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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. 31. Der strafbare Versuch.
also der Fall gemeint, daß nicht nur eine Handlung vorliegt, welche
ihrer äußern Erscheinung und ihrem Zwecke nach den Anfang der Aus-
führung eines Verbrechens oder Vergehens enthält, sondern daß dieselbe
auch einen Erfolg, und zwar einen schädlichen, mit der verbrecherischen
Absicht zusammenhängenden gehabt haben würde, wenn ihr nicht zur
rechten Zeit entgegengewirkt wäre. In einem solchen Fall genügt die
bloße Willensänderung, der freiwillige Rücktritt nicht, um den Versuch
straflos zu machen; derjenige, welcher ihn unternommen, muß vielmehr
durch seine eigene freie Thätigkeit den Erfolg verhindert haben. Jemand
hat z. B. Gift in das Trinkglas seines Feindes gegossen, um ihn zu
vergiften; aber noch ehe derselbe es an den Mund bringt, ändert er sei-
nen Sinn, er verschüttet den Trank, so daß er es ist, welcher verhindert,
daß das Gift dem Andern beigebracht wird (§. 197.).

b. In allen diesen Fällen wird aber vorausgesetzt, daß die Ver-
suchshandlungen selbst nicht schon mit einer Strafe bedroht sind oder
nicht ein selbständiges Verbrechen oder Vergehen bilden. Denn die so
eben angeführten Bestimmungen des §. 31. beziehen sich überhaupt nur
auf die Willensänderung, so lange die Thätigkeit sich noch auf dem
Gebiete des Versuchs bewegt. Das vollendete Verbrechen ist nur durch
die Strafe zu sühnen, und wenn jemand z. B. auch die gestohlene Sache
zurückerstattet, den vergifteten Feind durch ein Gegengift wieder herstellt,
so mag das unter Umständen für die Strafzumessung von Einfluß sein;
aber die gesetzliche Strafe wird dadurch nicht abgewandt.

c. Die s. g. Wahnverbrechen hat das Strafgesetzbuch gar nicht
berücksichtigt, r) und über den Versuch mit untauglichen Mitteln und an
einem Gegenstande, der für die verbrecherische Thätigkeit absolut unem-
pfänglich ist, überhaupt keine Vorschriften aufgestellt. Der Entwurf
von 1843. bestimmte noch:

§. 57. "Die Strafbarkeit eines verbrecherischen Versuchs wird
dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Thäter sich zu demselben
ungenügender Mittel bedient, oder die Handlung an einem Ge-
genstande verübt hat, bei welchem die gesetzwidrige Wirkung nicht
eintreten konnte."

Die vielen gegen diese Bestimmungen erhobenen Bedenken führten
zu einer wiederholten Prüfung, welche das Weglassen des Paragraphen
zur Folge hatte. Die dafür angeführten Gründe sind im Wesentlichen
folgende: s)


r) Erwähnt sind sie mit Rücksicht auf die Wahl untauglicher Mittel im Hannov.
Criminalgesetzbuch
Art. 34. und im Thüring. Strafgesetzbuch Art. 23.
s) Revision von 1845. I. S. 140-144.

§. 31. Der ſtrafbare Verſuch.
alſo der Fall gemeint, daß nicht nur eine Handlung vorliegt, welche
ihrer äußern Erſcheinung und ihrem Zwecke nach den Anfang der Aus-
führung eines Verbrechens oder Vergehens enthält, ſondern daß dieſelbe
auch einen Erfolg, und zwar einen ſchädlichen, mit der verbrecheriſchen
Abſicht zuſammenhängenden gehabt haben würde, wenn ihr nicht zur
rechten Zeit entgegengewirkt wäre. In einem ſolchen Fall genügt die
bloße Willensänderung, der freiwillige Rücktritt nicht, um den Verſuch
ſtraflos zu machen; derjenige, welcher ihn unternommen, muß vielmehr
durch ſeine eigene freie Thätigkeit den Erfolg verhindert haben. Jemand
hat z. B. Gift in das Trinkglas ſeines Feindes gegoſſen, um ihn zu
vergiften; aber noch ehe derſelbe es an den Mund bringt, ändert er ſei-
nen Sinn, er verſchüttet den Trank, ſo daß er es iſt, welcher verhindert,
daß das Gift dem Andern beigebracht wird (§. 197.).

b. In allen dieſen Fällen wird aber vorausgeſetzt, daß die Ver-
ſuchshandlungen ſelbſt nicht ſchon mit einer Strafe bedroht ſind oder
nicht ein ſelbſtändiges Verbrechen oder Vergehen bilden. Denn die ſo
eben angeführten Beſtimmungen des §. 31. beziehen ſich überhaupt nur
auf die Willensänderung, ſo lange die Thätigkeit ſich noch auf dem
Gebiete des Verſuchs bewegt. Das vollendete Verbrechen iſt nur durch
die Strafe zu ſühnen, und wenn jemand z. B. auch die geſtohlene Sache
zurückerſtattet, den vergifteten Feind durch ein Gegengift wieder herſtellt,
ſo mag das unter Umſtänden für die Strafzumeſſung von Einfluß ſein;
aber die geſetzliche Strafe wird dadurch nicht abgewandt.

c. Die ſ. g. Wahnverbrechen hat das Strafgeſetzbuch gar nicht
berückſichtigt, r) und über den Verſuch mit untauglichen Mitteln und an
einem Gegenſtande, der für die verbrecheriſche Thätigkeit abſolut unem-
pfänglich iſt, überhaupt keine Vorſchriften aufgeſtellt. Der Entwurf
von 1843. beſtimmte noch:

§. 57. „Die Strafbarkeit eines verbrecheriſchen Verſuchs wird
dadurch nicht ausgeſchloſſen, daß der Thäter ſich zu demſelben
ungenügender Mittel bedient, oder die Handlung an einem Ge-
genſtande verübt hat, bei welchem die geſetzwidrige Wirkung nicht
eintreten konnte.“

Die vielen gegen dieſe Beſtimmungen erhobenen Bedenken führten
zu einer wiederholten Prüfung, welche das Weglaſſen des Paragraphen
zur Folge hatte. Die dafür angeführten Gründe ſind im Weſentlichen
folgende: s)


r) Erwähnt ſind ſie mit Rückſicht auf die Wahl untauglicher Mittel im Hannov.
Criminalgeſetzbuch
Art. 34. und im Thüring. Strafgeſetzbuch Art. 23.
s) Reviſion von 1845. I. S. 140-144.
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[143/0153] §. 31. Der ſtrafbare Verſuch. alſo der Fall gemeint, daß nicht nur eine Handlung vorliegt, welche ihrer äußern Erſcheinung und ihrem Zwecke nach den Anfang der Aus- führung eines Verbrechens oder Vergehens enthält, ſondern daß dieſelbe auch einen Erfolg, und zwar einen ſchädlichen, mit der verbrecheriſchen Abſicht zuſammenhängenden gehabt haben würde, wenn ihr nicht zur rechten Zeit entgegengewirkt wäre. In einem ſolchen Fall genügt die bloße Willensänderung, der freiwillige Rücktritt nicht, um den Verſuch ſtraflos zu machen; derjenige, welcher ihn unternommen, muß vielmehr durch ſeine eigene freie Thätigkeit den Erfolg verhindert haben. Jemand hat z. B. Gift in das Trinkglas ſeines Feindes gegoſſen, um ihn zu vergiften; aber noch ehe derſelbe es an den Mund bringt, ändert er ſei- nen Sinn, er verſchüttet den Trank, ſo daß er es iſt, welcher verhindert, daß das Gift dem Andern beigebracht wird (§. 197.). b. In allen dieſen Fällen wird aber vorausgeſetzt, daß die Ver- ſuchshandlungen ſelbſt nicht ſchon mit einer Strafe bedroht ſind oder nicht ein ſelbſtändiges Verbrechen oder Vergehen bilden. Denn die ſo eben angeführten Beſtimmungen des §. 31. beziehen ſich überhaupt nur auf die Willensänderung, ſo lange die Thätigkeit ſich noch auf dem Gebiete des Verſuchs bewegt. Das vollendete Verbrechen iſt nur durch die Strafe zu ſühnen, und wenn jemand z. B. auch die geſtohlene Sache zurückerſtattet, den vergifteten Feind durch ein Gegengift wieder herſtellt, ſo mag das unter Umſtänden für die Strafzumeſſung von Einfluß ſein; aber die geſetzliche Strafe wird dadurch nicht abgewandt. c. Die ſ. g. Wahnverbrechen hat das Strafgeſetzbuch gar nicht berückſichtigt, r) und über den Verſuch mit untauglichen Mitteln und an einem Gegenſtande, der für die verbrecheriſche Thätigkeit abſolut unem- pfänglich iſt, überhaupt keine Vorſchriften aufgeſtellt. Der Entwurf von 1843. beſtimmte noch: §. 57. „Die Strafbarkeit eines verbrecheriſchen Verſuchs wird dadurch nicht ausgeſchloſſen, daß der Thäter ſich zu demſelben ungenügender Mittel bedient, oder die Handlung an einem Ge- genſtande verübt hat, bei welchem die geſetzwidrige Wirkung nicht eintreten konnte.“ Die vielen gegen dieſe Beſtimmungen erhobenen Bedenken führten zu einer wiederholten Prüfung, welche das Weglaſſen des Paragraphen zur Folge hatte. Die dafür angeführten Gründe ſind im Weſentlichen folgende: s) r) Erwähnt ſind ſie mit Rückſicht auf die Wahl untauglicher Mittel im Hannov. Criminalgeſetzbuch Art. 34. und im Thüring. Strafgeſetzbuch Art. 23. s) Reviſion von 1845. I. S. 140-144.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/153>, abgerufen am 21.11.2024.