Fälle dieser Art bei Besitzstreitigkeiten vorkommen; aber hier werde das Gericht gleich eventuell das Verbot mit einer Strafandrohung verbin- den, und ebenso werde die Polizeibehörde es bei der Regulirung eines Interimistikum und bei anderen Anordnungen halten.
Der Ausschuß trat darauf nach kurzer Verhandlung dem Antrage der Abtheilung einstimmig bei. o)
In der Kommission der zweiten Kammer wurde es fast allseitig als ein wesentlicher Vorzug des Entwurfs von 1850. anerkannt, daß er in Uebereinstimmung mit jenem Beschluß des vereinigten ständischen Aus- schusses, die vielfach angegriffenen Bestimmungen der früheren Entwürfe über unerlaubte Selbsthülfe nicht aufgenommen habe und die Selbsthülfe, so lange sie nicht die Form der Gewalt (§. 187. 212.), der Beschädi- gung fremden Eigenthums (§. 281.), der Verletzung des Hausrechts (§. 214. 346.) oder eines anderen Vergehens, z. B. Nöthigung der Be- amten und Behörden, Aufruhr, Landfriedensbruch, annehme, nicht zum Gegenstand einer Bestrafung mache. Auch für den besonderen Fall, daß die Selbsthülfe einem obrigkeitlichen Verbote zuwider zur Anwendung gekommen, schien es weder nothwendig, noch zweckmäßig, eine Strafe anzudrohen. Die Vorschriften der Civilprozeßordnung über die Exeku- tionen auf Unterlassungen und in Besitzstreitigkeiten seien ausreichend, und für den Theil der Monarchie, wo solche Vorschriften nicht gelten, habe sich ein praktisches Bedürfniß darnach schon um deswillen nicht zeigen können, weil nach dem dortigen Gerichtsverfahren solche richter- liche Verbote gar nicht vorkommen. p)
Mit dieser Auffassung, welche auch ihre Vertretung in der Doktrin des gemeinen Deutschen Kriminalrechts gefunden hat, q) stimmen das Hannoversche und das Hessische Strafgesetzbuch überein; andere Gesetz- gebungen enthalten zwar Strafandrohungen wegen unerlaubter Selbst- hülfe; doch beschränkt das Braunschweigsche Strafgesetzbuch (§. 118.) sie auf den Fall, wenn dabei Gewalt an Personen oder Sachen verübt worden, und wo die Strafbestimmung auch allgemein gefaßt ist, wird ihre Anwendung in der Regel doch von dem Antrage des Verletzten abhängig gemacht. r)
o) a. a. O. S. 220-22.
p)Bericht der Kommission der zweiten Kammer zu Th. II. Tit. 6. am Ende.
q)Mittermaier zu Feuerbach's Lehrbuch §. 186. -- Gegen die auch in das Allg. Landrecht übergegangene Ansicht, daß die unerlaubte Selbsthülfe ein Staats- verbrechen sei, s. Wächter, Lehrbuch. II. S. 52. 53.
r)Württemberg. Strafgesetzb. Art. 200. -- Bad. Strafgesetzb. §. 279. -- Thüring. Strafgesetzb. Art. 195. 196. -- Nur das Sächsische Criminalgesetzb. Art. 204. 205. hat ein Verfahren von Amts wegen.
Beseler Kommentar. 19
Selbſthülfe.
Fälle dieſer Art bei Beſitzſtreitigkeiten vorkommen; aber hier werde das Gericht gleich eventuell das Verbot mit einer Strafandrohung verbin- den, und ebenſo werde die Polizeibehörde es bei der Regulirung eines Interimiſtikum und bei anderen Anordnungen halten.
Der Ausſchuß trat darauf nach kurzer Verhandlung dem Antrage der Abtheilung einſtimmig bei. o)
In der Kommiſſion der zweiten Kammer wurde es faſt allſeitig als ein weſentlicher Vorzug des Entwurfs von 1850. anerkannt, daß er in Uebereinſtimmung mit jenem Beſchluß des vereinigten ſtändiſchen Aus- ſchuſſes, die vielfach angegriffenen Beſtimmungen der früheren Entwürfe über unerlaubte Selbſthülfe nicht aufgenommen habe und die Selbſthülfe, ſo lange ſie nicht die Form der Gewalt (§. 187. 212.), der Beſchädi- gung fremden Eigenthums (§. 281.), der Verletzung des Hausrechts (§. 214. 346.) oder eines anderen Vergehens, z. B. Nöthigung der Be- amten und Behörden, Aufruhr, Landfriedensbruch, annehme, nicht zum Gegenſtand einer Beſtrafung mache. Auch für den beſonderen Fall, daß die Selbſthülfe einem obrigkeitlichen Verbote zuwider zur Anwendung gekommen, ſchien es weder nothwendig, noch zweckmäßig, eine Strafe anzudrohen. Die Vorſchriften der Civilprozeßordnung über die Exeku- tionen auf Unterlaſſungen und in Beſitzſtreitigkeiten ſeien ausreichend, und für den Theil der Monarchie, wo ſolche Vorſchriften nicht gelten, habe ſich ein praktiſches Bedürfniß darnach ſchon um deswillen nicht zeigen können, weil nach dem dortigen Gerichtsverfahren ſolche richter- liche Verbote gar nicht vorkommen. p)
Mit dieſer Auffaſſung, welche auch ihre Vertretung in der Doktrin des gemeinen Deutſchen Kriminalrechts gefunden hat, q) ſtimmen das Hannoverſche und das Heſſiſche Strafgeſetzbuch überein; andere Geſetz- gebungen enthalten zwar Strafandrohungen wegen unerlaubter Selbſt- hülfe; doch beſchränkt das Braunſchweigſche Strafgeſetzbuch (§. 118.) ſie auf den Fall, wenn dabei Gewalt an Perſonen oder Sachen verübt worden, und wo die Strafbeſtimmung auch allgemein gefaßt iſt, wird ihre Anwendung in der Regel doch von dem Antrage des Verletzten abhängig gemacht. r)
o) a. a. O. S. 220-22.
p)Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu Th. II. Tit. 6. am Ende.
q)Mittermaier zu Feuerbach's Lehrbuch §. 186. — Gegen die auch in das Allg. Landrecht übergegangene Anſicht, daß die unerlaubte Selbſthülfe ein Staats- verbrechen ſei, ſ. Wächter, Lehrbuch. II. S. 52. 53.
r)Württemberg. Strafgeſetzb. Art. 200. — Bad. Strafgeſetzb. §. 279. — Thüring. Strafgeſetzb. Art. 195. 196. — Nur das Sächſiſche Criminalgeſetzb. Art. 204. 205. hat ein Verfahren von Amts wegen.
Beſeler Kommentar. 19
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Selbſthülfe.
Fälle dieſer Art bei Beſitzſtreitigkeiten vorkommen; aber hier werde das
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den, und ebenſo werde die Polizeibehörde es bei der Regulirung eines
Interimiſtikum und bei anderen Anordnungen halten.
Der Ausſchuß trat darauf nach kurzer Verhandlung dem Antrage
der Abtheilung einſtimmig bei. o)
In der Kommiſſion der zweiten Kammer wurde es faſt allſeitig als
ein weſentlicher Vorzug des Entwurfs von 1850. anerkannt, daß er in
Uebereinſtimmung mit jenem Beſchluß des vereinigten ſtändiſchen Aus-
ſchuſſes, die vielfach angegriffenen Beſtimmungen der früheren Entwürfe
über unerlaubte Selbſthülfe nicht aufgenommen habe und die Selbſthülfe,
ſo lange ſie nicht die Form der Gewalt (§. 187. 212.), der Beſchädi-
gung fremden Eigenthums (§. 281.), der Verletzung des Hausrechts
(§. 214. 346.) oder eines anderen Vergehens, z. B. Nöthigung der Be-
amten und Behörden, Aufruhr, Landfriedensbruch, annehme, nicht zum
Gegenſtand einer Beſtrafung mache. Auch für den beſonderen Fall, daß
die Selbſthülfe einem obrigkeitlichen Verbote zuwider zur Anwendung
gekommen, ſchien es weder nothwendig, noch zweckmäßig, eine Strafe
anzudrohen. Die Vorſchriften der Civilprozeßordnung über die Exeku-
tionen auf Unterlaſſungen und in Beſitzſtreitigkeiten ſeien ausreichend,
und für den Theil der Monarchie, wo ſolche Vorſchriften nicht gelten,
habe ſich ein praktiſches Bedürfniß darnach ſchon um deswillen nicht
zeigen können, weil nach dem dortigen Gerichtsverfahren ſolche richter-
liche Verbote gar nicht vorkommen. p)
Mit dieſer Auffaſſung, welche auch ihre Vertretung in der Doktrin
des gemeinen Deutſchen Kriminalrechts gefunden hat, q) ſtimmen das
Hannoverſche und das Heſſiſche Strafgeſetzbuch überein; andere Geſetz-
gebungen enthalten zwar Strafandrohungen wegen unerlaubter Selbſt-
hülfe; doch beſchränkt das Braunſchweigſche Strafgeſetzbuch (§. 118.)
ſie auf den Fall, wenn dabei Gewalt an Perſonen oder Sachen verübt
worden, und wo die Strafbeſtimmung auch allgemein gefaßt iſt, wird
ihre Anwendung in der Regel doch von dem Antrage des Verletzten
abhängig gemacht. r)
o) a. a. O. S. 220-22.
p) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer zu Th. II. Tit. 6.
am Ende.
q) Mittermaier zu Feuerbach's Lehrbuch §. 186. — Gegen die auch in das
Allg. Landrecht übergegangene Anſicht, daß die unerlaubte Selbſthülfe ein Staats-
verbrechen ſei, ſ. Wächter, Lehrbuch. II. S. 52. 53.
r) Württemberg. Strafgeſetzb. Art. 200. — Bad. Strafgeſetzb.
§. 279. — Thüring. Strafgeſetzb. Art. 195. 196. — Nur das Sächſiſche
Criminalgeſetzb. Art. 204. 205. hat ein Verfahren von Amts wegen.
Beſeler Kommentar. 19
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/291>, abgerufen am 26.06.2024.
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