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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. I. Bestrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. II. Von d. Versuche.

"Besser ist es, im Gesetze ganz hiervon zu schweigen. Bei absolut
untauglichen Mitteln und bei einem objektiv für das Verbrechen unem-
pfänglichen Gegenstande fehlt es an dem Thatbestande eines Verbrechens.
Es kann also auch von einem Anfange der Ausführung (von einem
Versuche) nicht die Rede sein, und diejenigen, welche hier dennoch eine
strafbare Versuchshandlung annehmen, werden inkonsequent, wenn sie
nicht auch eine Strafe für den bösen Gedanken und für jede bloß prä-
paratorische Handlung zulassen wollen. Eine an sich nicht strafbare
Handlung, wie das Schießen auf eine Puppe, kann nicht dadurch, daß
der Schießende etwas Böses dabei im Sinne gehabt hat, zum Verbre-
cher werden. Das Strafgesetz bestraft denjenigen, welcher vorsätzlich
einen Menschen tödtet, als Mörder oder Todtschläger. Unter dieses
Gesetz fällt also weder der, welcher gegen eine Puppe eine solche Hand-
lung verübt, die einen Menschen zu tödten geeignet wäre, noch der, wel-
cher gegen einen Menschen eine solche Handlung verübt, die schlechthin
nicht tödten kann. Schweigt nun das Gesetz gänzlich über alle hier
einschlagenden Fragen, so wird zugleich die Schwierigkeit vermieden, die
absolut untauglichen Mittel zu charakterisiren, und es bleibt dem Rich-
ter überlassen, im konkreten Falle strafend anzuerkennen, wo der Versuch
mit relativ untauglichen Mitteln sich als ein wahrer Anfang der Aus-
führung des Verbrechens darstellt. Enthält das Gesetz gar keine Be-
stimmungen hierüber, so wird sich die Straflosigkeit des s. g. Versuchs
mit absolut untauglichen Mitteln und an untauglichen Objekten ebenso
von selbst verstehen, wie die Straflosigkeit der bösen Gedanken. Daß
hierüber aus dem Mangel einer gesetzlichen Bestimmung keine Zweifel
entstehen werden, dafür bürgt die jetzige Praxis des Preußischen wie
des Französischen Rechts, welche in dieser Beziehung keine Kontroversen
hat." -- Das Allgemeine Landrecht mache nur eine Ausnahme im spe-
ziellen Falle des Th. II. Tit. 20. §. 866., wenn jemanden unschädliche
Sachen in der Absicht zu tödten, beigebracht worden; schon die Karo-
lina (s. oben Note o) erkläre den Versuch mit untauglichen Mitteln
nicht für strafbar.

Im Allgemeinen wird also zu unterscheiden sein, ob die Mittel ab-
solut untauglich oder relativ untauglich (unzulänglich) sind, und ob die
Beschaffenheit des Gegenstandes von der Art ist, daß der Thatbestand
eines Verbrechens oder Vergehens dadurch ausgeschlossen wird (Tödtung
einer Puppe), oder ob die Handlung nur aus besonderen Gründen nicht
an demselben verübt werden konnte (Versuch, einen mit einem undurch-
dringlichen Panzer geschützten Menschen zu erstechen), in welch' letzterem
Falle denn wieder die bloße Unzulänglichkeit des gewählten Mittels sich
herausstellen wird.


Th. I. Beſtrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. II. Von d. Verſuche.

„Beſſer iſt es, im Geſetze ganz hiervon zu ſchweigen. Bei abſolut
untauglichen Mitteln und bei einem objektiv für das Verbrechen unem-
pfänglichen Gegenſtande fehlt es an dem Thatbeſtande eines Verbrechens.
Es kann alſo auch von einem Anfange der Ausführung (von einem
Verſuche) nicht die Rede ſein, und diejenigen, welche hier dennoch eine
ſtrafbare Verſuchshandlung annehmen, werden inkonſequent, wenn ſie
nicht auch eine Strafe für den böſen Gedanken und für jede bloß prä-
paratoriſche Handlung zulaſſen wollen. Eine an ſich nicht ſtrafbare
Handlung, wie das Schießen auf eine Puppe, kann nicht dadurch, daß
der Schießende etwas Böſes dabei im Sinne gehabt hat, zum Verbre-
cher werden. Das Strafgeſetz beſtraft denjenigen, welcher vorſätzlich
einen Menſchen tödtet, als Mörder oder Todtſchläger. Unter dieſes
Geſetz fällt alſo weder der, welcher gegen eine Puppe eine ſolche Hand-
lung verübt, die einen Menſchen zu tödten geeignet wäre, noch der, wel-
cher gegen einen Menſchen eine ſolche Handlung verübt, die ſchlechthin
nicht tödten kann. Schweigt nun das Geſetz gänzlich über alle hier
einſchlagenden Fragen, ſo wird zugleich die Schwierigkeit vermieden, die
abſolut untauglichen Mittel zu charakteriſiren, und es bleibt dem Rich-
ter überlaſſen, im konkreten Falle ſtrafend anzuerkennen, wo der Verſuch
mit relativ untauglichen Mitteln ſich als ein wahrer Anfang der Aus-
führung des Verbrechens darſtellt. Enthält das Geſetz gar keine Be-
ſtimmungen hierüber, ſo wird ſich die Strafloſigkeit des ſ. g. Verſuchs
mit abſolut untauglichen Mitteln und an untauglichen Objekten ebenſo
von ſelbſt verſtehen, wie die Strafloſigkeit der böſen Gedanken. Daß
hierüber aus dem Mangel einer geſetzlichen Beſtimmung keine Zweifel
entſtehen werden, dafür bürgt die jetzige Praxis des Preußiſchen wie
des Franzöſiſchen Rechts, welche in dieſer Beziehung keine Kontroverſen
hat.“ — Das Allgemeine Landrecht mache nur eine Ausnahme im ſpe-
ziellen Falle des Th. II. Tit. 20. §. 866., wenn jemanden unſchädliche
Sachen in der Abſicht zu tödten, beigebracht worden; ſchon die Karo-
lina (ſ. oben Note o) erkläre den Verſuch mit untauglichen Mitteln
nicht für ſtrafbar.

Im Allgemeinen wird alſo zu unterſcheiden ſein, ob die Mittel ab-
ſolut untauglich oder relativ untauglich (unzulänglich) ſind, und ob die
Beſchaffenheit des Gegenſtandes von der Art iſt, daß der Thatbeſtand
eines Verbrechens oder Vergehens dadurch ausgeſchloſſen wird (Tödtung
einer Puppe), oder ob die Handlung nur aus beſonderen Gründen nicht
an demſelben verübt werden konnte (Verſuch, einen mit einem undurch-
dringlichen Panzer geſchützten Menſchen zu erſtechen), in welch' letzterem
Falle denn wieder die bloße Unzulänglichkeit des gewählten Mittels ſich
herausſtellen wird.


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[144/0154] Th. I. Beſtrafung d. Verbr. u. Vergehen im Allg. Tit. II. Von d. Verſuche. „Beſſer iſt es, im Geſetze ganz hiervon zu ſchweigen. Bei abſolut untauglichen Mitteln und bei einem objektiv für das Verbrechen unem- pfänglichen Gegenſtande fehlt es an dem Thatbeſtande eines Verbrechens. Es kann alſo auch von einem Anfange der Ausführung (von einem Verſuche) nicht die Rede ſein, und diejenigen, welche hier dennoch eine ſtrafbare Verſuchshandlung annehmen, werden inkonſequent, wenn ſie nicht auch eine Strafe für den böſen Gedanken und für jede bloß prä- paratoriſche Handlung zulaſſen wollen. Eine an ſich nicht ſtrafbare Handlung, wie das Schießen auf eine Puppe, kann nicht dadurch, daß der Schießende etwas Böſes dabei im Sinne gehabt hat, zum Verbre- cher werden. Das Strafgeſetz beſtraft denjenigen, welcher vorſätzlich einen Menſchen tödtet, als Mörder oder Todtſchläger. Unter dieſes Geſetz fällt alſo weder der, welcher gegen eine Puppe eine ſolche Hand- lung verübt, die einen Menſchen zu tödten geeignet wäre, noch der, wel- cher gegen einen Menſchen eine ſolche Handlung verübt, die ſchlechthin nicht tödten kann. Schweigt nun das Geſetz gänzlich über alle hier einſchlagenden Fragen, ſo wird zugleich die Schwierigkeit vermieden, die abſolut untauglichen Mittel zu charakteriſiren, und es bleibt dem Rich- ter überlaſſen, im konkreten Falle ſtrafend anzuerkennen, wo der Verſuch mit relativ untauglichen Mitteln ſich als ein wahrer Anfang der Aus- führung des Verbrechens darſtellt. Enthält das Geſetz gar keine Be- ſtimmungen hierüber, ſo wird ſich die Strafloſigkeit des ſ. g. Verſuchs mit abſolut untauglichen Mitteln und an untauglichen Objekten ebenſo von ſelbſt verſtehen, wie die Strafloſigkeit der böſen Gedanken. Daß hierüber aus dem Mangel einer geſetzlichen Beſtimmung keine Zweifel entſtehen werden, dafür bürgt die jetzige Praxis des Preußiſchen wie des Franzöſiſchen Rechts, welche in dieſer Beziehung keine Kontroverſen hat.“ — Das Allgemeine Landrecht mache nur eine Ausnahme im ſpe- ziellen Falle des Th. II. Tit. 20. §. 866., wenn jemanden unſchädliche Sachen in der Abſicht zu tödten, beigebracht worden; ſchon die Karo- lina (ſ. oben Note o) erkläre den Verſuch mit untauglichen Mitteln nicht für ſtrafbar. Im Allgemeinen wird alſo zu unterſcheiden ſein, ob die Mittel ab- ſolut untauglich oder relativ untauglich (unzulänglich) ſind, und ob die Beſchaffenheit des Gegenſtandes von der Art iſt, daß der Thatbeſtand eines Verbrechens oder Vergehens dadurch ausgeſchloſſen wird (Tödtung einer Puppe), oder ob die Handlung nur aus beſonderen Gründen nicht an demſelben verübt werden konnte (Verſuch, einen mit einem undurch- dringlichen Panzer geſchützten Menſchen zu erſtechen), in welch' letzterem Falle denn wieder die bloße Unzulänglichkeit des gewählten Mittels ſich herausſtellen wird.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/154>, abgerufen am 18.12.2024.