langte gefährliche Drohungen, wofür in Folge eines Beschlusses der Staatsraths-Kommission u) der Entwurf von 1847. §. 174. "Drohun- gen mit gegenwärtiger Gefahr für ihr oder anderer Menschen Leib oder Leben" setzte. Diese Bezugnahme auf andere Personen ist im Straf- gesetzbuch weggeblieben, wie sie sich auch weder im Allgemeinen Land- recht, noch im Rheinischen oder im gemeinen Deutschen Strafrechte findet. Man kann daher auch nicht mit dem Bericht der Kommission der zwei- ten Kammer (zu §. 133. unter 3.) behaupten, daß es nicht darauf an- komme, gegen wen die Drohung gerichtet war, vielmehr der Richter zu ermessen habe, ob dadurch Zwang verübt worden sei. Eine solche Aus- dehnung des Thatbestandes der Nothzucht wäre nur wegen einer aus- drücklichen Vorschrift des Gesetzbuchs anzunehmen.
II. Ob die gemißbrauchte Person verleumdet oder unverleumdet war, ist für den Thatbestand des Verbrechens gleichgültig, und bloß bei der Strafzumessung von Einfluß. Ebenso verhält es sich mit den Folgen des Verbrechens, ob dasselbe namentlich der Gesundheit der ge- mißbrauchten Person geschadet hat, wobei denn noch besonders zu er- wägen sein wird, ob der Nachtheil für die Gesundheit ein bleibender oder erheblicher war. Die Unbestimmtheit dieser Ausdrücke und die Schwierigkeit der Feststellung des einzelnen Falles führten dahin, die Bezugnahme auf diese thatsächlichen Momente im Gesetzbuch ganz aufzugeben, und ihre Berücksichtigung dem richterlichen Ermessen zu über- lassen, dafür aber auch das gesetzliche Strafmaaß so, wie es geschehen ist, zu erhöhen. v)
III. Nur wenn der Tod der Person, gegen welche das Verbrechen verübt worden, dadurch herbeigeführt ist, tritt lebenslängliche Zuchthaus- strafe ein. Die Todesstrafe hier vorzuschreiben, erschien wohl deshalb unzulässig, weil die Absicht der Tödtung nicht leicht vorliegen wird, und das Verbrechen selbst nicht als ein gemeingefährliches zu betrachten ist. Sollte aber wirklich die Absicht der Tödtung sich nachweisen lassen, so würde eine ideale Konkurrenz von Verbrechen stattfinden, und im Fall des Mordes die Todesstrafe begründet sein.
IV. Daß im Gegensatz zu früheren Beschlüssen w) ein Strafantrag nicht mehr erforderlich ist, sondern das Verbrechen von Amtswegen ge- ahndet werden soll, kann bei der Größe und Gefährlichkeit desselben nur gebilligt werden. Das Princip des älteren Rechts, daß der Zweck der Strafandrohung Schutz der weiblichen Ehre sei, ist bei der gegenwärti-
u)Verhandlungen von 1846. S. 127. 128.
v) a. a. O. S. 128.
w)Verhandlungen des vereinigten ständ. Ausschusses. III. S. 467. bis 485.
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§§. 144. 145. Nothzucht u. ſ. w.
langte gefährliche Drohungen, wofür in Folge eines Beſchluſſes der Staatsraths-Kommiſſion u) der Entwurf von 1847. §. 174. „Drohun- gen mit gegenwärtiger Gefahr für ihr oder anderer Menſchen Leib oder Leben“ ſetzte. Dieſe Bezugnahme auf andere Perſonen iſt im Straf- geſetzbuch weggeblieben, wie ſie ſich auch weder im Allgemeinen Land- recht, noch im Rheiniſchen oder im gemeinen Deutſchen Strafrechte findet. Man kann daher auch nicht mit dem Bericht der Kommiſſion der zwei- ten Kammer (zu §. 133. unter 3.) behaupten, daß es nicht darauf an- komme, gegen wen die Drohung gerichtet war, vielmehr der Richter zu ermeſſen habe, ob dadurch Zwang verübt worden ſei. Eine ſolche Aus- dehnung des Thatbeſtandes der Nothzucht wäre nur wegen einer aus- drücklichen Vorſchrift des Geſetzbuchs anzunehmen.
II. Ob die gemißbrauchte Perſon verleumdet oder unverleumdet war, iſt für den Thatbeſtand des Verbrechens gleichgültig, und bloß bei der Strafzumeſſung von Einfluß. Ebenſo verhält es ſich mit den Folgen des Verbrechens, ob daſſelbe namentlich der Geſundheit der ge- mißbrauchten Perſon geſchadet hat, wobei denn noch beſonders zu er- wägen ſein wird, ob der Nachtheil für die Geſundheit ein bleibender oder erheblicher war. Die Unbeſtimmtheit dieſer Ausdrücke und die Schwierigkeit der Feſtſtellung des einzelnen Falles führten dahin, die Bezugnahme auf dieſe thatſächlichen Momente im Geſetzbuch ganz aufzugeben, und ihre Berückſichtigung dem richterlichen Ermeſſen zu über- laſſen, dafür aber auch das geſetzliche Strafmaaß ſo, wie es geſchehen iſt, zu erhöhen. v)
III. Nur wenn der Tod der Perſon, gegen welche das Verbrechen verübt worden, dadurch herbeigeführt iſt, tritt lebenslängliche Zuchthaus- ſtrafe ein. Die Todesſtrafe hier vorzuſchreiben, erſchien wohl deshalb unzuläſſig, weil die Abſicht der Tödtung nicht leicht vorliegen wird, und das Verbrechen ſelbſt nicht als ein gemeingefährliches zu betrachten iſt. Sollte aber wirklich die Abſicht der Tödtung ſich nachweiſen laſſen, ſo würde eine ideale Konkurrenz von Verbrechen ſtattfinden, und im Fall des Mordes die Todesſtrafe begründet ſein.
IV. Daß im Gegenſatz zu früheren Beſchlüſſen w) ein Strafantrag nicht mehr erforderlich iſt, ſondern das Verbrechen von Amtswegen ge- ahndet werden ſoll, kann bei der Größe und Gefährlichkeit deſſelben nur gebilligt werden. Das Princip des älteren Rechts, daß der Zweck der Strafandrohung Schutz der weiblichen Ehre ſei, iſt bei der gegenwärti-
u)Verhandlungen von 1846. S. 127. 128.
v) a. a. O. S. 128.
w)Verhandlungen des vereinigten ſtänd. Ausſchuſſes. III. S. 467. bis 485.
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langte gefährliche Drohungen, wofür in Folge eines Beſchluſſes der
Staatsraths-Kommiſſion u) der Entwurf von 1847. §. 174. „Drohun-
gen mit gegenwärtiger Gefahr für ihr oder anderer Menſchen Leib oder
Leben“ ſetzte. Dieſe Bezugnahme auf andere Perſonen iſt im Straf-
geſetzbuch weggeblieben, wie ſie ſich auch weder im Allgemeinen Land-
recht, noch im Rheiniſchen oder im gemeinen Deutſchen Strafrechte findet.
Man kann daher auch nicht mit dem Bericht der Kommiſſion der zwei-
ten Kammer (zu §. 133. unter 3.) behaupten, daß es nicht darauf an-
komme, gegen wen die Drohung gerichtet war, vielmehr der Richter zu
ermeſſen habe, ob dadurch Zwang verübt worden ſei. Eine ſolche Aus-
dehnung des Thatbeſtandes der Nothzucht wäre nur wegen einer aus-
drücklichen Vorſchrift des Geſetzbuchs anzunehmen.
II. Ob die gemißbrauchte Perſon verleumdet oder unverleumdet
war, iſt für den Thatbeſtand des Verbrechens gleichgültig, und bloß
bei der Strafzumeſſung von Einfluß. Ebenſo verhält es ſich mit den
Folgen des Verbrechens, ob daſſelbe namentlich der Geſundheit der ge-
mißbrauchten Perſon geſchadet hat, wobei denn noch beſonders zu er-
wägen ſein wird, ob der Nachtheil für die Geſundheit ein bleibender
oder erheblicher war. Die Unbeſtimmtheit dieſer Ausdrücke und die
Schwierigkeit der Feſtſtellung des einzelnen Falles führten dahin, die
Bezugnahme auf dieſe thatſächlichen Momente im Geſetzbuch ganz
aufzugeben, und ihre Berückſichtigung dem richterlichen Ermeſſen zu über-
laſſen, dafür aber auch das geſetzliche Strafmaaß ſo, wie es geſchehen
iſt, zu erhöhen. v)
III. Nur wenn der Tod der Perſon, gegen welche das Verbrechen
verübt worden, dadurch herbeigeführt iſt, tritt lebenslängliche Zuchthaus-
ſtrafe ein. Die Todesſtrafe hier vorzuſchreiben, erſchien wohl deshalb
unzuläſſig, weil die Abſicht der Tödtung nicht leicht vorliegen wird,
und das Verbrechen ſelbſt nicht als ein gemeingefährliches zu betrachten
iſt. Sollte aber wirklich die Abſicht der Tödtung ſich nachweiſen laſſen,
ſo würde eine ideale Konkurrenz von Verbrechen ſtattfinden, und im Fall
des Mordes die Todesſtrafe begründet ſein.
IV. Daß im Gegenſatz zu früheren Beſchlüſſen w) ein Strafantrag
nicht mehr erforderlich iſt, ſondern das Verbrechen von Amtswegen ge-
ahndet werden ſoll, kann bei der Größe und Gefährlichkeit deſſelben nur
gebilligt werden. Das Princip des älteren Rechts, daß der Zweck der
Strafandrohung Schutz der weiblichen Ehre ſei, iſt bei der gegenwärti-
u) Verhandlungen von 1846. S. 127. 128.
v) a. a. O. S. 128.
w) Verhandlungen des vereinigten ſtänd. Ausſchuſſes. III. S. 467.
bis 485.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/325>, abgerufen am 17.06.2024.
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