Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. VI. Vergehen wider d. öffentl. Ordnung.
§. 159. "Ist bei Ausübung der Selbsthülfe ein anderes Verbre- chen, welches schwerere Strafe nach sich zieht, begangen worden, so wird diese, wegen der hinzutretenden Beleidigung des Staats, allemal ge- schärft."
Bei der Revision wurden diese Bestimmungen im Wesentlichen bei- behalten, i) und nur für die Besitzstreitigkeiten die Fälle der erlaubten Selbsthülfe festgesetzt. k) Das Ministerium für die Gesetz-Revision ging aber auf die von vielen Seiten erhobenen Bedenken ein, und stellte den Grundsatz auf, daß es der besonderen Bestimmungen über die unerlaubte Selbsthülfe gar nicht bedürfe, da in allen Fällen, wo dieselbe strafbar erscheine, die Handlung schon als bestimmtes Verbrechen mit Strafe bedroht sei. Nur für den Fall des Ungehorsams gegen ein richterliches Verbot sei eine besondere Strafvorschrift nothwendig. l)
Die Staatsraths-Kommission trat dieser Ausführung im Wesent- lichen bei, m) und so ging in den Entwurf von 1847. nur folgende Bestimmung über:
§. 121. "Wer, einem an ihn ergangenen obrigkeitlichen Verbote zuwider, sich selbst Recht zu verschaffen sucht, ist, sofern das Verbot nicht schon eine besondere Strafdrohung enthält, mit Gefängniß bis zu drei Monaten oder mit Geldbuße bis zu Einhundert Thalern zu be- strafen."
Die vorberathende Abtheilung des vereinigten ständischen Aus- schusses beantragte aber die Streichung auch dieser Vorschrift, indem sie namentlich bemerkte:
"Die Bestimmung dieses Paragraphen setzt voraus, daß jede obrig- keitliche Behörde die Befugniß habe, Verbote unter Strafandrohung zu erlassen. Hiergegen wurde erinnert, daß eine derartige Befugniß zu schrankenloser Willkür führen würde, daß ein jedes Verbot noch nicht eine Strafandrohung rechtfertige, daß die Beurtheilung in dieser Bezie- hung lediglich dem Gesetzgeber, nicht aber jeder obrigkeitlichen Behörde gebühre." n)
Von Seiten der Staatsregierung wurde zugegeben, daß die Vor- schriften des Allgemeinen Landrechts zu weit gingen, und daß auch der vorgeschlagene Paragraph kaum nothwendig sei. Am Häufigsten würden
i)Motive zum ersten Entwurf. II. S. 71-76. -- Entwurf von 1830. §. 129. 130. -- Entwurf von 1836. §. 218. 219.
k)Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. II. S. 42. 43. -- Entwurf von 1843. §. 191. 192.
l)Revision von 1845. II. S. 46-48.
m)Verhandlungen der Staatsraths-Kommission von 1846. S. 64.
n)Verhandlungen des vereinigten ständischen Ausschusses. III. S. 220.
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. VI. Vergehen wider d. öffentl. Ordnung.
§. 159. „Iſt bei Ausübung der Selbſthülfe ein anderes Verbre- chen, welches ſchwerere Strafe nach ſich zieht, begangen worden, ſo wird dieſe, wegen der hinzutretenden Beleidigung des Staats, allemal ge- ſchärft.“
Bei der Reviſion wurden dieſe Beſtimmungen im Weſentlichen bei- behalten, i) und nur für die Beſitzſtreitigkeiten die Fälle der erlaubten Selbſthülfe feſtgeſetzt. k) Das Miniſterium für die Geſetz-Reviſion ging aber auf die von vielen Seiten erhobenen Bedenken ein, und ſtellte den Grundſatz auf, daß es der beſonderen Beſtimmungen über die unerlaubte Selbſthülfe gar nicht bedürfe, da in allen Fällen, wo dieſelbe ſtrafbar erſcheine, die Handlung ſchon als beſtimmtes Verbrechen mit Strafe bedroht ſei. Nur für den Fall des Ungehorſams gegen ein richterliches Verbot ſei eine beſondere Strafvorſchrift nothwendig. l)
Die Staatsraths-Kommiſſion trat dieſer Ausführung im Weſent- lichen bei, m) und ſo ging in den Entwurf von 1847. nur folgende Beſtimmung über:
§. 121. „Wer, einem an ihn ergangenen obrigkeitlichen Verbote zuwider, ſich ſelbſt Recht zu verſchaffen ſucht, iſt, ſofern das Verbot nicht ſchon eine beſondere Strafdrohung enthält, mit Gefängniß bis zu drei Monaten oder mit Geldbuße bis zu Einhundert Thalern zu be- ſtrafen.“
Die vorberathende Abtheilung des vereinigten ſtändiſchen Aus- ſchuſſes beantragte aber die Streichung auch dieſer Vorſchrift, indem ſie namentlich bemerkte:
„Die Beſtimmung dieſes Paragraphen ſetzt voraus, daß jede obrig- keitliche Behörde die Befugniß habe, Verbote unter Strafandrohung zu erlaſſen. Hiergegen wurde erinnert, daß eine derartige Befugniß zu ſchrankenloſer Willkür führen würde, daß ein jedes Verbot noch nicht eine Strafandrohung rechtfertige, daß die Beurtheilung in dieſer Bezie- hung lediglich dem Geſetzgeber, nicht aber jeder obrigkeitlichen Behörde gebühre.“ n)
Von Seiten der Staatsregierung wurde zugegeben, daß die Vor- ſchriften des Allgemeinen Landrechts zu weit gingen, und daß auch der vorgeſchlagene Paragraph kaum nothwendig ſei. Am Häufigſten würden
i)Motive zum erſten Entwurf. II. S. 71-76. — Entwurf von 1830. §. 129. 130. — Entwurf von 1836. §. 218. 219.
k)Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II. S. 42. 43. — Entwurf von 1843. §. 191. 192.
l)Reviſion von 1845. II. S. 46-48.
m)Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 64.
n)Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. III. S. 220.
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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. VI. Vergehen wider d. öffentl. Ordnung.
§. 159. „Iſt bei Ausübung der Selbſthülfe ein anderes Verbre-
chen, welches ſchwerere Strafe nach ſich zieht, begangen worden, ſo wird
dieſe, wegen der hinzutretenden Beleidigung des Staats, allemal ge-
ſchärft.“
Bei der Reviſion wurden dieſe Beſtimmungen im Weſentlichen bei-
behalten, i) und nur für die Beſitzſtreitigkeiten die Fälle der erlaubten
Selbſthülfe feſtgeſetzt. k) Das Miniſterium für die Geſetz-Reviſion ging
aber auf die von vielen Seiten erhobenen Bedenken ein, und ſtellte den
Grundſatz auf, daß es der beſonderen Beſtimmungen über die unerlaubte
Selbſthülfe gar nicht bedürfe, da in allen Fällen, wo dieſelbe ſtrafbar
erſcheine, die Handlung ſchon als beſtimmtes Verbrechen mit Strafe
bedroht ſei. Nur für den Fall des Ungehorſams gegen ein richterliches
Verbot ſei eine beſondere Strafvorſchrift nothwendig. l)
Die Staatsraths-Kommiſſion trat dieſer Ausführung im Weſent-
lichen bei, m) und ſo ging in den Entwurf von 1847. nur folgende
Beſtimmung über:
§. 121. „Wer, einem an ihn ergangenen obrigkeitlichen Verbote
zuwider, ſich ſelbſt Recht zu verſchaffen ſucht, iſt, ſofern das Verbot
nicht ſchon eine beſondere Strafdrohung enthält, mit Gefängniß bis zu
drei Monaten oder mit Geldbuße bis zu Einhundert Thalern zu be-
ſtrafen.“
Die vorberathende Abtheilung des vereinigten ſtändiſchen Aus-
ſchuſſes beantragte aber die Streichung auch dieſer Vorſchrift, indem ſie
namentlich bemerkte:
„Die Beſtimmung dieſes Paragraphen ſetzt voraus, daß jede obrig-
keitliche Behörde die Befugniß habe, Verbote unter Strafandrohung zu
erlaſſen. Hiergegen wurde erinnert, daß eine derartige Befugniß zu
ſchrankenloſer Willkür führen würde, daß ein jedes Verbot noch nicht
eine Strafandrohung rechtfertige, daß die Beurtheilung in dieſer Bezie-
hung lediglich dem Geſetzgeber, nicht aber jeder obrigkeitlichen Behörde
gebühre.“ n)
Von Seiten der Staatsregierung wurde zugegeben, daß die Vor-
ſchriften des Allgemeinen Landrechts zu weit gingen, und daß auch der
vorgeſchlagene Paragraph kaum nothwendig ſei. Am Häufigſten würden
i) Motive zum erſten Entwurf. II. S. 71-76. — Entwurf von 1830.
§. 129. 130. — Entwurf von 1836. §. 218. 219.
k) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II.
S. 42. 43. — Entwurf von 1843. §. 191. 192.
l) Reviſion von 1845. II. S. 46-48.
m) Verhandlungen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 64.
n) Verhandlungen des vereinigten ſtändiſchen Ausſchuſſes. III.
S. 220.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/290>, abgerufen am 17.06.2024.
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