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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. I. Bestrafung etc. Tit. V. Zusammentreffen d. Verbrechen. Rückfall.

2) Das gemeine Deutsche Kriminalrecht kennt den Rückfall nicht als
allgemeinen Strafverschärfungsgrund; nur bei gewissen Verbre-
chen, namentlich dem Diebstahl ist demselben diese Wirkung bei-
gelegt.

3) Die neueren Deutschen Strafgesetzbücher schreiben nur dann eine
Straferhöhung wegen Rückfalls vor, wenn das früher und das
später begangene Verbrechen gleichartig sind. u) Dabei pflegt
denn näher bestimmt zu werden, welche Verbrechen für gleich-
artig gelten sollen, und einzelne Gesetzbücher schließen für andere
als die aufgeführten Arten der Verbrechen die Rückfallsstrafe
überhaupt aus. v)

4) Das Allgemeine Landrecht w) enthält über den Rückfall folgende
Bestimmung:

§. 52. "Die Wiederholung gleicher Verbrechen wirkt allemal
Verschärfung der für das einfache Verbrechen bestimmten
Strafe."

§. 53. "Bei dieser Verschärfung der Strafe ist besonders auf
den Hang des Verbrechers zu dieser Art von Vergehungen,
und auf die dem Staate daraus bevorstehende Gefahr Rück-
sicht zu nehmen."

Diese Vorschrift des Landrechts hat das Eigenthümliche, daß sie
die Anwendung der Rückfallsstrafe nicht nur auf gleichartige, sondern
auf gleiche Verbrechen beschränkt; denn die Bezeichnung in §. 53.: "zu
dieser Art von Vergehungen" kann nicht als ausdehnende Erklärung
des Ausdrucks: "Wiederholung gleicher Verbrechen" in dem vorherge-
henden Paragraphen verstanden werden.

Bei der Revision des Strafrechts wurde noch in dem Entwurf von
1847. §. 75. 76. daran festgehalten, daß die Gleichartigkeit des Ver-
brechens die Rückfallsstrafe begründe; doch war schon früher das Un-
sichere und Schwankende dieses Begriffs hervorgehoben worden, x) und
es kann als eine entschiedene Verbesserung angesehen werden, daß der

u) Sächs. Criminalgesetzb. Art. 58. 59. -- Württemb. Strafgesetzb.
Art. 124. -- Braunschweig. Criminalgesetzb. §. 58. 59. -- Hannov.
Criminalgesetzb
. Art. III. -- Thüring. Strafgesetzb. Art. 46. 47.
v) Hessisches Strafgesetzb. Art. 94. 97. -- Bad. Strafgesetzb.
§. 183.
w) A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 52. 53. -- Es kann freilich gezweifelt wer-
den, ob diese Vorschriften auf das Zusammentreffen mehrer Verbrechen oder auf den
Rückfall sich beziehen; aber überwiegende Gründe sprechen doch für die letztere An-
nahme; vgl. Motive zum ersten Entwurf I. S. 220. -- Daß aber nur über-
haupt ein solcher Zweifel aufkommen konnte, ist für die Mangelhaftigkeit der land-
rechtlichen Bestimmungen bezeichnend.
x) Revision von 1845. I. S. 245.
Th. I. Beſtrafung ꝛc. Tit. V. Zuſammentreffen d. Verbrechen. Rückfall.

2) Das gemeine Deutſche Kriminalrecht kennt den Rückfall nicht als
allgemeinen Strafverſchärfungsgrund; nur bei gewiſſen Verbre-
chen, namentlich dem Diebſtahl iſt demſelben dieſe Wirkung bei-
gelegt.

3) Die neueren Deutſchen Strafgeſetzbücher ſchreiben nur dann eine
Straferhöhung wegen Rückfalls vor, wenn das früher und das
ſpäter begangene Verbrechen gleichartig ſind. u) Dabei pflegt
denn näher beſtimmt zu werden, welche Verbrechen für gleich-
artig gelten ſollen, und einzelne Geſetzbücher ſchließen für andere
als die aufgeführten Arten der Verbrechen die Rückfallsſtrafe
überhaupt aus. v)

4) Das Allgemeine Landrecht w) enthält über den Rückfall folgende
Beſtimmung:

§. 52. „Die Wiederholung gleicher Verbrechen wirkt allemal
Verſchärfung der für das einfache Verbrechen beſtimmten
Strafe.“

§. 53. „Bei dieſer Verſchärfung der Strafe iſt beſonders auf
den Hang des Verbrechers zu dieſer Art von Vergehungen,
und auf die dem Staate daraus bevorſtehende Gefahr Rück-
ſicht zu nehmen.“

Dieſe Vorſchrift des Landrechts hat das Eigenthümliche, daß ſie
die Anwendung der Rückfallsſtrafe nicht nur auf gleichartige, ſondern
auf gleiche Verbrechen beſchränkt; denn die Bezeichnung in §. 53.: „zu
dieſer Art von Vergehungen“ kann nicht als ausdehnende Erklärung
des Ausdrucks: „Wiederholung gleicher Verbrechen“ in dem vorherge-
henden Paragraphen verſtanden werden.

Bei der Reviſion des Strafrechts wurde noch in dem Entwurf von
1847. §. 75. 76. daran feſtgehalten, daß die Gleichartigkeit des Ver-
brechens die Rückfallsſtrafe begründe; doch war ſchon früher das Un-
ſichere und Schwankende dieſes Begriffs hervorgehoben worden, x) und
es kann als eine entſchiedene Verbeſſerung angeſehen werden, daß der

u) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 58. 59. — Württemb. Strafgeſetzb.
Art. 124. — Braunſchweig. Criminalgeſetzb. §. 58. 59. — Hannov.
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. Art. III. — Thüring. Strafgeſetzb. Art. 46. 47.
v) Heſſiſches Strafgeſetzb. Art. 94. 97. — Bad. Strafgeſetzb.
§. 183.
w) A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 52. 53. — Es kann freilich gezweifelt wer-
den, ob dieſe Vorſchriften auf das Zuſammentreffen mehrer Verbrechen oder auf den
Rückfall ſich beziehen; aber überwiegende Gründe ſprechen doch für die letztere An-
nahme; vgl. Motive zum erſten Entwurf I. S. 220. — Daß aber nur über-
haupt ein ſolcher Zweifel aufkommen konnte, iſt für die Mangelhaftigkeit der land-
rechtlichen Beſtimmungen bezeichnend.
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[212/0222] Th. I. Beſtrafung ꝛc. Tit. V. Zuſammentreffen d. Verbrechen. Rückfall. 2) Das gemeine Deutſche Kriminalrecht kennt den Rückfall nicht als allgemeinen Strafverſchärfungsgrund; nur bei gewiſſen Verbre- chen, namentlich dem Diebſtahl iſt demſelben dieſe Wirkung bei- gelegt. 3) Die neueren Deutſchen Strafgeſetzbücher ſchreiben nur dann eine Straferhöhung wegen Rückfalls vor, wenn das früher und das ſpäter begangene Verbrechen gleichartig ſind. u) Dabei pflegt denn näher beſtimmt zu werden, welche Verbrechen für gleich- artig gelten ſollen, und einzelne Geſetzbücher ſchließen für andere als die aufgeführten Arten der Verbrechen die Rückfallsſtrafe überhaupt aus. v) 4) Das Allgemeine Landrecht w) enthält über den Rückfall folgende Beſtimmung: §. 52. „Die Wiederholung gleicher Verbrechen wirkt allemal Verſchärfung der für das einfache Verbrechen beſtimmten Strafe.“ §. 53. „Bei dieſer Verſchärfung der Strafe iſt beſonders auf den Hang des Verbrechers zu dieſer Art von Vergehungen, und auf die dem Staate daraus bevorſtehende Gefahr Rück- ſicht zu nehmen.“ Dieſe Vorſchrift des Landrechts hat das Eigenthümliche, daß ſie die Anwendung der Rückfallsſtrafe nicht nur auf gleichartige, ſondern auf gleiche Verbrechen beſchränkt; denn die Bezeichnung in §. 53.: „zu dieſer Art von Vergehungen“ kann nicht als ausdehnende Erklärung des Ausdrucks: „Wiederholung gleicher Verbrechen“ in dem vorherge- henden Paragraphen verſtanden werden. Bei der Reviſion des Strafrechts wurde noch in dem Entwurf von 1847. §. 75. 76. daran feſtgehalten, daß die Gleichartigkeit des Ver- brechens die Rückfallsſtrafe begründe; doch war ſchon früher das Un- ſichere und Schwankende dieſes Begriffs hervorgehoben worden, x) und es kann als eine entſchiedene Verbeſſerung angeſehen werden, daß der u) Sächſ. Criminalgeſetzb. Art. 58. 59. — Württemb. Strafgeſetzb. Art. 124. — Braunſchweig. Criminalgeſetzb. §. 58. 59. — Hannov. Criminalgeſetzb. Art. III. — Thüring. Strafgeſetzb. Art. 46. 47. v) Heſſiſches Strafgeſetzb. Art. 94. 97. — Bad. Strafgeſetzb. §. 183. w) A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 52. 53. — Es kann freilich gezweifelt wer- den, ob dieſe Vorſchriften auf das Zuſammentreffen mehrer Verbrechen oder auf den Rückfall ſich beziehen; aber überwiegende Gründe ſprechen doch für die letztere An- nahme; vgl. Motive zum erſten Entwurf I. S. 220. — Daß aber nur über- haupt ein ſolcher Zweifel aufkommen konnte, iſt für die Mangelhaftigkeit der land- rechtlichen Beſtimmungen bezeichnend. x) Reviſion von 1845. I. S. 245.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/222>, abgerufen am 21.11.2024.