif- fel zu ziehen gesonnen bin.
Anno 1688. §. 11.
Nicht lange nach diesem lieff ein arm Weib des Abends noch auf der Gasse herum, weinte und heulte, klopffte unter andern auch bey uns an, und bat, man möchte sie doch nur eine Nacht be-
herber-
Teufliſchen Anfechtungen:
Faͤllen GOtt im Gebet anzuruffen gewohnet ge- weſen, auch von meinen Eltern zum Gebete an- gehalten worden, ſo glaͤube ich gaͤntzlich, daß ich auch dazumal GOtt im Gebete werde inbruͤnſtig angeruffen haben, daß er mich von dieſer Plage befreyen moͤchte, ob ich mich ſchon nicht mehr darauf zu beſinnen weiß; gleichwie ich mich auch nicht beſinnen kan, wie lange eigentlich dieſer ver- druͤßliche Zufall gewaͤhret; zum wenigſten muß ich Anno 1689. ſchon davon ſeyn befreyet gewe- ſen. Jetzt, da ich nach der Philoſophie ſolches betrachte, kan ich es leichte aus der Natur, und aus den Kraͤfften der Imagination, wie ſolche bey ſchwachen Leibern und Gemuͤthern, ſo Tempe- ramenti melancholici, und zur Furcht ſehr ge- neigt ſind, anzutreffen, aufloͤſen. Dazumal aber dachte ich nicht anders, als daß der Satan allein ſein Spiel mit mir haͤtte, und mich mit ſol- chen Einfaͤllen quaͤlete, deſſen Mitwuͤrckung ich doch bey dergleichen Zufaͤllen keinesweges in Zweif- fel zu ziehen geſonnen bin.
Anno 1688. §. 11.
Nicht lange nach dieſem lieff ein arm Weib des Abends noch auf der Gaſſe herum, weinte und heulte, klopffte unter andern auch bey uns an, und bat, man moͤchte ſie doch nur eine Nacht be-
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Teufliſchen Anfechtungen:
Faͤllen GOtt im Gebet anzuruffen gewohnet ge-
weſen, auch von meinen Eltern zum Gebete an-
gehalten worden, ſo glaͤube ich gaͤntzlich, daß ich
auch dazumal GOtt im Gebete werde inbruͤnſtig
angeruffen haben, daß er mich von dieſer Plage
befreyen moͤchte, ob ich mich ſchon nicht mehr
darauf zu beſinnen weiß; gleichwie ich mich auch
nicht beſinnen kan, wie lange eigentlich dieſer ver-
druͤßliche Zufall gewaͤhret; zum wenigſten muß
ich Anno 1689. ſchon davon ſeyn befreyet gewe-
ſen. Jetzt, da ich nach der Philoſophie ſolches
betrachte, kan ich es leichte aus der Natur, und
aus den Kraͤfften der Imagination, wie ſolche bey
ſchwachen Leibern und Gemuͤthern, ſo Tempe-
ramenti melancholici, und zur Furcht ſehr ge-
neigt ſind, anzutreffen, aufloͤſen. Dazumal
aber dachte ich nicht anders, als daß der Satan
allein ſein Spiel mit mir haͤtte, und mich mit ſol-
chen Einfaͤllen quaͤlete, deſſen Mitwuͤrckung ich
doch bey dergleichen Zufaͤllen keinesweges in Zweif-
fel zu ziehen geſonnen bin.
Anno 1688.
§. 11.
Nicht lange nach dieſem lieff ein arm Weib
des Abends noch auf der Gaſſe herum, weinte und
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Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. Leipzig, 1738, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bernd_lebensbeschreibung_1738/94>, abgerufen am 24.11.2024.
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