Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath.
Was endlich noch die bei dem Hochverrath betheiligten Personen betrifft, so versteht es sich im Allgemeinen freilich von selbst, daß das Verbrechen seinem Begriffe nach nur von einem Preußen verübt werden kann, denn nur ein solcher ist zu der Treue verpflichtet, deren Bruch gerade den Verrath begründet. Wenn dessenungeachtet in den von dem Hochverrath handelnden Paragraphen nicht bloß ein Preuße als das Subjekt des Verbrechens bezeichnet wird, sondern die Strafbestimmun- gen allgemein gefaßt und auch auf Ausländer bezogen worden sind, so beruht das auf Gründen, welche oben §. 3. und 4. ihre allgemeine Erörterung gefunden haben. Es ist die Ausübung eines Noth- und Vertheidigungsrechts des Staates gegen seine Feinde, gegründet auf dem nach dem allgemeinen Völkerrecht jedem Staate zustehenden Recht der Selbsterhaltung. I)
B. In dem Bericht der Kommission der zweiten Kammer wird es als ein wesentliches Merkmal des Hochverraths hervorgehoben, welches denselben namentlich von dem Landesverrath unterscheide, daß das Ver- brechen gegen die Existenz des Staates gerichtet sei, während die lan- desverrätherische Handlung sich darauf beschränke, den Staat im Ver- hältniß zu anderen Staaten zu gefährden. Inwiefern dieser Gegensatz für die §. 61. Nr. 3. bezeichneten Fälle begründet ist, wird sogleich un- tersucht werden; in der Allgemeinheit aber, in welcher jene Begriffs- bestimmung aufgestellt und namentlich in dem Bericht der Kommission der ersten Kammer zu §. 61. wiederholt worden ist, läßt sie sich nicht rechtfertigen. Wenn auch in der Erbmonarchie der Souverain als selbst- berechtigen Träger der höchsten Staatsgewalt erscheint, und ein Angriff, der ihn in dieser Eigenschaft trifft, als Hochverrath aufgefaßt werden muß, so ist doch ein solcher Angriff nicht nothwendig gegen die Existenz des Staates gerichtet. Ebenso verhält es sich mit den unter Nr. 2. bezeichneten Handlungen; sie können die Vernichtung des Staates be- zwecken, aber nothwendig ist es nicht, und es wird nicht einmal das Gewöhnliche sein, da die Aenderung der Staatsverfassung die Fortdauer des Staates unter einer anderen Verfassung in sich schließt. Ebenso sind unter Nr. 3. ausdrücklich Handlungen bezeichnet, welche nur die Integrität des Staatsgebiets gefährden. Es ist überhaupt bedenklich, bei einem Verbrechen, dessen Begriff in seiner genaueren Bestimmung auf positiven Vorschriften beruht, und dessen Thatbestand in den ver- schiedenen Gesetzgebungen in sehr abweichender Weise festgestellt worden ist, ein wesentliches Merkmal anzugeben, welches nicht bestimmt und
I)Berathungs-Protokolle a. a. O. S. 2. 3. -- Revision von 1845. II. S. 1. 2. -- Bericht der Kommission der ersten Kammer zu §. 66.
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath.
Was endlich noch die bei dem Hochverrath betheiligten Perſonen betrifft, ſo verſteht es ſich im Allgemeinen freilich von ſelbſt, daß das Verbrechen ſeinem Begriffe nach nur von einem Preußen verübt werden kann, denn nur ein ſolcher iſt zu der Treue verpflichtet, deren Bruch gerade den Verrath begründet. Wenn deſſenungeachtet in den von dem Hochverrath handelnden Paragraphen nicht bloß ein Preuße als das Subjekt des Verbrechens bezeichnet wird, ſondern die Strafbeſtimmun- gen allgemein gefaßt und auch auf Ausländer bezogen worden ſind, ſo beruht das auf Gründen, welche oben §. 3. und 4. ihre allgemeine Erörterung gefunden haben. Es iſt die Ausübung eines Noth- und Vertheidigungsrechts des Staates gegen ſeine Feinde, gegründet auf dem nach dem allgemeinen Völkerrecht jedem Staate zuſtehenden Recht der Selbſterhaltung. I)
B. In dem Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer wird es als ein weſentliches Merkmal des Hochverraths hervorgehoben, welches denſelben namentlich von dem Landesverrath unterſcheide, daß das Ver- brechen gegen die Exiſtenz des Staates gerichtet ſei, während die lan- desverrätheriſche Handlung ſich darauf beſchränke, den Staat im Ver- hältniß zu anderen Staaten zu gefährden. Inwiefern dieſer Gegenſatz für die §. 61. Nr. 3. bezeichneten Fälle begründet iſt, wird ſogleich un- terſucht werden; in der Allgemeinheit aber, in welcher jene Begriffs- beſtimmung aufgeſtellt und namentlich in dem Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer zu §. 61. wiederholt worden iſt, läßt ſie ſich nicht rechtfertigen. Wenn auch in der Erbmonarchie der Souverain als ſelbſt- berechtigen Träger der höchſten Staatsgewalt erſcheint, und ein Angriff, der ihn in dieſer Eigenſchaft trifft, als Hochverrath aufgefaßt werden muß, ſo iſt doch ein ſolcher Angriff nicht nothwendig gegen die Exiſtenz des Staates gerichtet. Ebenſo verhält es ſich mit den unter Nr. 2. bezeichneten Handlungen; ſie können die Vernichtung des Staates be- zwecken, aber nothwendig iſt es nicht, und es wird nicht einmal das Gewöhnliche ſein, da die Aenderung der Staatsverfaſſung die Fortdauer des Staates unter einer anderen Verfaſſung in ſich ſchließt. Ebenſo ſind unter Nr. 3. ausdrücklich Handlungen bezeichnet, welche nur die Integrität des Staatsgebiets gefährden. Es iſt überhaupt bedenklich, bei einem Verbrechen, deſſen Begriff in ſeiner genaueren Beſtimmung auf poſitiven Vorſchriften beruht, und deſſen Thatbeſtand in den ver- ſchiedenen Geſetzgebungen in ſehr abweichender Weiſe feſtgeſtellt worden iſt, ein weſentliches Merkmal anzugeben, welches nicht beſtimmt und
I)Berathungs-Protokolle a. a. O. S. 2. 3. — Reviſion von 1845. II. S. 1. 2. — Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer zu §. 66.
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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. u. Vergehen. Tit. I. Hoch- u. Landesverrath.
Was endlich noch die bei dem Hochverrath betheiligten Perſonen
betrifft, ſo verſteht es ſich im Allgemeinen freilich von ſelbſt, daß das
Verbrechen ſeinem Begriffe nach nur von einem Preußen verübt werden
kann, denn nur ein ſolcher iſt zu der Treue verpflichtet, deren Bruch
gerade den Verrath begründet. Wenn deſſenungeachtet in den von dem
Hochverrath handelnden Paragraphen nicht bloß ein Preuße als das
Subjekt des Verbrechens bezeichnet wird, ſondern die Strafbeſtimmun-
gen allgemein gefaßt und auch auf Ausländer bezogen worden ſind, ſo
beruht das auf Gründen, welche oben §. 3. und 4. ihre allgemeine
Erörterung gefunden haben. Es iſt die Ausübung eines Noth- und
Vertheidigungsrechts des Staates gegen ſeine Feinde, gegründet auf
dem nach dem allgemeinen Völkerrecht jedem Staate zuſtehenden Recht
der Selbſterhaltung. I)
B. In dem Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer wird es
als ein weſentliches Merkmal des Hochverraths hervorgehoben, welches
denſelben namentlich von dem Landesverrath unterſcheide, daß das Ver-
brechen gegen die Exiſtenz des Staates gerichtet ſei, während die lan-
desverrätheriſche Handlung ſich darauf beſchränke, den Staat im Ver-
hältniß zu anderen Staaten zu gefährden. Inwiefern dieſer Gegenſatz
für die §. 61. Nr. 3. bezeichneten Fälle begründet iſt, wird ſogleich un-
terſucht werden; in der Allgemeinheit aber, in welcher jene Begriffs-
beſtimmung aufgeſtellt und namentlich in dem Bericht der Kommiſſion
der erſten Kammer zu §. 61. wiederholt worden iſt, läßt ſie ſich nicht
rechtfertigen. Wenn auch in der Erbmonarchie der Souverain als ſelbſt-
berechtigen Träger der höchſten Staatsgewalt erſcheint, und ein Angriff,
der ihn in dieſer Eigenſchaft trifft, als Hochverrath aufgefaßt werden
muß, ſo iſt doch ein ſolcher Angriff nicht nothwendig gegen die Exiſtenz
des Staates gerichtet. Ebenſo verhält es ſich mit den unter Nr. 2.
bezeichneten Handlungen; ſie können die Vernichtung des Staates be-
zwecken, aber nothwendig iſt es nicht, und es wird nicht einmal das
Gewöhnliche ſein, da die Aenderung der Staatsverfaſſung die Fortdauer
des Staates unter einer anderen Verfaſſung in ſich ſchließt. Ebenſo
ſind unter Nr. 3. ausdrücklich Handlungen bezeichnet, welche nur die
Integrität des Staatsgebiets gefährden. Es iſt überhaupt bedenklich,
bei einem Verbrechen, deſſen Begriff in ſeiner genaueren Beſtimmung
auf poſitiven Vorſchriften beruht, und deſſen Thatbeſtand in den ver-
ſchiedenen Geſetzgebungen in ſehr abweichender Weiſe feſtgeſtellt worden
iſt, ein weſentliches Merkmal anzugeben, welches nicht beſtimmt und
I) Berathungs-Protokolle a. a. O. S. 2. 3. — Reviſion von 1845.
II. S. 1. 2. — Bericht der Kommiſſion der erſten Kammer zu §. 66.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/232>, abgerufen am 21.11.2024.
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