Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. V. Widerstand gegen d. Staatsgewalt.
entfernen, so tritt für diejenigen, welche diesem Befehle nicht nach- kommen, eine Strafe ein, und zwar bis zu drei Monaten Gefängniß.
I. Der Entwurf von 1850. §. 82. belegte jede der versammelten Personen mit Strafe, welche nach der Aufforderung "den Platz nicht verlassen hat." Die Kommission der zweiten Kammer war aber der Meinung, daß das Verlassen des Platzes häufig nicht in der Macht der ohne irgend welche verbrecherische Absicht versammelten Personen liegen könne; es wurde daher anstatt jener Worte der Ausdruck gewählt: "welche sich nicht entfernt." n)
II. Die Aufforderung muß von einem der bezeichneten Beamten dreimal wiederholt sein, ehe diejenigen, welche sich nicht entfernen, mit Strafe belegt werden können. Ueber die Form der Aufforderung etwas Weiteres zu sagen, hielt die Kommission der zweiten Kammer theils an und für sich nicht für praktisch, theils glaubte sie, daß jedenfalls solche genauere Vorschriften nicht in das Strafgesetzbuch gehörten. Diese letz- tere Ansicht kann man theilen; daß aber die Aufforderung in bestimmter Form, deren Bedeutung Allen bekannt ist und vor Mißverständnissen sichert (Verlesen der Aufruhrakte, Trommelschlag u. dgl.), unpraktisch sei, läßt sich nicht behaupten. Die Erfahrungen in England lehren das Gegentheil. Es bleibt aber freilich noch zu unterscheiden, ob das un- gehorsame Verbleiben am Orte des Tumults Strafe nach sich zieht, oder die bewaffnete Macht zum thätlichen Einschreiten berechtigt.
III. Wird bei einem Auflauf gegen die Beamten der Polizei oder die bewaffnete Macht mit vereinten Kräften ein thätlicher Widerstand geleistet, oder Gewalt verübt, so werden die Thäter mit den Strafen des Aufruhrs belegt.
§. 93.
Mit Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder Gefängniß von vier Wo- chen bis zu zwei Jahren wird bestraft:
1) wer böswillig oder gegen das Verbot der Obrigkeit Fahnen, Zeichen oder Symbole, welche geeignet sind, den Geist des Aufruhrs zu ver- breiten, oder den öffentlichen Frieden zu stören, an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Zusammenkünften ausstellt, oder sie verkauft oder sonst verbreitet;
2) wer äußere Verbindungs- oder Vereinigungszeichen, welche zur Auf- rechthaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit von der Bezirks-Re- gierung verboten sind, an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Zu- sammenkünften trägt;
n)Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu §. 82. (92.)
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. V. Widerſtand gegen d. Staatsgewalt.
entfernen, ſo tritt für diejenigen, welche dieſem Befehle nicht nach- kommen, eine Strafe ein, und zwar bis zu drei Monaten Gefängniß.
I. Der Entwurf von 1850. §. 82. belegte jede der verſammelten Perſonen mit Strafe, welche nach der Aufforderung „den Platz nicht verlaſſen hat.“ Die Kommiſſion der zweiten Kammer war aber der Meinung, daß das Verlaſſen des Platzes häufig nicht in der Macht der ohne irgend welche verbrecheriſche Abſicht verſammelten Perſonen liegen könne; es wurde daher anſtatt jener Worte der Ausdruck gewählt: „welche ſich nicht entfernt.“ n)
II. Die Aufforderung muß von einem der bezeichneten Beamten dreimal wiederholt ſein, ehe diejenigen, welche ſich nicht entfernen, mit Strafe belegt werden können. Ueber die Form der Aufforderung etwas Weiteres zu ſagen, hielt die Kommiſſion der zweiten Kammer theils an und für ſich nicht für praktiſch, theils glaubte ſie, daß jedenfalls ſolche genauere Vorſchriften nicht in das Strafgeſetzbuch gehörten. Dieſe letz- tere Anſicht kann man theilen; daß aber die Aufforderung in beſtimmter Form, deren Bedeutung Allen bekannt iſt und vor Mißverſtändniſſen ſichert (Verleſen der Aufruhrakte, Trommelſchlag u. dgl.), unpraktiſch ſei, läßt ſich nicht behaupten. Die Erfahrungen in England lehren das Gegentheil. Es bleibt aber freilich noch zu unterſcheiden, ob das un- gehorſame Verbleiben am Orte des Tumults Strafe nach ſich zieht, oder die bewaffnete Macht zum thätlichen Einſchreiten berechtigt.
III. Wird bei einem Auflauf gegen die Beamten der Polizei oder die bewaffnete Macht mit vereinten Kräften ein thätlicher Widerſtand geleiſtet, oder Gewalt verübt, ſo werden die Thäter mit den Strafen des Aufruhrs belegt.
§. 93.
Mit Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder Gefängniß von vier Wo- chen bis zu zwei Jahren wird beſtraft:
1) wer böswillig oder gegen das Verbot der Obrigkeit Fahnen, Zeichen oder Symbole, welche geeignet ſind, den Geiſt des Aufruhrs zu ver- breiten, oder den öffentlichen Frieden zu ſtören, an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Zuſammenkünften ausſtellt, oder ſie verkauft oder ſonſt verbreitet;
2) wer äußere Verbindungs- oder Vereinigungszeichen, welche zur Auf- rechthaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit von der Bezirks-Re- gierung verboten ſind, an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Zu- ſammenkünften trägt;
n)Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 82. (92.)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0272"n="262"/><fwplace="top"type="header">Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. V. Widerſtand gegen d. Staatsgewalt.</fw><lb/>
entfernen, ſo tritt für diejenigen, welche dieſem Befehle nicht nach-<lb/>
kommen, eine Strafe ein, und zwar bis zu drei Monaten Gefängniß.</p><lb/><p>I. Der Entwurf von 1850. §. 82. belegte jede der verſammelten<lb/>
Perſonen mit Strafe, welche nach der Aufforderung „den Platz nicht<lb/>
verlaſſen hat.“ Die Kommiſſion der zweiten Kammer war aber der<lb/>
Meinung, daß das Verlaſſen des Platzes häufig nicht in der Macht<lb/>
der ohne irgend welche verbrecheriſche Abſicht verſammelten Perſonen<lb/>
liegen könne; es wurde daher anſtatt jener Worte der Ausdruck gewählt:<lb/>„welche ſich nicht entfernt.“<noteplace="foot"n="n)"><hirendition="#g">Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu</hi> §. 82. (92.)</note></p><lb/><p>II. Die Aufforderung muß von einem der bezeichneten Beamten<lb/>
dreimal wiederholt ſein, ehe diejenigen, welche ſich nicht entfernen, mit<lb/>
Strafe belegt werden können. Ueber die Form der Aufforderung etwas<lb/>
Weiteres zu ſagen, hielt die Kommiſſion der zweiten Kammer theils an<lb/>
und für ſich nicht für praktiſch, theils glaubte ſie, daß jedenfalls ſolche<lb/>
genauere Vorſchriften nicht in das Strafgeſetzbuch gehörten. Dieſe letz-<lb/>
tere Anſicht kann man theilen; daß aber die Aufforderung in beſtimmter<lb/>
Form, deren Bedeutung Allen bekannt iſt und vor Mißverſtändniſſen<lb/>ſichert (Verleſen der Aufruhrakte, Trommelſchlag u. dgl.), unpraktiſch ſei,<lb/>
läßt ſich nicht behaupten. Die Erfahrungen in England lehren das<lb/>
Gegentheil. Es bleibt aber freilich noch zu unterſcheiden, ob das un-<lb/>
gehorſame Verbleiben am Orte des Tumults Strafe nach ſich zieht,<lb/>
oder die bewaffnete Macht zum thätlichen Einſchreiten berechtigt.</p><lb/><p>III. Wird bei einem Auflauf gegen die Beamten der Polizei oder<lb/>
die bewaffnete Macht mit vereinten Kräften ein thätlicher Widerſtand<lb/>
geleiſtet, oder Gewalt verübt, ſo werden die Thäter mit den Strafen<lb/>
des Aufruhrs belegt.</p></div></div><lb/><divn="3"><head>§. 93.</head><lb/><divn="4"><head/><p>Mit Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder Gefängniß von vier Wo-<lb/>
chen bis zu zwei Jahren wird beſtraft:</p><lb/><list><item>1) wer böswillig oder gegen das Verbot der Obrigkeit Fahnen, Zeichen<lb/>
oder Symbole, welche geeignet ſind, den Geiſt des Aufruhrs zu ver-<lb/>
breiten, oder den öffentlichen Frieden zu ſtören, an öffentlichen Orten<lb/>
oder in öffentlichen Zuſammenkünften ausſtellt, oder ſie verkauft oder<lb/>ſonſt verbreitet;</item><lb/><item>2) wer äußere Verbindungs- oder Vereinigungszeichen, welche zur Auf-<lb/>
rechthaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit von der Bezirks-Re-<lb/>
gierung verboten ſind, an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Zu-<lb/>ſammenkünften trägt;</item></list><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[262/0272]
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. V. Widerſtand gegen d. Staatsgewalt.
entfernen, ſo tritt für diejenigen, welche dieſem Befehle nicht nach-
kommen, eine Strafe ein, und zwar bis zu drei Monaten Gefängniß.
I. Der Entwurf von 1850. §. 82. belegte jede der verſammelten
Perſonen mit Strafe, welche nach der Aufforderung „den Platz nicht
verlaſſen hat.“ Die Kommiſſion der zweiten Kammer war aber der
Meinung, daß das Verlaſſen des Platzes häufig nicht in der Macht
der ohne irgend welche verbrecheriſche Abſicht verſammelten Perſonen
liegen könne; es wurde daher anſtatt jener Worte der Ausdruck gewählt:
„welche ſich nicht entfernt.“ n)
II. Die Aufforderung muß von einem der bezeichneten Beamten
dreimal wiederholt ſein, ehe diejenigen, welche ſich nicht entfernen, mit
Strafe belegt werden können. Ueber die Form der Aufforderung etwas
Weiteres zu ſagen, hielt die Kommiſſion der zweiten Kammer theils an
und für ſich nicht für praktiſch, theils glaubte ſie, daß jedenfalls ſolche
genauere Vorſchriften nicht in das Strafgeſetzbuch gehörten. Dieſe letz-
tere Anſicht kann man theilen; daß aber die Aufforderung in beſtimmter
Form, deren Bedeutung Allen bekannt iſt und vor Mißverſtändniſſen
ſichert (Verleſen der Aufruhrakte, Trommelſchlag u. dgl.), unpraktiſch ſei,
läßt ſich nicht behaupten. Die Erfahrungen in England lehren das
Gegentheil. Es bleibt aber freilich noch zu unterſcheiden, ob das un-
gehorſame Verbleiben am Orte des Tumults Strafe nach ſich zieht,
oder die bewaffnete Macht zum thätlichen Einſchreiten berechtigt.
III. Wird bei einem Auflauf gegen die Beamten der Polizei oder
die bewaffnete Macht mit vereinten Kräften ein thätlicher Widerſtand
geleiſtet, oder Gewalt verübt, ſo werden die Thäter mit den Strafen
des Aufruhrs belegt.
§. 93.
Mit Geldbuße bis zu zweihundert Thalern oder Gefängniß von vier Wo-
chen bis zu zwei Jahren wird beſtraft:
1) wer böswillig oder gegen das Verbot der Obrigkeit Fahnen, Zeichen
oder Symbole, welche geeignet ſind, den Geiſt des Aufruhrs zu ver-
breiten, oder den öffentlichen Frieden zu ſtören, an öffentlichen Orten
oder in öffentlichen Zuſammenkünften ausſtellt, oder ſie verkauft oder
ſonſt verbreitet;
2) wer äußere Verbindungs- oder Vereinigungszeichen, welche zur Auf-
rechthaltung der öffentlichen Ruhe und Sicherheit von der Bezirks-Re-
gierung verboten ſind, an öffentlichen Orten oder in öffentlichen Zu-
ſammenkünften trägt;
n) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu §. 82. (92.)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/272>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.