Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite
§§. 58. 59. 60. Vom Rückfall.
§. 58.

Wer, nachdem er wegen eines Verbrechens oder Vergehens von einem Preu-
ßischen Gerichtshofe rechtskräftig verurtheilt worden ist, dasselbe Verbrechen
oder Vergehen, sei es mit oder ohne erschwerende Umstände, begeht, befindet
sich im Rückfalle.

Insofern das Gesetz keine besondere Rückfallsstrafen bestimmt, kann wegen
Rückfalls die Strafe über das gesetzliche Maaß hinaus erhöht werden, jedoch
nicht mehr, als um die Hälfte des höchsten gesetzlichen Strafmaaßes.

Die Dauer der Gefängnißstrafe kann im Rückfalle die Zeit von fünf Jah-
ren übersteigen.

Bei Verbrechen, welche mit zeitiger Freiheitsstrafe bedroht sind, darf die
Dauer von zwanzig Jahren selbst im Rückfall nicht überschritten werden.

§. 59.

Der Rückfall ist auch dann vorhanden, wenn die That in dem früheren
oder späteren Falle, oder in beiden Fällen die Theilnahme an einem Verbre-
chen oder Vergehen, oder den Versuch eines Verbrechens oder Vergehens
darstellt.

§. 60.

Die Straferhöhung wegen Rückfalls tritt nicht ein, wenn seit dem Zeit-
punkte, in welchem die Freiheitsstrafe oder Geldbuße des zuletzt begangenen
früheren Verbrechens oder Vergehens abgebüßt oder erlassen worden ist, zehn
Jahre verflossen sind.



Auch bei der Behandlung des Rückfalls konnte sich der Gesetzgeber
in voller Freiheit bewegen, da die Wahl zwischen den verschiedenen hier
zur Anwendung gebrachten Systemen nur nach Gründen der Zweck-
mäßigkeit zu treffen war, und auch für eine eigenthümliche Behandlung
der Sache noch immer Raum übrig blieb.

Für die Bestrafung des Rückfalls sind nämlich folgende Rechts-
grundsätze maaßgebend geworden:

1) Nach dem Code penal, welcher jedoch gerade in Beziehung auf
die Rückfallsstrafen durch das Gesetz vom 28. Apr. 1832. we-
sentlich verändert worden ist, hat die Thatsache, daß ein Ange-
schuldigter schon früher wegen eines Verbrechens oder Vergehens
verurtheilt worden, auf seine gegenwärtige Bestrafung einen sehr
bedeutenden Einfluß. Ohne Rücksicht darauf, von welcher Art
das frühere Verbrechen oder Vergehen war, soll der Rückfall stets
eine erhebliche Straferhöhung nach sich ziehen. t)


t) Code penal Art. 56-58. Die Lehre vom Rückfall ist eine der verwickelt-
sten und schwierigsten des Französischen Strafrechts; vgl. Chauveau et Helie
Faustin
, Theorie du Code penal I. chap. IX.
14*
§§. 58. 59. 60. Vom Rückfall.
§. 58.

Wer, nachdem er wegen eines Verbrechens oder Vergehens von einem Preu-
ßiſchen Gerichtshofe rechtskräftig verurtheilt worden iſt, daſſelbe Verbrechen
oder Vergehen, ſei es mit oder ohne erſchwerende Umſtände, begeht, befindet
ſich im Rückfalle.

Inſofern das Geſetz keine beſondere Rückfallsſtrafen beſtimmt, kann wegen
Rückfalls die Strafe über das geſetzliche Maaß hinaus erhöht werden, jedoch
nicht mehr, als um die Hälfte des höchſten geſetzlichen Strafmaaßes.

Die Dauer der Gefängnißſtrafe kann im Rückfalle die Zeit von fünf Jah-
ren überſteigen.

Bei Verbrechen, welche mit zeitiger Freiheitsſtrafe bedroht ſind, darf die
Dauer von zwanzig Jahren ſelbſt im Rückfall nicht überſchritten werden.

§. 59.

Der Rückfall iſt auch dann vorhanden, wenn die That in dem früheren
oder ſpäteren Falle, oder in beiden Fällen die Theilnahme an einem Verbre-
chen oder Vergehen, oder den Verſuch eines Verbrechens oder Vergehens
darſtellt.

§. 60.

Die Straferhöhung wegen Rückfalls tritt nicht ein, wenn ſeit dem Zeit-
punkte, in welchem die Freiheitsſtrafe oder Geldbuße des zuletzt begangenen
früheren Verbrechens oder Vergehens abgebüßt oder erlaſſen worden iſt, zehn
Jahre verfloſſen ſind.



Auch bei der Behandlung des Rückfalls konnte ſich der Geſetzgeber
in voller Freiheit bewegen, da die Wahl zwiſchen den verſchiedenen hier
zur Anwendung gebrachten Syſtemen nur nach Gründen der Zweck-
mäßigkeit zu treffen war, und auch für eine eigenthümliche Behandlung
der Sache noch immer Raum übrig blieb.

Für die Beſtrafung des Rückfalls ſind nämlich folgende Rechts-
grundſätze maaßgebend geworden:

1) Nach dem Code pénal, welcher jedoch gerade in Beziehung auf
die Rückfallsſtrafen durch das Geſetz vom 28. Apr. 1832. we-
ſentlich verändert worden iſt, hat die Thatſache, daß ein Ange-
ſchuldigter ſchon früher wegen eines Verbrechens oder Vergehens
verurtheilt worden, auf ſeine gegenwärtige Beſtrafung einen ſehr
bedeutenden Einfluß. Ohne Rückſicht darauf, von welcher Art
das frühere Verbrechen oder Vergehen war, ſoll der Rückfall ſtets
eine erhebliche Straferhöhung nach ſich ziehen. t)


t) Code pénal Art. 56-58. Die Lehre vom Rückfall iſt eine der verwickelt-
ſten und ſchwierigſten des Franzöſiſchen Strafrechts; vgl. Chauveau et Hélie
Faustin
, Théorie du Code pénal I. chap. IX.
14*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0221" n="211"/>
          <fw place="top" type="header">§§. 58. 59. 60. Vom Rückfall.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 58.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Wer, nachdem er wegen eines Verbrechens oder Vergehens von einem         Preu-<lb/>
ßi&#x017F;chen Gerichtshofe rechtskräftig verurtheilt worden i&#x017F;t,         da&#x017F;&#x017F;elbe Verbrechen<lb/>
oder Vergehen, &#x017F;ei es mit oder ohne         er&#x017F;chwerende Um&#x017F;tände, begeht, befindet<lb/>
&#x017F;ich im         Rückfalle.</p><lb/>
              <p>In&#x017F;ofern das Ge&#x017F;etz keine be&#x017F;ondere         Rückfalls&#x017F;trafen be&#x017F;timmt, kann wegen<lb/>
Rückfalls die Strafe über         das ge&#x017F;etzliche Maaß hinaus erhöht werden, jedoch<lb/>
nicht mehr, als um die         Hälfte des höch&#x017F;ten ge&#x017F;etzlichen Strafmaaßes.</p><lb/>
              <p>Die Dauer der Gefängniß&#x017F;trafe kann im Rückfalle die Zeit von fünf Jah-<lb/>
ren         über&#x017F;teigen.</p><lb/>
              <p>Bei Verbrechen, welche mit zeitiger Freiheits&#x017F;trafe bedroht &#x017F;ind,         darf die<lb/>
Dauer von zwanzig Jahren &#x017F;elb&#x017F;t im Rückfall nicht         über&#x017F;chritten werden.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 59.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Der Rückfall i&#x017F;t auch dann vorhanden, wenn die That in dem früheren<lb/>
oder         &#x017F;päteren Falle, oder in beiden Fällen die Theilnahme an einem Verbre-<lb/>
chen         oder Vergehen, oder den Ver&#x017F;uch eines Verbrechens oder         Vergehens<lb/>
dar&#x017F;tellt.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 60.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Die Straferhöhung wegen Rückfalls tritt nicht ein, wenn &#x017F;eit dem         Zeit-<lb/>
punkte, in welchem die Freiheits&#x017F;trafe oder Geldbuße des zuletzt         begangenen<lb/>
früheren Verbrechens oder Vergehens abgebüßt oder         erla&#x017F;&#x017F;en worden i&#x017F;t, zehn<lb/>
Jahre         verflo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind.</p>
            </div><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            <div n="4">
              <head/>
              <p>Auch bei der Behandlung des Rückfalls konnte &#x017F;ich der         Ge&#x017F;etzgeber<lb/>
in voller Freiheit bewegen, da die Wahl zwi&#x017F;chen den         ver&#x017F;chiedenen hier<lb/>
zur Anwendung gebrachten Sy&#x017F;temen nur nach         Gründen der Zweck-<lb/>
mäßigkeit zu treffen war, und auch für eine eigenthümliche         Behandlung<lb/>
der Sache noch immer Raum übrig blieb.</p><lb/>
              <p>Für die Be&#x017F;trafung des Rückfalls &#x017F;ind nämlich folgende         Rechts-<lb/>
grund&#x017F;ätze maaßgebend geworden:</p><lb/>
              <p>1) Nach dem <hi rendition="#aq">Code pénal</hi>, welcher jedoch gerade in         Beziehung auf<lb/>
die Rückfalls&#x017F;trafen durch das Ge&#x017F;etz vom 28. Apr.         1832. we-<lb/>
&#x017F;entlich verändert worden i&#x017F;t, hat die         That&#x017F;ache, daß ein Ange-<lb/>
&#x017F;chuldigter &#x017F;chon früher wegen         eines Verbrechens oder Vergehens<lb/>
verurtheilt worden, auf &#x017F;eine gegenwärtige         Be&#x017F;trafung einen &#x017F;ehr<lb/>
bedeutenden Einfluß. Ohne         Rück&#x017F;icht darauf, von welcher Art<lb/>
das frühere Verbrechen oder Vergehen war,         &#x017F;oll der Rückfall &#x017F;tets<lb/>
eine erhebliche Straferhöhung nach         &#x017F;ich ziehen. <note place="foot" n="t)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Code pénal</hi> Art. 56-58.</hi> Die Lehre vom Rückfall i&#x017F;t eine          der verwickelt-<lb/>
&#x017F;ten und &#x017F;chwierig&#x017F;ten des          Franzö&#x017F;i&#x017F;chen Strafrechts; vgl. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Chauveau et Hélie<lb/>
Faustin</hi>, Théorie du Code           pénal I. chap. IX.</hi></note>        </p><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">14*</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[211/0221] §§. 58. 59. 60. Vom Rückfall. §. 58. Wer, nachdem er wegen eines Verbrechens oder Vergehens von einem Preu- ßiſchen Gerichtshofe rechtskräftig verurtheilt worden iſt, daſſelbe Verbrechen oder Vergehen, ſei es mit oder ohne erſchwerende Umſtände, begeht, befindet ſich im Rückfalle. Inſofern das Geſetz keine beſondere Rückfallsſtrafen beſtimmt, kann wegen Rückfalls die Strafe über das geſetzliche Maaß hinaus erhöht werden, jedoch nicht mehr, als um die Hälfte des höchſten geſetzlichen Strafmaaßes. Die Dauer der Gefängnißſtrafe kann im Rückfalle die Zeit von fünf Jah- ren überſteigen. Bei Verbrechen, welche mit zeitiger Freiheitsſtrafe bedroht ſind, darf die Dauer von zwanzig Jahren ſelbſt im Rückfall nicht überſchritten werden. §. 59. Der Rückfall iſt auch dann vorhanden, wenn die That in dem früheren oder ſpäteren Falle, oder in beiden Fällen die Theilnahme an einem Verbre- chen oder Vergehen, oder den Verſuch eines Verbrechens oder Vergehens darſtellt. §. 60. Die Straferhöhung wegen Rückfalls tritt nicht ein, wenn ſeit dem Zeit- punkte, in welchem die Freiheitsſtrafe oder Geldbuße des zuletzt begangenen früheren Verbrechens oder Vergehens abgebüßt oder erlaſſen worden iſt, zehn Jahre verfloſſen ſind. Auch bei der Behandlung des Rückfalls konnte ſich der Geſetzgeber in voller Freiheit bewegen, da die Wahl zwiſchen den verſchiedenen hier zur Anwendung gebrachten Syſtemen nur nach Gründen der Zweck- mäßigkeit zu treffen war, und auch für eine eigenthümliche Behandlung der Sache noch immer Raum übrig blieb. Für die Beſtrafung des Rückfalls ſind nämlich folgende Rechts- grundſätze maaßgebend geworden: 1) Nach dem Code pénal, welcher jedoch gerade in Beziehung auf die Rückfallsſtrafen durch das Geſetz vom 28. Apr. 1832. we- ſentlich verändert worden iſt, hat die Thatſache, daß ein Ange- ſchuldigter ſchon früher wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurtheilt worden, auf ſeine gegenwärtige Beſtrafung einen ſehr bedeutenden Einfluß. Ohne Rückſicht darauf, von welcher Art das frühere Verbrechen oder Vergehen war, ſoll der Rückfall ſtets eine erhebliche Straferhöhung nach ſich ziehen. t) t) Code pénal Art. 56-58. Die Lehre vom Rückfall iſt eine der verwickelt- ſten und ſchwierigſten des Franzöſiſchen Strafrechts; vgl. Chauveau et Hélie Faustin, Théorie du Code pénal I. chap. IX. 14*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/221
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/221>, abgerufen am 21.11.2024.