Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XII. Verbr. u. Verg. gegen d. Sittlichk. Rechte. Aehnlich wie im Code penal, der neben der Nothzucht auchdie gewaltsamen Angriffe auf die Schamhaftigkeit unter Strafe stellt, p) wird die Vollziehung des Beischlafs nicht zum Thatbestande des in §. 144. Nr. 1. behandelten Verbrechens erfordert, die auf Befriedigung des Geschlechtstriebes gerichtete unzüchtige Handlung vielmehr mit der- selben Strafe bedroht, mag sie gegen eine Person des einen oder des anderen Geschlechtes verübt worden sein. Schon in dem vereinigten ständischen Ausschuß trug der Abgeordnete Freiherr v. Mylius auf eine solche weitere Fassung der Gesetzesstelle an, welche aber damals keine Zustimmung fand. q) I. Die Verübung des Verbrechens muß mit Gewalt oder in Folge a. Der Begriff der Gewalt ist hier nicht näher bestimmt worden; b. Die Drohung muß mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder p) Code penal. Art. 331. Quiconque aura commis le crime de viol, ou sera coupable de tout autre attentat a la pudeur, consomme ou tente avec violence contre des individus de l'un ou de l'autre sexe, sera puni de la reclusion. -- Das Gesetz vom 28. April 1832. hat auch hier wesentliche Aende- rungen eingeführt. q) Verhandlungen. III. S. 459-61. r) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. II. S. 247. s) Revision von 1845. II. S. 170. Vgl. Motive zum Entwurf von 1850. §. 133. t) Entwurf von 1836. §. 495. "Derjenige, welcher eine Frauensperson ent-
weder durch körperliche, nach den vorliegenden Verhältnissen durch sie nicht abwend- bare Gewalt oder durch für ihre oder ihres Ehegatten, ihrer Kinder, Eltern oder Geschwister Leben oder Gesundheit oder bedeutenden Vermögenstheil gefährliche Dro- hungen" u. s. w. Vgl. Motive zum ersten Entwurf. III. 2. S. 263. Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XII. Verbr. u. Verg. gegen d. Sittlichk. Rechte. Aehnlich wie im Code pénal, der neben der Nothzucht auchdie gewaltſamen Angriffe auf die Schamhaftigkeit unter Strafe ſtellt, p) wird die Vollziehung des Beiſchlafs nicht zum Thatbeſtande des in §. 144. Nr. 1. behandelten Verbrechens erfordert, die auf Befriedigung des Geſchlechtstriebes gerichtete unzüchtige Handlung vielmehr mit der- ſelben Strafe bedroht, mag ſie gegen eine Perſon des einen oder des anderen Geſchlechtes verübt worden ſein. Schon in dem vereinigten ſtändiſchen Ausſchuß trug der Abgeordnete Freiherr v. Mylius auf eine ſolche weitere Faſſung der Geſetzesſtelle an, welche aber damals keine Zuſtimmung fand. q) I. Die Verübung des Verbrechens muß mit Gewalt oder in Folge a. Der Begriff der Gewalt iſt hier nicht näher beſtimmt worden; b. Die Drohung muß mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder p) Code pénal. Art. 331. Quiconque aura commis le crime de viol, ou sera coupable de tout autre attentat à la pudeur, consommé ou tenté avec violence contre des individus de l'un ou de l'autre sexe, sera puni de la reclusion. — Das Geſetz vom 28. April 1832. hat auch hier weſentliche Aende- rungen eingeführt. q) Verhandlungen. III. S. 459-61. r) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II. S. 247. s) Reviſion von 1845. II. S. 170. Vgl. Motive zum Entwurf von 1850. §. 133. t) Entwurf von 1836. §. 495. „Derjenige, welcher eine Frauensperſon ent-
weder durch körperliche, nach den vorliegenden Verhältniſſen durch ſie nicht abwend- bare Gewalt oder durch für ihre oder ihres Ehegatten, ihrer Kinder, Eltern oder Geſchwiſter Leben oder Geſundheit oder bedeutenden Vermögenstheil gefährliche Dro- hungen“ u. ſ. w. Vgl. Motive zum erſten Entwurf. III. 2. S. 263. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0324" n="314"/><fw place="top" type="header">Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XII. Verbr. u. Verg. gegen d. Sittlichk.</fw><lb/> Rechte. Aehnlich wie im <hi rendition="#aq">Code pénal,</hi> der neben der Nothzucht auch<lb/> die gewaltſamen Angriffe auf die Schamhaftigkeit unter Strafe ſtellt, <note place="foot" n="p)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Code pénal.</hi> Art.</hi> 331. <hi rendition="#aq">Quiconque aura commis le crime de viol,<lb/> ou sera coupable de tout autre attentat à la pudeur, consommé ou tenté<lb/> avec violence contre des individus de l'un ou de l'autre sexe, sera puni de<lb/> la reclusion.</hi> — Das Geſetz vom 28. April 1832. hat auch hier weſentliche Aende-<lb/> rungen eingeführt.</note><lb/> wird die Vollziehung des Beiſchlafs nicht zum Thatbeſtande des in<lb/> §. 144. Nr. 1. behandelten Verbrechens erfordert, die auf Befriedigung<lb/> des Geſchlechtstriebes gerichtete unzüchtige Handlung vielmehr mit der-<lb/> ſelben Strafe bedroht, mag ſie gegen eine Perſon des einen oder des<lb/> anderen Geſchlechtes verübt worden ſein. Schon in dem vereinigten<lb/> ſtändiſchen Ausſchuß trug der Abgeordnete <hi rendition="#g">Freiherr v. Mylius</hi> auf<lb/> eine ſolche weitere Faſſung der Geſetzesſtelle an, welche aber damals keine<lb/> Zuſtimmung fand. <note place="foot" n="q)"><hi rendition="#g">Verhandlungen</hi>. III. S. 459-61.</note> </p><lb/> <p>I. Die Verübung des Verbrechens muß mit Gewalt oder in Folge<lb/> angewandter Drohungen geſchehen ſein.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">a.</hi> Der Begriff der <hi rendition="#g">Gewalt</hi> iſt hier nicht näher beſtimmt worden;<lb/> es iſt weder wie nach dem Allg. Landrecht (II<hi rendition="#aq">.</hi> 20. §. 1052.) eine „un-<lb/> widerſtehliche Gewalt“, noch wie nach dem Entwurf von 1836. (§. 495.)<lb/> eine „körperliche, nach den vorliegenden Verhältniſſen nicht abwendbare“<lb/> erfordert. Man hielt dafür, daß es nach der Natur der Sache nicht<lb/> möglich ſei, eine ſolche Präziſirung in erſchöpfender Weiſe anzugeben.<lb/> Alles komme auf die relativen Umſtände <hi rendition="#aq">in concreto</hi> und auf das<lb/> einſichtsvolle richterliche Ermeſſen an. <note place="foot" n="r)"><hi rendition="#g">Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion</hi>. II<hi rendition="#aq">.</hi> S. 247.</note> Auf die Einwendung aber,<lb/> daß bei einer ſo unbeſtimmten Faſſung des Geſetzes auch leichte Schläge<lb/> für hinreichend gehalten werden könnten, wurde erwiedert, ſchon nach<lb/> dem Sinn der Worte müſſe die Gewalt von der Art ſein, daß ſie die<lb/> Annahme eines Zwanges bei Duldung der verbrecheriſchen Handlung<lb/> begründen könne, wozu die Ueberwältigung eines thätlichen Widerſtan-<lb/> des nothwendig gehöre. <note place="foot" n="s)"><hi rendition="#g">Reviſion von</hi> 1845. II. S. 170. Vgl. <hi rendition="#g">Motive zum Entwurf von</hi><lb/> 1850. §. 133.</note> </p><lb/> <p><hi rendition="#aq">b.</hi> Die <hi rendition="#g">Drohung</hi> muß mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder<lb/> Leben verbunden geweſen ſein. Die früheren Entwürfe hatten dieß in<lb/> ſehr kaſuiſtiſcher Weiſe ausgedehnt, <note place="foot" n="t)"><hi rendition="#g">Entwurf von</hi> 1836. §. 495. „Derjenige, welcher eine Frauensperſon ent-<lb/> weder durch körperliche, nach den vorliegenden Verhältniſſen durch ſie nicht abwend-<lb/> bare Gewalt oder durch für ihre oder ihres Ehegatten, ihrer Kinder, Eltern oder<lb/> Geſchwiſter Leben oder Geſundheit oder bedeutenden Vermögenstheil gefährliche Dro-<lb/> hungen“ u. ſ. w. Vgl. <hi rendition="#g">Motive zum erſten Entwurf</hi>. III. 2. S. 263.</note> und namentlich die Gefahr naher<lb/> Angehöriger mit hineingezogen. Der Entwurf von 1843. §. 383. ver-<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [314/0324]
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XII. Verbr. u. Verg. gegen d. Sittlichk.
Rechte. Aehnlich wie im Code pénal, der neben der Nothzucht auch
die gewaltſamen Angriffe auf die Schamhaftigkeit unter Strafe ſtellt, p)
wird die Vollziehung des Beiſchlafs nicht zum Thatbeſtande des in
§. 144. Nr. 1. behandelten Verbrechens erfordert, die auf Befriedigung
des Geſchlechtstriebes gerichtete unzüchtige Handlung vielmehr mit der-
ſelben Strafe bedroht, mag ſie gegen eine Perſon des einen oder des
anderen Geſchlechtes verübt worden ſein. Schon in dem vereinigten
ſtändiſchen Ausſchuß trug der Abgeordnete Freiherr v. Mylius auf
eine ſolche weitere Faſſung der Geſetzesſtelle an, welche aber damals keine
Zuſtimmung fand. q)
I. Die Verübung des Verbrechens muß mit Gewalt oder in Folge
angewandter Drohungen geſchehen ſein.
a. Der Begriff der Gewalt iſt hier nicht näher beſtimmt worden;
es iſt weder wie nach dem Allg. Landrecht (II. 20. §. 1052.) eine „un-
widerſtehliche Gewalt“, noch wie nach dem Entwurf von 1836. (§. 495.)
eine „körperliche, nach den vorliegenden Verhältniſſen nicht abwendbare“
erfordert. Man hielt dafür, daß es nach der Natur der Sache nicht
möglich ſei, eine ſolche Präziſirung in erſchöpfender Weiſe anzugeben.
Alles komme auf die relativen Umſtände in concreto und auf das
einſichtsvolle richterliche Ermeſſen an. r) Auf die Einwendung aber,
daß bei einer ſo unbeſtimmten Faſſung des Geſetzes auch leichte Schläge
für hinreichend gehalten werden könnten, wurde erwiedert, ſchon nach
dem Sinn der Worte müſſe die Gewalt von der Art ſein, daß ſie die
Annahme eines Zwanges bei Duldung der verbrecheriſchen Handlung
begründen könne, wozu die Ueberwältigung eines thätlichen Widerſtan-
des nothwendig gehöre. s)
b. Die Drohung muß mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder
Leben verbunden geweſen ſein. Die früheren Entwürfe hatten dieß in
ſehr kaſuiſtiſcher Weiſe ausgedehnt, t) und namentlich die Gefahr naher
Angehöriger mit hineingezogen. Der Entwurf von 1843. §. 383. ver-
p) Code pénal. Art. 331. Quiconque aura commis le crime de viol,
ou sera coupable de tout autre attentat à la pudeur, consommé ou tenté
avec violence contre des individus de l'un ou de l'autre sexe, sera puni de
la reclusion. — Das Geſetz vom 28. April 1832. hat auch hier weſentliche Aende-
rungen eingeführt.
q) Verhandlungen. III. S. 459-61.
r) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II. S. 247.
s) Reviſion von 1845. II. S. 170. Vgl. Motive zum Entwurf von
1850. §. 133.
t) Entwurf von 1836. §. 495. „Derjenige, welcher eine Frauensperſon ent-
weder durch körperliche, nach den vorliegenden Verhältniſſen durch ſie nicht abwend-
bare Gewalt oder durch für ihre oder ihres Ehegatten, ihrer Kinder, Eltern oder
Geſchwiſter Leben oder Geſundheit oder bedeutenden Vermögenstheil gefährliche Dro-
hungen“ u. ſ. w. Vgl. Motive zum erſten Entwurf. III. 2. S. 263.
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