Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

Bild:
<< vorherige Seite

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XIII. Verletzungen der Ehre.
deren Verlust oder zeitige Aberkennung die Wirkung einer schweren
Kriminalstrafe hat, besteht aus einem Inbegriff bestimmter, vom Staate
gewährleisteter Rechte; die Ehre als Gegenstand strafbarer Verletzung
durch Andere ist das Resultat des guten Namens, und wird gegen
widerrechtliche Kränkungen durch Strafvorschriften geschützt. s) Die un-
mittelbare Verletzung dieser Ehre durch Wort oder Zeichen ist die Be-
leidigung; die mittelbare durch Behauptung oder Verbreitung unwahrer
Thatsachen die Verleumdung.

II. Die Beleidigung stellt sich nur als ein Vergehen dar, wenn
sie öffentlich oder schriftlich zugefügt worden ist. Der Begriff der öffent-
lichen Beleidigung ist hier (§. 152. Abs. 2.) genau bestimmt; es wird
im Allgemeinen eine solche darunter verstanden, welche durch den Ort
der Handlung oder die Art der Aeußerung zu einer größeren Verbrei-
tung gelangt; namentlich sind hier also die Beleidigungen durch die
Presse gemeint, t) wobei die eigentliche Schmähschrift oder das Pasquill
im Gesetzbuch nicht besonders hervorgehoben worden ist. u) -- Aber auch
die schriftlich zugefügten Beleidigungen sollen den öffentlichen gleich
geachtet werden, -- eine Bestimmung, welche in der Kommission der
zweiten Kammer angefochten, aber damit vertheidigt ward, daß bei jenen
stets eine gewisse Ueberlegung angenommen werden müsse, und daß sie
fast nur in den für Ehrverletzungen empfänglicheren gebildeteren Klassen
vorkommen. v)

III. Bei der Revision des Strafrechts ist es wiederholt zur Sprache
gekommen, ob eine Definition der Beleidigung aufgestellt, und ob na-
mentlich die Absicht der Beleidigung, der animus injuriandi, als wesent-
licher Theil des Thatbestandes angegeben werden solle. Die älteren
Entwürfe enthalten noch solche Bestimmungen; w) später ist man in
richtiger Erkenntniß von der Aufgabe der Gesetzgebung davon zurück-
gekommen, und hat die Entscheidung der Frage, ob eine strafbare Be-
leidigung anzunehmen sei, für den einzelnen Fall dem richterlichen
Ermessen überlassen. x) Wenn dabei einerseits das Mißverständniß zu
vermeiden ist, als ob es sich bei der Beleidigung von einer ganz beson-

s) Vgl. oben S. 103. ff.
t) Die Vorschriften des Code penal (Art. 367-77.) sind daher auch durch
die späteren Gesetze über die Presse vom 17. Mai 1819. und 25. März 1822. we-
sentlich verändert worden.
u) Vgl. A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 572-75. -- Sächs. Criminal-
gesetzb.
Art. 200. -- Braunschweig. Criminalgesetzb. §. 198. -- Thü-
ringisches Strafgesetzbuch.
Art. 191.
v) Bericht der Kommission der zweiten Kammer a. a. O.
w) Entwurf von 1830. §. 180. -- Entwurf von 1836. §. 317-19.
x) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommission. II.
S. 88. 89.

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XIII. Verletzungen der Ehre.
deren Verluſt oder zeitige Aberkennung die Wirkung einer ſchweren
Kriminalſtrafe hat, beſteht aus einem Inbegriff beſtimmter, vom Staate
gewährleiſteter Rechte; die Ehre als Gegenſtand ſtrafbarer Verletzung
durch Andere iſt das Reſultat des guten Namens, und wird gegen
widerrechtliche Kränkungen durch Strafvorſchriften geſchützt. s) Die un-
mittelbare Verletzung dieſer Ehre durch Wort oder Zeichen iſt die Be-
leidigung; die mittelbare durch Behauptung oder Verbreitung unwahrer
Thatſachen die Verleumdung.

II. Die Beleidigung ſtellt ſich nur als ein Vergehen dar, wenn
ſie öffentlich oder ſchriftlich zugefügt worden iſt. Der Begriff der öffent-
lichen Beleidigung iſt hier (§. 152. Abſ. 2.) genau beſtimmt; es wird
im Allgemeinen eine ſolche darunter verſtanden, welche durch den Ort
der Handlung oder die Art der Aeußerung zu einer größeren Verbrei-
tung gelangt; namentlich ſind hier alſo die Beleidigungen durch die
Preſſe gemeint, t) wobei die eigentliche Schmähſchrift oder das Pasquill
im Geſetzbuch nicht beſonders hervorgehoben worden iſt. u) — Aber auch
die ſchriftlich zugefügten Beleidigungen ſollen den öffentlichen gleich
geachtet werden, — eine Beſtimmung, welche in der Kommiſſion der
zweiten Kammer angefochten, aber damit vertheidigt ward, daß bei jenen
ſtets eine gewiſſe Ueberlegung angenommen werden müſſe, und daß ſie
faſt nur in den für Ehrverletzungen empfänglicheren gebildeteren Klaſſen
vorkommen. v)

III. Bei der Reviſion des Strafrechts iſt es wiederholt zur Sprache
gekommen, ob eine Definition der Beleidigung aufgeſtellt, und ob na-
mentlich die Abſicht der Beleidigung, der animus injuriandi, als weſent-
licher Theil des Thatbeſtandes angegeben werden ſolle. Die älteren
Entwürfe enthalten noch ſolche Beſtimmungen; w) ſpäter iſt man in
richtiger Erkenntniß von der Aufgabe der Geſetzgebung davon zurück-
gekommen, und hat die Entſcheidung der Frage, ob eine ſtrafbare Be-
leidigung anzunehmen ſei, für den einzelnen Fall dem richterlichen
Ermeſſen überlaſſen. x) Wenn dabei einerſeits das Mißverſtändniß zu
vermeiden iſt, als ob es ſich bei der Beleidigung von einer ganz beſon-

s) Vgl. oben S. 103. ff.
t) Die Vorſchriften des Code pénal (Art. 367-77.) ſind daher auch durch
die ſpäteren Geſetze über die Preſſe vom 17. Mai 1819. und 25. März 1822. we-
ſentlich verändert worden.
u) Vgl. A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 572-75. — Sächſ. Criminal-
geſetzb.
Art. 200. — Braunſchweig. Criminalgeſetzb. §. 198. — Thü-
ringiſches Strafgeſetzbuch.
Art. 191.
v) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer a. a. O.
w) Entwurf von 1830. §. 180. — Entwurf von 1836. §. 317-19.
x) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II.
S. 88. 89.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0334" n="324"/><fw place="top" type="header">Th. II. V. d. einzelnen Verbr. &#xA75B;c. Tit. XIII.           Verletzungen der Ehre.</fw><lb/>
deren Verlu&#x017F;t oder zeitige Aberkennung die          Wirkung einer &#x017F;chweren<lb/>
Kriminal&#x017F;trafe hat, be&#x017F;teht aus          einem Inbegriff be&#x017F;timmter, vom Staate<lb/>
gewährlei&#x017F;teter Rechte;          die Ehre als Gegen&#x017F;tand &#x017F;trafbarer Verletzung<lb/>
durch Andere          i&#x017F;t das Re&#x017F;ultat des guten Namens, und wird gegen<lb/>
widerrechtliche          Kränkungen durch Strafvor&#x017F;chriften ge&#x017F;chützt. <note place="foot" n="s)">Vgl. oben S. 103. ff. </note> Die un-<lb/>
mittelbare Verletzung die&#x017F;er          Ehre durch Wort oder Zeichen i&#x017F;t die Be-<lb/>
leidigung; die mittelbare durch          Behauptung oder Verbreitung unwahrer<lb/>
That&#x017F;achen die Verleumdung.</p><lb/>
                <p>II. Die Beleidigung &#x017F;tellt &#x017F;ich nur als ein Vergehen dar,          wenn<lb/>
&#x017F;ie öffentlich oder &#x017F;chriftlich zugefügt worden          i&#x017F;t. Der Begriff der öffent-<lb/>
lichen Beleidigung i&#x017F;t hier (§. 152.          Ab&#x017F;. 2.) genau be&#x017F;timmt; es wird<lb/>
im Allgemeinen eine          &#x017F;olche darunter ver&#x017F;tanden, welche durch den Ort<lb/>
der Handlung          oder die Art der Aeußerung zu einer größeren Verbrei-<lb/>
tung gelangt; namentlich          &#x017F;ind hier al&#x017F;o die Beleidigungen durch          die<lb/>
Pre&#x017F;&#x017F;e gemeint, <note place="foot" n="t)">Die           Vor&#x017F;chriften des <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Code pénal</hi></hi> (<hi rendition="#aq">Art.</hi> 367-77.) &#x017F;ind daher auch durch<lb/>
die           &#x017F;päteren Ge&#x017F;etze über die Pre&#x017F;&#x017F;e vom 17. Mai           1819. und 25. März 1822. we-<lb/>
&#x017F;entlich verändert worden.</note> wobei die          eigentliche Schmäh&#x017F;chrift oder das Pasquill<lb/>
im Ge&#x017F;etzbuch nicht          be&#x017F;onders hervorgehoben worden i&#x017F;t. <note place="foot" n="u)">Vgl. A.           L. R. Th. II. Tit. 20. §. 572-75. &#x2014; <hi rendition="#g">Säch&#x017F;.            Criminal-<lb/>
ge&#x017F;etzb.</hi> Art. 200. &#x2014; <hi rendition="#g">Braun&#x017F;chweig. Criminalge&#x017F;etzb.</hi> §. 198. &#x2014; <hi rendition="#g">Thü-<lb/>
ringi&#x017F;ches Strafge&#x017F;etzbuch.</hi> Art.           191.</note> &#x2014; Aber auch<lb/>
die &#x017F;chriftlich zugefügten Beleidigungen          &#x017F;ollen den öffentlichen gleich<lb/>
geachtet werden, &#x2014; eine          Be&#x017F;timmung, welche in der Kommi&#x017F;&#x017F;ion der<lb/>
zweiten          Kammer angefochten, aber damit vertheidigt ward, daß bei jenen<lb/>
&#x017F;tets eine          gewi&#x017F;&#x017F;e Ueberlegung angenommen werden mü&#x017F;&#x017F;e,          und daß &#x017F;ie<lb/>
fa&#x017F;t nur in den für Ehrverletzungen empfänglicheren          gebildeteren Kla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
vorkommen. <note place="foot" n="v)"><hi rendition="#g">Bericht der Kommi&#x017F;&#x017F;ion der zweiten Kammer</hi> a. a.           O.</note>         </p><lb/>
                <p>III. Bei der Revi&#x017F;ion des Strafrechts i&#x017F;t es wiederholt zur          Sprache<lb/>
gekommen, ob eine Definition der Beleidigung aufge&#x017F;tellt, und ob          na-<lb/>
mentlich die Ab&#x017F;icht der Beleidigung, der <hi rendition="#aq">animus           injuriandi,</hi> als we&#x017F;ent-<lb/>
licher Theil des Thatbe&#x017F;tandes          angegeben werden &#x017F;olle. Die älteren<lb/>
Entwürfe enthalten noch          &#x017F;olche Be&#x017F;timmungen; <note place="foot" n="w)"><hi rendition="#g">Entwurf von</hi> 1830. §. 180. &#x2014; <hi rendition="#g">Entwurf von</hi> 1836. §.           317-19.</note> &#x017F;päter i&#x017F;t man in<lb/>
richtiger Erkenntniß von der          Aufgabe der Ge&#x017F;etzgebung davon zurück-<lb/>
gekommen, und hat die          Ent&#x017F;cheidung der Frage, ob eine &#x017F;trafbare Be-<lb/>
leidigung          anzunehmen &#x017F;ei, für den einzelnen Fall dem          richterlichen<lb/>
Erme&#x017F;&#x017F;en überla&#x017F;&#x017F;en. <note place="foot" n="x)"><hi rendition="#g">Berathungs-Protokolle der            Staatsraths-Kommi&#x017F;&#x017F;ion</hi>. II.<lb/>
S. 88. 89.</note> Wenn dabei          einer&#x017F;eits das Mißver&#x017F;tändniß zu<lb/>
vermeiden i&#x017F;t, als ob          es &#x017F;ich bei der Beleidigung von einer ganz be&#x017F;on-<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[324/0334] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XIII. Verletzungen der Ehre. deren Verluſt oder zeitige Aberkennung die Wirkung einer ſchweren Kriminalſtrafe hat, beſteht aus einem Inbegriff beſtimmter, vom Staate gewährleiſteter Rechte; die Ehre als Gegenſtand ſtrafbarer Verletzung durch Andere iſt das Reſultat des guten Namens, und wird gegen widerrechtliche Kränkungen durch Strafvorſchriften geſchützt. s) Die un- mittelbare Verletzung dieſer Ehre durch Wort oder Zeichen iſt die Be- leidigung; die mittelbare durch Behauptung oder Verbreitung unwahrer Thatſachen die Verleumdung. II. Die Beleidigung ſtellt ſich nur als ein Vergehen dar, wenn ſie öffentlich oder ſchriftlich zugefügt worden iſt. Der Begriff der öffent- lichen Beleidigung iſt hier (§. 152. Abſ. 2.) genau beſtimmt; es wird im Allgemeinen eine ſolche darunter verſtanden, welche durch den Ort der Handlung oder die Art der Aeußerung zu einer größeren Verbrei- tung gelangt; namentlich ſind hier alſo die Beleidigungen durch die Preſſe gemeint, t) wobei die eigentliche Schmähſchrift oder das Pasquill im Geſetzbuch nicht beſonders hervorgehoben worden iſt. u) — Aber auch die ſchriftlich zugefügten Beleidigungen ſollen den öffentlichen gleich geachtet werden, — eine Beſtimmung, welche in der Kommiſſion der zweiten Kammer angefochten, aber damit vertheidigt ward, daß bei jenen ſtets eine gewiſſe Ueberlegung angenommen werden müſſe, und daß ſie faſt nur in den für Ehrverletzungen empfänglicheren gebildeteren Klaſſen vorkommen. v) III. Bei der Reviſion des Strafrechts iſt es wiederholt zur Sprache gekommen, ob eine Definition der Beleidigung aufgeſtellt, und ob na- mentlich die Abſicht der Beleidigung, der animus injuriandi, als weſent- licher Theil des Thatbeſtandes angegeben werden ſolle. Die älteren Entwürfe enthalten noch ſolche Beſtimmungen; w) ſpäter iſt man in richtiger Erkenntniß von der Aufgabe der Geſetzgebung davon zurück- gekommen, und hat die Entſcheidung der Frage, ob eine ſtrafbare Be- leidigung anzunehmen ſei, für den einzelnen Fall dem richterlichen Ermeſſen überlaſſen. x) Wenn dabei einerſeits das Mißverſtändniß zu vermeiden iſt, als ob es ſich bei der Beleidigung von einer ganz beſon- s) Vgl. oben S. 103. ff. t) Die Vorſchriften des Code pénal (Art. 367-77.) ſind daher auch durch die ſpäteren Geſetze über die Preſſe vom 17. Mai 1819. und 25. März 1822. we- ſentlich verändert worden. u) Vgl. A. L. R. Th. II. Tit. 20. §. 572-75. — Sächſ. Criminal- geſetzb. Art. 200. — Braunſchweig. Criminalgeſetzb. §. 198. — Thü- ringiſches Strafgeſetzbuch. Art. 191. v) Bericht der Kommiſſion der zweiten Kammer a. a. O. w) Entwurf von 1830. §. 180. — Entwurf von 1836. §. 317-19. x) Berathungs-Protokolle der Staatsraths-Kommiſſion. II. S. 88. 89.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/334
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/334>, abgerufen am 24.11.2024.