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Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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ist, entgegnete Klaus, und brauchst die Augen just nicht erst drum aufzusperren.

Fritz und Gertrud waren bei Tisch sehr still und störten ihre Klagen nicht, und als jene gegen Nachmittag ihren Groll in Branntwein zu ersäufen suchten, schlichen sie sich weg und gingen ins Pfarrhaus.

Hier trank man Kaffee aus zierlichen Schälchen und aß Hochzeitkuchen dazu, den die Frau Pfarrerin wegen der Probepredigt ihres Vetters gebacken hatte. Baumann war in lebhaftem Gespräch mit dem künftigen Herrn Pastor über Oekonomiegegenstände, und um den Wuchs einer neuen Kartoffelart zu zeigen, ging die Pastorin mit ihren Gästen in den Garten. Hier schien die Sonne, die Mittags hinter Nebelwolken vorgedrungen, so freundlich, daß man sich länger aufhielt, als man beabsichtigt hatte, und die wohlgepflegten Gemüse und Blumen in Augenschein nahm, wobei Gertrud sich vorzüglich mit dem Bäcker unterhielt; als aber der Kandidat, über den hohen Zaun wegsehend, meldete, daß die Herren von der Jagd wiederkämen, stürzte Alles nach der Hausthür, um den Herzog zu erblicken. Fritz und Lieschen waren die wenigst Eifrigen und blieben daher allein zurück, denn die Frau Pfarrerin eilte voraus, eine hindernde Thür auszuschließen. Die laufen, die sind vergnügt, sagte Fritz; ach! Lieschen, weißt du, was heute für ein Tag ist? Mein Geburtstag; heute bin ich einundzwanzig Jahre alt geworden. Wer mir das vor einem Jahre um die Zeit gesagt

ist, entgegnete Klaus, und brauchst die Augen just nicht erst drum aufzusperren.

Fritz und Gertrud waren bei Tisch sehr still und störten ihre Klagen nicht, und als jene gegen Nachmittag ihren Groll in Branntwein zu ersäufen suchten, schlichen sie sich weg und gingen ins Pfarrhaus.

Hier trank man Kaffee aus zierlichen Schälchen und aß Hochzeitkuchen dazu, den die Frau Pfarrerin wegen der Probepredigt ihres Vetters gebacken hatte. Baumann war in lebhaftem Gespräch mit dem künftigen Herrn Pastor über Oekonomiegegenstände, und um den Wuchs einer neuen Kartoffelart zu zeigen, ging die Pastorin mit ihren Gästen in den Garten. Hier schien die Sonne, die Mittags hinter Nebelwolken vorgedrungen, so freundlich, daß man sich länger aufhielt, als man beabsichtigt hatte, und die wohlgepflegten Gemüse und Blumen in Augenschein nahm, wobei Gertrud sich vorzüglich mit dem Bäcker unterhielt; als aber der Kandidat, über den hohen Zaun wegsehend, meldete, daß die Herren von der Jagd wiederkämen, stürzte Alles nach der Hausthür, um den Herzog zu erblicken. Fritz und Lieschen waren die wenigst Eifrigen und blieben daher allein zurück, denn die Frau Pfarrerin eilte voraus, eine hindernde Thür auszuschließen. Die laufen, die sind vergnügt, sagte Fritz; ach! Lieschen, weißt du, was heute für ein Tag ist? Mein Geburtstag; heute bin ich einundzwanzig Jahre alt geworden. Wer mir das vor einem Jahre um die Zeit gesagt

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[0105] ist, entgegnete Klaus, und brauchst die Augen just nicht erst drum aufzusperren. Fritz und Gertrud waren bei Tisch sehr still und störten ihre Klagen nicht, und als jene gegen Nachmittag ihren Groll in Branntwein zu ersäufen suchten, schlichen sie sich weg und gingen ins Pfarrhaus. Hier trank man Kaffee aus zierlichen Schälchen und aß Hochzeitkuchen dazu, den die Frau Pfarrerin wegen der Probepredigt ihres Vetters gebacken hatte. Baumann war in lebhaftem Gespräch mit dem künftigen Herrn Pastor über Oekonomiegegenstände, und um den Wuchs einer neuen Kartoffelart zu zeigen, ging die Pastorin mit ihren Gästen in den Garten. Hier schien die Sonne, die Mittags hinter Nebelwolken vorgedrungen, so freundlich, daß man sich länger aufhielt, als man beabsichtigt hatte, und die wohlgepflegten Gemüse und Blumen in Augenschein nahm, wobei Gertrud sich vorzüglich mit dem Bäcker unterhielt; als aber der Kandidat, über den hohen Zaun wegsehend, meldete, daß die Herren von der Jagd wiederkämen, stürzte Alles nach der Hausthür, um den Herzog zu erblicken. Fritz und Lieschen waren die wenigst Eifrigen und blieben daher allein zurück, denn die Frau Pfarrerin eilte voraus, eine hindernde Thür auszuschließen. Die laufen, die sind vergnügt, sagte Fritz; ach! Lieschen, weißt du, was heute für ein Tag ist? Mein Geburtstag; heute bin ich einundzwanzig Jahre alt geworden. Wer mir das vor einem Jahre um die Zeit gesagt

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/105>, abgerufen am 22.11.2024.