Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Schnelligkeit. Erst stand Lieschen wie in den Boden gewurzelt, dann riß sie sich los; aber ihre Bewegung schien die Flammen anzuziehen, sie umzingelten sie im Halbkreis, wie ein Opfer, das ihnen nicht entrinnen konnte, an dessen vergeblichen Anstrengungen sie sich weideten, bevor sie ihnen ein Ende machten; sie saßen ihr auf den Fersen wie Furien; wenn sie schneller lief, bewegten sie sich schneller, stand sie erschöpft still, so standen sie auch und maßen sie mit höhnenden Blicken; es war ihr unmöglich, ihnen nicht Menschenverstand und Absicht zuzutrauen; die ferneren Lichter rührten sich nicht, sie schienen diese wie Häscher ausgesandt zu haben und den Erfolg ihrer Bemühungen zu erwarten. Eine Weile hielt Lieschen diese Jagd aus, die Angst steigerte ihre Kräfte, endlich aber raubte sie sie ihr; ihr ward fürchterlich zu Muth, der Schweiß der Ohnmacht stand auf ihrer Stirn, mit einer letzten Anstrengung rief sie: Fritz, Hülfe, Hülfe! und sank zusammen. Ihr war, als antworte etwas: Lieschen, Lieschen! aber sie hielt es für eine Täuschung ihrer schwindenden Sinne; es nebelte vor ihren Augen, in ihren Ohren brauste es, sie glaubte die Flammen in neckender Ferne zu sehen, wie sie sie betrachteten, um bei der geringsten Bewegung wieder auf sie zuzustürzen. Doch plötzlich hörte sie sich wirklich rufen, und eine dunkle Gestalt machte sich Bahn zu ihr. War das Fritzens Stimme? Ist es kein Zauber? dachte sie und hielt Alles für einen Traum. Sie bemühte sich zu antworten; Schnelligkeit. Erst stand Lieschen wie in den Boden gewurzelt, dann riß sie sich los; aber ihre Bewegung schien die Flammen anzuziehen, sie umzingelten sie im Halbkreis, wie ein Opfer, das ihnen nicht entrinnen konnte, an dessen vergeblichen Anstrengungen sie sich weideten, bevor sie ihnen ein Ende machten; sie saßen ihr auf den Fersen wie Furien; wenn sie schneller lief, bewegten sie sich schneller, stand sie erschöpft still, so standen sie auch und maßen sie mit höhnenden Blicken; es war ihr unmöglich, ihnen nicht Menschenverstand und Absicht zuzutrauen; die ferneren Lichter rührten sich nicht, sie schienen diese wie Häscher ausgesandt zu haben und den Erfolg ihrer Bemühungen zu erwarten. Eine Weile hielt Lieschen diese Jagd aus, die Angst steigerte ihre Kräfte, endlich aber raubte sie sie ihr; ihr ward fürchterlich zu Muth, der Schweiß der Ohnmacht stand auf ihrer Stirn, mit einer letzten Anstrengung rief sie: Fritz, Hülfe, Hülfe! und sank zusammen. Ihr war, als antworte etwas: Lieschen, Lieschen! aber sie hielt es für eine Täuschung ihrer schwindenden Sinne; es nebelte vor ihren Augen, in ihren Ohren brauste es, sie glaubte die Flammen in neckender Ferne zu sehen, wie sie sie betrachteten, um bei der geringsten Bewegung wieder auf sie zuzustürzen. Doch plötzlich hörte sie sich wirklich rufen, und eine dunkle Gestalt machte sich Bahn zu ihr. War das Fritzens Stimme? Ist es kein Zauber? dachte sie und hielt Alles für einen Traum. Sie bemühte sich zu antworten; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0074"/> Schnelligkeit. Erst stand Lieschen wie in den Boden gewurzelt, dann riß sie sich los; aber ihre Bewegung schien die Flammen anzuziehen, sie umzingelten sie im Halbkreis, wie ein Opfer, das ihnen nicht entrinnen konnte, an dessen vergeblichen Anstrengungen sie sich weideten, bevor sie ihnen ein Ende machten; sie saßen ihr auf den Fersen wie Furien; wenn sie schneller lief, bewegten sie sich schneller, stand sie erschöpft still, so standen sie auch und maßen sie mit höhnenden Blicken; es war ihr unmöglich, ihnen nicht Menschenverstand und Absicht zuzutrauen; die ferneren Lichter rührten sich nicht, sie schienen diese wie Häscher ausgesandt zu haben und den Erfolg ihrer Bemühungen zu erwarten. Eine Weile hielt Lieschen diese Jagd aus, die Angst steigerte ihre Kräfte, endlich aber raubte sie sie ihr; ihr ward fürchterlich zu Muth, der Schweiß der Ohnmacht stand auf ihrer Stirn, mit einer letzten Anstrengung rief sie: Fritz, Hülfe, Hülfe! und sank zusammen.</p><lb/> <p>Ihr war, als antworte etwas: Lieschen, Lieschen! aber sie hielt es für eine Täuschung ihrer schwindenden Sinne; es nebelte vor ihren Augen, in ihren Ohren brauste es, sie glaubte die Flammen in neckender Ferne zu sehen, wie sie sie betrachteten, um bei der geringsten Bewegung wieder auf sie zuzustürzen. Doch plötzlich hörte sie sich wirklich rufen, und eine dunkle Gestalt machte sich Bahn zu ihr. War das Fritzens Stimme? Ist es kein Zauber? dachte sie und hielt Alles für einen Traum. Sie bemühte sich zu antworten;<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0074]
Schnelligkeit. Erst stand Lieschen wie in den Boden gewurzelt, dann riß sie sich los; aber ihre Bewegung schien die Flammen anzuziehen, sie umzingelten sie im Halbkreis, wie ein Opfer, das ihnen nicht entrinnen konnte, an dessen vergeblichen Anstrengungen sie sich weideten, bevor sie ihnen ein Ende machten; sie saßen ihr auf den Fersen wie Furien; wenn sie schneller lief, bewegten sie sich schneller, stand sie erschöpft still, so standen sie auch und maßen sie mit höhnenden Blicken; es war ihr unmöglich, ihnen nicht Menschenverstand und Absicht zuzutrauen; die ferneren Lichter rührten sich nicht, sie schienen diese wie Häscher ausgesandt zu haben und den Erfolg ihrer Bemühungen zu erwarten. Eine Weile hielt Lieschen diese Jagd aus, die Angst steigerte ihre Kräfte, endlich aber raubte sie sie ihr; ihr ward fürchterlich zu Muth, der Schweiß der Ohnmacht stand auf ihrer Stirn, mit einer letzten Anstrengung rief sie: Fritz, Hülfe, Hülfe! und sank zusammen.
Ihr war, als antworte etwas: Lieschen, Lieschen! aber sie hielt es für eine Täuschung ihrer schwindenden Sinne; es nebelte vor ihren Augen, in ihren Ohren brauste es, sie glaubte die Flammen in neckender Ferne zu sehen, wie sie sie betrachteten, um bei der geringsten Bewegung wieder auf sie zuzustürzen. Doch plötzlich hörte sie sich wirklich rufen, und eine dunkle Gestalt machte sich Bahn zu ihr. War das Fritzens Stimme? Ist es kein Zauber? dachte sie und hielt Alles für einen Traum. Sie bemühte sich zu antworten;
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/74 |
Zitationshilfe: | Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/74>, abgerufen am 18.07.2024. |