Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XII. Verbr. u. Verg. gegen d. Sittlichk.
rechtfertige sich die Bestimmung hier so gut wie die entsprechende bei dem Ehebruch. g)
Die Ausdehnung der gesetzlichen Strafe auch auf den Religions- diener oder den Personenstands-Beamten, welcher die verbrecherische Ehe schließt, findet sich erst in dem Entwurf von 1850.; sie ist dem Code penal nachgebildet worden. h)
IV. Die Kriminalordnung bestimmt
§. 601. "Bei dem Verbrechen der Bigamie soll dieser fünfjährige Zeitraum (der Verjährung) von dem Tage der Vollziehung der letzten Ehe durch Kopulation gerechnet werden."
Im Gegensatz zu dieser Vorschrift wurde in der Staatsraths-Kom- mission der Grundsatz angenommen, "daß der Anfang der Verjährung von da an zu gestatten sei, wo entweder die erste Ehe auf irgend eine Weise getrennt oder das zweite ungültige Ehebündniß aufgelöst worden, da in beiden Fällen das Verhältniß in eine Lage komme, wo kein Ver- brechen mehr vorhanden sei." i)
Im Staatsrath wurde diese Auffassung lebhaft angefochten, und die Beibehaltung der Vorschrift der Kriminalordnung befürwortet, da mit der Schließung der neuen Ehe das Verbrechen vollendet werde, und mit dem Zeitpunkt der Vollendung des Verbrechens die Verjährung grundsätzlich ihren Anfang nehme. Das Wesen des Verbrechens bestehe bei der Bigamie in dem Mißbrauch der Heiligkeit des Aktes der Trauung; das Zusammenleben in einer Bigamie könne nicht als eine Fortsetzung des Verbrechens angesehen werden, sondern nur als eine Folge dessel- ben, welche dem Fall ähnlich sei, wenn ein Dieb sich noch in dem Besitze der gestohlenen Sache befinde, wodurch der Lauf der Verjährung unstreitig nicht gehemmt werde. -- Von der andern Seite wurde hier- gegen angeführt, daß die Verjährung eines Verbrechens erst von dem Zeitpunkte an beginne, an welchem die verbrecherische Handlung ihre Endschaft erreicht habe; das sei aber der in dem Beschluß der Staats- raths-Kommission angenommene, indem, so wie das Wesen der Ehe in der innigen Lebensgemeinschaft bestehe, auch das Wesen der Bigamie in dem unter dem Mißbrauche der Heiligkeit der Trauung stattfindenden Zusammenleben beruhe. k)
Diese letztere Ansicht gewann im Staatsrath die Mehrheit der Stimmen für sich, und ist in die folgenden Entwürfe so wie auch in
g)Revision von 1845. II. S. 168.
h) Ueber einzelne hierbei in Betracht kommende politische Erwägungen s. den Bericht der Kommission der zweiten Kammer a. a. O.
i)Berathungs-Protokolle. II. S. 247.
k)Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 8. Mai 1841.
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XII. Verbr. u. Verg. gegen d. Sittlichk.
rechtfertige ſich die Beſtimmung hier ſo gut wie die entſprechende bei dem Ehebruch. g)
Die Ausdehnung der geſetzlichen Strafe auch auf den Religions- diener oder den Perſonenſtands-Beamten, welcher die verbrecheriſche Ehe ſchließt, findet ſich erſt in dem Entwurf von 1850.; ſie iſt dem Code pénal nachgebildet worden. h)
IV. Die Kriminalordnung beſtimmt
§. 601. „Bei dem Verbrechen der Bigamie ſoll dieſer fünfjährige Zeitraum (der Verjährung) von dem Tage der Vollziehung der letzten Ehe durch Kopulation gerechnet werden.“
Im Gegenſatz zu dieſer Vorſchrift wurde in der Staatsraths-Kom- miſſion der Grundſatz angenommen, „daß der Anfang der Verjährung von da an zu geſtatten ſei, wo entweder die erſte Ehe auf irgend eine Weiſe getrennt oder das zweite ungültige Ehebündniß aufgelöſt worden, da in beiden Fällen das Verhältniß in eine Lage komme, wo kein Ver- brechen mehr vorhanden ſei.“ i)
Im Staatsrath wurde dieſe Auffaſſung lebhaft angefochten, und die Beibehaltung der Vorſchrift der Kriminalordnung befürwortet, da mit der Schließung der neuen Ehe das Verbrechen vollendet werde, und mit dem Zeitpunkt der Vollendung des Verbrechens die Verjährung grundſätzlich ihren Anfang nehme. Das Weſen des Verbrechens beſtehe bei der Bigamie in dem Mißbrauch der Heiligkeit des Aktes der Trauung; das Zuſammenleben in einer Bigamie könne nicht als eine Fortſetzung des Verbrechens angeſehen werden, ſondern nur als eine Folge deſſel- ben, welche dem Fall ähnlich ſei, wenn ein Dieb ſich noch in dem Beſitze der geſtohlenen Sache befinde, wodurch der Lauf der Verjährung unſtreitig nicht gehemmt werde. — Von der andern Seite wurde hier- gegen angeführt, daß die Verjährung eines Verbrechens erſt von dem Zeitpunkte an beginne, an welchem die verbrecheriſche Handlung ihre Endſchaft erreicht habe; das ſei aber der in dem Beſchluß der Staats- raths-Kommiſſion angenommene, indem, ſo wie das Weſen der Ehe in der innigen Lebensgemeinſchaft beſtehe, auch das Weſen der Bigamie in dem unter dem Mißbrauche der Heiligkeit der Trauung ſtattfindenden Zuſammenleben beruhe. k)
Dieſe letztere Anſicht gewann im Staatsrath die Mehrheit der Stimmen für ſich, und iſt in die folgenden Entwürfe ſo wie auch in
g)Reviſion von 1845. II. S. 168.
h) Ueber einzelne hierbei in Betracht kommende politiſche Erwägungen ſ. den Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer a. a. O.
i)Berathungs-Protokolle. II. S. 247.
k)Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 8. Mai 1841.
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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XII. Verbr. u. Verg. gegen d. Sittlichk.
rechtfertige ſich die Beſtimmung hier ſo gut wie die entſprechende bei
dem Ehebruch. g)
Die Ausdehnung der geſetzlichen Strafe auch auf den Religions-
diener oder den Perſonenſtands-Beamten, welcher die verbrecheriſche Ehe
ſchließt, findet ſich erſt in dem Entwurf von 1850.; ſie iſt dem Code
pénal nachgebildet worden. h)
IV. Die Kriminalordnung beſtimmt
§. 601. „Bei dem Verbrechen der Bigamie ſoll dieſer fünfjährige
Zeitraum (der Verjährung) von dem Tage der Vollziehung der letzten
Ehe durch Kopulation gerechnet werden.“
Im Gegenſatz zu dieſer Vorſchrift wurde in der Staatsraths-Kom-
miſſion der Grundſatz angenommen, „daß der Anfang der Verjährung
von da an zu geſtatten ſei, wo entweder die erſte Ehe auf irgend eine
Weiſe getrennt oder das zweite ungültige Ehebündniß aufgelöſt worden,
da in beiden Fällen das Verhältniß in eine Lage komme, wo kein Ver-
brechen mehr vorhanden ſei.“ i)
Im Staatsrath wurde dieſe Auffaſſung lebhaft angefochten, und
die Beibehaltung der Vorſchrift der Kriminalordnung befürwortet, da
mit der Schließung der neuen Ehe das Verbrechen vollendet werde, und
mit dem Zeitpunkt der Vollendung des Verbrechens die Verjährung
grundſätzlich ihren Anfang nehme. Das Weſen des Verbrechens beſtehe
bei der Bigamie in dem Mißbrauch der Heiligkeit des Aktes der Trauung;
das Zuſammenleben in einer Bigamie könne nicht als eine Fortſetzung
des Verbrechens angeſehen werden, ſondern nur als eine Folge deſſel-
ben, welche dem Fall ähnlich ſei, wenn ein Dieb ſich noch in dem
Beſitze der geſtohlenen Sache befinde, wodurch der Lauf der Verjährung
unſtreitig nicht gehemmt werde. — Von der andern Seite wurde hier-
gegen angeführt, daß die Verjährung eines Verbrechens erſt von dem
Zeitpunkte an beginne, an welchem die verbrecheriſche Handlung ihre
Endſchaft erreicht habe; das ſei aber der in dem Beſchluß der Staats-
raths-Kommiſſion angenommene, indem, ſo wie das Weſen der Ehe in
der innigen Lebensgemeinſchaft beſtehe, auch das Weſen der Bigamie in
dem unter dem Mißbrauche der Heiligkeit der Trauung ſtattfindenden
Zuſammenleben beruhe. k)
Dieſe letztere Anſicht gewann im Staatsrath die Mehrheit der
Stimmen für ſich, und iſt in die folgenden Entwürfe ſo wie auch in
g) Reviſion von 1845. II. S. 168.
h) Ueber einzelne hierbei in Betracht kommende politiſche Erwägungen ſ. den
Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer a. a. O.
i) Berathungs-Protokolle. II. S. 247.
k) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 8. Mai 1841.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/318>, abgerufen am 26.06.2024.
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