Einleitung. Erstes Kap. Entstehung des Strafgesetzbuchs.
klar und bestimmt in seinen Vorschriften, auf das Wesentliche gerichtet. Die körperliche Züchtigung ist aus der Reihe der Strafen verschwunden, unter den Freiheitsstrafen im Allgemeinen ein angemessenes Verhältniß hergestellt; Zwangsarbeit und Zuchthausstrafe haben den Verlust bestimm- ter Ehrenrechte, die Amtsentsetzung hat die Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern von Rechtswegen zur Folge, außerdem giebt es keine Ehren- strafen. Für Personen von gebildetem Stande blieben jedoch, wenn auch nur für die seltneren Fälle, Festungsstrafe und Festungsarrest vorbehal- ten, auch ward die Strafe der Vermögenskonfiskation in das Gesetzbuch aufgenommen.
Während aber Alles die rasche und glückliche Vollendung des Re- visionswerks hoffen ließ, trat noch im Jahre 1830 mit dem Tode des Grafen v. Danckelman, zum Theil auch wohl in Folge der politischen Ereignisse eine neue Wendung für dasselbe ein; die Leitung der Sache kam in die Hände des Herrn v. Kamptz. Man kann diesem Manne die Verdienste, welche er sich namentlich um die Sammlung und Bear- beitung der Provinzialrechte erworben hat, ungeschmälert lassen, und doch der Ansicht sein, daß er für die Durchführung einer Reform im Straf- recht sehr wenig geeignet war. Nach seiner Ansicht bedurfte der Tit. 20. Th. II. des Allg. Landrechts eigentlich nur einer Ausbesserung im Ein- zelnen, und er hat das Seinige gethan, den Entwurf von 1830 in die- sem Sinne zurückzurevidiren. Dazu kam seine oberflächliche und zerfahrene Productivität, die es ihm schwer machte, eine reife Arbeit zu liefern, und dann seine bekannte politische Richtung, welche in Fra- gen, die mit den sogenannten demagogischen Umtrieben zusammen hingen, fast die Gestalt von fixen Ideen annahm. Unter diesen Einflüssen nun wurde eine Umarbeitung des Entwurfs von 1830 vorgenommen und von dem Minister selbst mit Motiven versehen, als Manuscript gedruckt unter dem Titel:
Revidirter Entwurf des Strafgesetzbuchs für die Königl. Preu- ßischen Staaten. Erster Theil. Criminal-Strafgesetze. Berlin 1833. 4. Hier treten schon wieder die allgemeinen Zumessungsgründe auf, ferner die polizeilichen Strafvorschriften, welche geeigneten Orts eingestreut sind; Festungsstrafe und Festungsarrest kommen allgemein für Personen zur Anwendung, welche zu den höheren oder gebildeteren Ständen gehören, Hochverrath ist ein Unternehmen, welches darauf abzielt, eigenmächtig die Verfassung des Staats zu ändern u. s. w. Diese Aenderungen ge- nügten dem Herrn v. Kamptz jedoch nicht; noch ehe der revidirte Ent- wurf Gegenstand weiterer Berathungen wurde, arbeitete er ihn von Neuem um, und ließ diese Arbeit in 797 §§. unter folgendem Titel drucken:
Einleitung. Erſtes Kap. Entſtehung des Strafgeſetzbuchs.
klar und beſtimmt in ſeinen Vorſchriften, auf das Weſentliche gerichtet. Die körperliche Züchtigung iſt aus der Reihe der Strafen verſchwunden, unter den Freiheitsſtrafen im Allgemeinen ein angemeſſenes Verhältniß hergeſtellt; Zwangsarbeit und Zuchthausſtrafe haben den Verluſt beſtimm- ter Ehrenrechte, die Amtsentſetzung hat die Unfähigkeit zu öffentlichen Aemtern von Rechtswegen zur Folge, außerdem giebt es keine Ehren- ſtrafen. Für Perſonen von gebildetem Stande blieben jedoch, wenn auch nur für die ſeltneren Fälle, Feſtungsſtrafe und Feſtungsarreſt vorbehal- ten, auch ward die Strafe der Vermögenskonfiskation in das Geſetzbuch aufgenommen.
Während aber Alles die raſche und glückliche Vollendung des Re- viſionswerks hoffen ließ, trat noch im Jahre 1830 mit dem Tode des Grafen v. Danckelman, zum Theil auch wohl in Folge der politiſchen Ereigniſſe eine neue Wendung für daſſelbe ein; die Leitung der Sache kam in die Hände des Herrn v. Kamptz. Man kann dieſem Manne die Verdienſte, welche er ſich namentlich um die Sammlung und Bear- beitung der Provinzialrechte erworben hat, ungeſchmälert laſſen, und doch der Anſicht ſein, daß er für die Durchführung einer Reform im Straf- recht ſehr wenig geeignet war. Nach ſeiner Anſicht bedurfte der Tit. 20. Th. II. des Allg. Landrechts eigentlich nur einer Ausbeſſerung im Ein- zelnen, und er hat das Seinige gethan, den Entwurf von 1830 in die- ſem Sinne zurückzurevidiren. Dazu kam ſeine oberflächliche und zerfahrene Productivität, die es ihm ſchwer machte, eine reife Arbeit zu liefern, und dann ſeine bekannte politiſche Richtung, welche in Fra- gen, die mit den ſogenannten demagogiſchen Umtrieben zuſammen hingen, faſt die Geſtalt von fixen Ideen annahm. Unter dieſen Einflüſſen nun wurde eine Umarbeitung des Entwurfs von 1830 vorgenommen und von dem Miniſter ſelbſt mit Motiven verſehen, als Manuſcript gedruckt unter dem Titel:
Revidirter Entwurf des Strafgeſetzbuchs für die Königl. Preu- ßiſchen Staaten. Erſter Theil. Criminal-Strafgeſetze. Berlin 1833. 4. Hier treten ſchon wieder die allgemeinen Zumeſſungsgründe auf, ferner die polizeilichen Strafvorſchriften, welche geeigneten Orts eingeſtreut ſind; Feſtungsſtrafe und Feſtungsarreſt kommen allgemein für Perſonen zur Anwendung, welche zu den höheren oder gebildeteren Ständen gehören, Hochverrath iſt ein Unternehmen, welches darauf abzielt, eigenmächtig die Verfaſſung des Staats zu ändern u. ſ. w. Dieſe Aenderungen ge- nügten dem Herrn v. Kamptz jedoch nicht; noch ehe der revidirte Ent- wurf Gegenſtand weiterer Berathungen wurde, arbeitete er ihn von Neuem um, und ließ dieſe Arbeit in 797 §§. unter folgendem Titel drucken:
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Einleitung. Erſtes Kap. Entſtehung des Strafgeſetzbuchs.
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Die körperliche Züchtigung iſt aus der Reihe der Strafen verſchwunden,
unter den Freiheitsſtrafen im Allgemeinen ein angemeſſenes Verhältniß
hergeſtellt; Zwangsarbeit und Zuchthausſtrafe haben den Verluſt beſtimm-
ter Ehrenrechte, die Amtsentſetzung hat die Unfähigkeit zu öffentlichen
Aemtern von Rechtswegen zur Folge, außerdem giebt es keine Ehren-
ſtrafen. Für Perſonen von gebildetem Stande blieben jedoch, wenn auch
nur für die ſeltneren Fälle, Feſtungsſtrafe und Feſtungsarreſt vorbehal-
ten, auch ward die Strafe der Vermögenskonfiskation in das Geſetzbuch
aufgenommen.
Während aber Alles die raſche und glückliche Vollendung des Re-
viſionswerks hoffen ließ, trat noch im Jahre 1830 mit dem Tode des
Grafen v. Danckelman, zum Theil auch wohl in Folge der politiſchen
Ereigniſſe eine neue Wendung für daſſelbe ein; die Leitung der Sache
kam in die Hände des Herrn v. Kamptz. Man kann dieſem Manne
die Verdienſte, welche er ſich namentlich um die Sammlung und Bear-
beitung der Provinzialrechte erworben hat, ungeſchmälert laſſen, und doch
der Anſicht ſein, daß er für die Durchführung einer Reform im Straf-
recht ſehr wenig geeignet war. Nach ſeiner Anſicht bedurfte der Tit. 20.
Th. II. des Allg. Landrechts eigentlich nur einer Ausbeſſerung im Ein-
zelnen, und er hat das Seinige gethan, den Entwurf von 1830 in die-
ſem Sinne zurückzurevidiren. Dazu kam ſeine oberflächliche und
zerfahrene Productivität, die es ihm ſchwer machte, eine reife Arbeit
zu liefern, und dann ſeine bekannte politiſche Richtung, welche in Fra-
gen, die mit den ſogenannten demagogiſchen Umtrieben zuſammen hingen,
faſt die Geſtalt von fixen Ideen annahm. Unter dieſen Einflüſſen nun
wurde eine Umarbeitung des Entwurfs von 1830 vorgenommen und
von dem Miniſter ſelbſt mit Motiven verſehen, als Manuſcript gedruckt
unter dem Titel:
Revidirter Entwurf des Strafgeſetzbuchs für die Königl. Preu-
ßiſchen Staaten. Erſter Theil. Criminal-Strafgeſetze. Berlin
1833. 4.
Hier treten ſchon wieder die allgemeinen Zumeſſungsgründe auf, ferner
die polizeilichen Strafvorſchriften, welche geeigneten Orts eingeſtreut ſind;
Feſtungsſtrafe und Feſtungsarreſt kommen allgemein für Perſonen zur
Anwendung, welche zu den höheren oder gebildeteren Ständen gehören,
Hochverrath iſt ein Unternehmen, welches darauf abzielt, eigenmächtig
die Verfaſſung des Staats zu ändern u. ſ. w. Dieſe Aenderungen ge-
nügten dem Herrn v. Kamptz jedoch nicht; noch ehe der revidirte Ent-
wurf Gegenſtand weiterer Berathungen wurde, arbeitete er ihn von
Neuem um, und ließ dieſe Arbeit in 797 §§. unter folgendem Titel drucken:
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/16>, abgerufen am 21.11.2024.
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