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Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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von Tieck, der "Entführung" von Eichendorff und dem "Gekreuzigten" von L. Schefer zusammen erschien, trotz der Nachbarschaft dieser damals so gefeierten Namen das größte Aufsehen erregte. Heute freilich, wo man andere Maßstäbe anlegen gelernt hat, wird man nicht mehr ganz mit Tieck übereinstimmen können, der die Erzählung ein echtes bäurisches Idyll nennt, das niederdeutsche Sitten und Menschen ohne alle sogenannte poetische Verschönerung mit der höchsten Treue und Wahrheit abschildere. Aber treue und in anmuthigen Zügen hervortretende Beobachtung ländlicher Natur und ländlichen Lebens wird man ihr auch jetzt noch nicht absprechen können; besonders meisterhaft ist der kleine Widerwart, die jüngere Schwester der Heldin, gezeichnet; und obgleich "Irrwisch-Fritze" dem "Münchhausen", mit dessen erstem Theil er gleichzeitig im September 1838 ausgegeben wurde, nicht völlig ebenbürtig an die Seite treten kann, so darf er sich doch einer entschiedenen Verwandtschaft mit ihm rühmen, ja er hat sogar, was die Wirkung betrifft, der Zeit nach den Vortritt, sofern er bereits abgeschlossen vorlag, während die gewaltigen idyllischen Bestandtheile von Immermann's "Geschichte in Arabesken" noch des Erscheinens harrten. Diese beiden Idyllen sind es, die dem gesunden Realismus der neueren Erzählungskunst die Bahn gebrochen haben, und ihre Schuld ist es nicht, wenn die neue Richtung, wie dies übrigens im Wesen jeder Entwicklung liegt, zum Theil einseitig und handwerksmäßig breitgetreten wurde. Indessen ist noch eine Bemerkung anderer Art hervorzuheben, zu welcher die vorliegende Erzählung Anlaß giebt. Wir haben früher gesagt, die Romantik habe ihren Rocken nur langsam und unter vielfachem Gestaltenwechsel abgesponnen: und wir behielten uns damals vor, als ein artiges Beispiel dieses Übergangs eben den "Irrwisch-Fritze" aufzustellen. Hier hält die Muse, die doch mit fliegenden Fahnen dem realen Leben zueilt, noch einen Augenblick still, um einen Blick des Heimwehs auf die verlassene Märchenwelt zurückzuwerfen. Denn es wird Niemand entgehen, daß in dieser liebenswürdigen Erfindung die Irrlichter keineswegs blos naturwahr im Aberglauben der handelnden Personen sich be-

von Tieck, der „Entführung“ von Eichendorff und dem „Gekreuzigten“ von L. Schefer zusammen erschien, trotz der Nachbarschaft dieser damals so gefeierten Namen das größte Aufsehen erregte. Heute freilich, wo man andere Maßstäbe anlegen gelernt hat, wird man nicht mehr ganz mit Tieck übereinstimmen können, der die Erzählung ein echtes bäurisches Idyll nennt, das niederdeutsche Sitten und Menschen ohne alle sogenannte poetische Verschönerung mit der höchsten Treue und Wahrheit abschildere. Aber treue und in anmuthigen Zügen hervortretende Beobachtung ländlicher Natur und ländlichen Lebens wird man ihr auch jetzt noch nicht absprechen können; besonders meisterhaft ist der kleine Widerwart, die jüngere Schwester der Heldin, gezeichnet; und obgleich „Irrwisch-Fritze“ dem „Münchhausen“, mit dessen erstem Theil er gleichzeitig im September 1838 ausgegeben wurde, nicht völlig ebenbürtig an die Seite treten kann, so darf er sich doch einer entschiedenen Verwandtschaft mit ihm rühmen, ja er hat sogar, was die Wirkung betrifft, der Zeit nach den Vortritt, sofern er bereits abgeschlossen vorlag, während die gewaltigen idyllischen Bestandtheile von Immermann's „Geschichte in Arabesken“ noch des Erscheinens harrten. Diese beiden Idyllen sind es, die dem gesunden Realismus der neueren Erzählungskunst die Bahn gebrochen haben, und ihre Schuld ist es nicht, wenn die neue Richtung, wie dies übrigens im Wesen jeder Entwicklung liegt, zum Theil einseitig und handwerksmäßig breitgetreten wurde. Indessen ist noch eine Bemerkung anderer Art hervorzuheben, zu welcher die vorliegende Erzählung Anlaß giebt. Wir haben früher gesagt, die Romantik habe ihren Rocken nur langsam und unter vielfachem Gestaltenwechsel abgesponnen: und wir behielten uns damals vor, als ein artiges Beispiel dieses Übergangs eben den „Irrwisch-Fritze“ aufzustellen. Hier hält die Muse, die doch mit fliegenden Fahnen dem realen Leben zueilt, noch einen Augenblick still, um einen Blick des Heimwehs auf die verlassene Märchenwelt zurückzuwerfen. Denn es wird Niemand entgehen, daß in dieser liebenswürdigen Erfindung die Irrlichter keineswegs blos naturwahr im Aberglauben der handelnden Personen sich be-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget: conversion of OCR output to TEI-conformant markup and general correction. (2017-03-10T13:46:34Z)
Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-10T13:46:34Z)

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Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

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Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/9>, abgerufen am 21.11.2024.