wurfe von 1843. §. 298. findet. h) Das Ministerium für die Gesetz- Revision hielt aber auch diese Bezeichnung nicht für die richtige. Es finden sich darüber folgende Bemerkungen: i)
"Was den Begriff des Mordes anlangt, so muß es gegen Abegg mit Zachariä für einen Fortschritt angesehen werden, daß statt des Ausdrucks Vorbedacht, der Ausdruck: überlegter Vorsatz gebraucht worden ist. Es ist dadurch der Irrthum beseitigt, als sei es noth- wendig, daß die Ueberlegung der Ausführung eine längere Zeit voran gehe, während sie auch gleichzeitig mit derselben sich offenbaren kann. Nach den Grundsätzen des Germanischen und des Preußischen Rechts beruht nämlich der Unterschied zwischen Mord und Todtschlag ganz einfach auf dem Dasein oder Mangel besonnener ruhiger Ueberlegung. Derjenige, welcher zu überlegten Zwecken, mit vorbereiteten oder zweck- mäßig gewählten Mitteln tödtet, wer den Tod herbeiführen will, nach- dem er Erfolg, Zweck, Mittel, Gelegenheit und die Umstände der That erwogen hat, ist ein Mörder; wer ohne Ueberlegung tödtet, ist Todt- schläger. Diesen Unterschied haben die §§. 298. und 299. im Ganzen richtig ausgedrückt, doch sind auch hier einige Modifikationen anzura- then. In der Definition des §. 298. "wer mit überlegtem Vorsatze einen Menschen tödtet, begeht einen Mord" -- sind verschiedenartige Fälle enthalten, welche klarer unterschieden werden müssen, um die Anwendung vor Mißgriffen zu sichern und den Richter vor Zweifeln zu schützen. Es kann sich nämlich jener Zustand ruhiger Ueberlegung, jener erwogene Vorsatz auf zweierlei Weise kund geben. Erstlich können uns die Umstände der That, die Art der Ausführung überzeugen, daß die That nothwendig als das Produkt besonnener Ueberlegung hervor- gegangen sein müsse. Dieses ist anzunehmen, wenn jemand im Schlafe erdrosselt, wenn Gift gemischt und eingegeben wird, oder wenn bei der Tödtung ausgesuchte Qualen angewendet werden. Zweitens kann es geschehen, daß zwar die Art der Ausführung hierüber kein Licht gewährt, indem dieselbe ebenso bei einer Tödtung im Affekt (ohne Ueberlegung) hätte statt finden können, z. B. bei einem einfachen Schuß oder Stich; es erhellt aber außerdem, daß früherhin eine ruhige Ueberlegung statt gefunden hat, als deren Produkt die gegenwärtige That erscheint, wie z. B. längere Vorbereitungen, Drohungen u. s. w. dieses Resultat ergeben können. Hierbei versteht es sich nun von selbst, daß die frühere Ueberlegung, der frühere mörderische Vorsatz im Kausal-Zusammenhange
h)Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 14. April 1841.
i)Revision von 1845. II. S. 113. 114.
Beseler Kommentar. 23
§. 175. Der Mord.
wurfe von 1843. §. 298. findet. h) Das Miniſterium für die Geſetz- Reviſion hielt aber auch dieſe Bezeichnung nicht für die richtige. Es finden ſich darüber folgende Bemerkungen: i)
„Was den Begriff des Mordes anlangt, ſo muß es gegen Abegg mit Zachariä für einen Fortſchritt angeſehen werden, daß ſtatt des Ausdrucks Vorbedacht, der Ausdruck: überlegter Vorſatz gebraucht worden iſt. Es iſt dadurch der Irrthum beſeitigt, als ſei es noth- wendig, daß die Ueberlegung der Ausführung eine längere Zeit voran gehe, während ſie auch gleichzeitig mit derſelben ſich offenbaren kann. Nach den Grundſätzen des Germaniſchen und des Preußiſchen Rechts beruht nämlich der Unterſchied zwiſchen Mord und Todtſchlag ganz einfach auf dem Daſein oder Mangel beſonnener ruhiger Ueberlegung. Derjenige, welcher zu überlegten Zwecken, mit vorbereiteten oder zweck- mäßig gewählten Mitteln tödtet, wer den Tod herbeiführen will, nach- dem er Erfolg, Zweck, Mittel, Gelegenheit und die Umſtände der That erwogen hat, iſt ein Mörder; wer ohne Ueberlegung tödtet, iſt Todt- ſchläger. Dieſen Unterſchied haben die §§. 298. und 299. im Ganzen richtig ausgedrückt, doch ſind auch hier einige Modifikationen anzura- then. In der Definition des §. 298. „wer mit überlegtem Vorſatze einen Menſchen tödtet, begeht einen Mord“ — ſind verſchiedenartige Fälle enthalten, welche klarer unterſchieden werden müſſen, um die Anwendung vor Mißgriffen zu ſichern und den Richter vor Zweifeln zu ſchützen. Es kann ſich nämlich jener Zuſtand ruhiger Ueberlegung, jener erwogene Vorſatz auf zweierlei Weiſe kund geben. Erſtlich können uns die Umſtände der That, die Art der Ausführung überzeugen, daß die That nothwendig als das Produkt beſonnener Ueberlegung hervor- gegangen ſein müſſe. Dieſes iſt anzunehmen, wenn jemand im Schlafe erdroſſelt, wenn Gift gemiſcht und eingegeben wird, oder wenn bei der Tödtung ausgeſuchte Qualen angewendet werden. Zweitens kann es geſchehen, daß zwar die Art der Ausführung hierüber kein Licht gewährt, indem dieſelbe ebenſo bei einer Tödtung im Affekt (ohne Ueberlegung) hätte ſtatt finden können, z. B. bei einem einfachen Schuß oder Stich; es erhellt aber außerdem, daß früherhin eine ruhige Ueberlegung ſtatt gefunden hat, als deren Produkt die gegenwärtige That erſcheint, wie z. B. längere Vorbereitungen, Drohungen u. ſ. w. dieſes Reſultat ergeben können. Hierbei verſteht es ſich nun von ſelbſt, daß die frühere Ueberlegung, der frühere mörderiſche Vorſatz im Kauſal-Zuſammenhange
h)Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 14. April 1841.
i)Reviſion von 1845. II. S. 113. 114.
Beſeler Kommentar. 23
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§. 175. Der Mord.
wurfe von 1843. §. 298. findet. h) Das Miniſterium für die Geſetz-
Reviſion hielt aber auch dieſe Bezeichnung nicht für die richtige. Es
finden ſich darüber folgende Bemerkungen: i)
„Was den Begriff des Mordes anlangt, ſo muß es gegen Abegg
mit Zachariä für einen Fortſchritt angeſehen werden, daß ſtatt des
Ausdrucks Vorbedacht, der Ausdruck: überlegter Vorſatz gebraucht
worden iſt. Es iſt dadurch der Irrthum beſeitigt, als ſei es noth-
wendig, daß die Ueberlegung der Ausführung eine längere Zeit voran
gehe, während ſie auch gleichzeitig mit derſelben ſich offenbaren kann.
Nach den Grundſätzen des Germaniſchen und des Preußiſchen Rechts
beruht nämlich der Unterſchied zwiſchen Mord und Todtſchlag ganz
einfach auf dem Daſein oder Mangel beſonnener ruhiger Ueberlegung.
Derjenige, welcher zu überlegten Zwecken, mit vorbereiteten oder zweck-
mäßig gewählten Mitteln tödtet, wer den Tod herbeiführen will, nach-
dem er Erfolg, Zweck, Mittel, Gelegenheit und die Umſtände der That
erwogen hat, iſt ein Mörder; wer ohne Ueberlegung tödtet, iſt Todt-
ſchläger. Dieſen Unterſchied haben die §§. 298. und 299. im Ganzen
richtig ausgedrückt, doch ſind auch hier einige Modifikationen anzura-
then. In der Definition des §. 298. „wer mit überlegtem Vorſatze
einen Menſchen tödtet, begeht einen Mord“ — ſind verſchiedenartige
Fälle enthalten, welche klarer unterſchieden werden müſſen, um die
Anwendung vor Mißgriffen zu ſichern und den Richter vor Zweifeln
zu ſchützen. Es kann ſich nämlich jener Zuſtand ruhiger Ueberlegung,
jener erwogene Vorſatz auf zweierlei Weiſe kund geben. Erſtlich können
uns die Umſtände der That, die Art der Ausführung überzeugen, daß
die That nothwendig als das Produkt beſonnener Ueberlegung hervor-
gegangen ſein müſſe. Dieſes iſt anzunehmen, wenn jemand im Schlafe
erdroſſelt, wenn Gift gemiſcht und eingegeben wird, oder wenn bei der
Tödtung ausgeſuchte Qualen angewendet werden. Zweitens kann es
geſchehen, daß zwar die Art der Ausführung hierüber kein Licht gewährt,
indem dieſelbe ebenſo bei einer Tödtung im Affekt (ohne Ueberlegung)
hätte ſtatt finden können, z. B. bei einem einfachen Schuß oder Stich;
es erhellt aber außerdem, daß früherhin eine ruhige Ueberlegung ſtatt
gefunden hat, als deren Produkt die gegenwärtige That erſcheint, wie
z. B. längere Vorbereitungen, Drohungen u. ſ. w. dieſes Reſultat
ergeben können. Hierbei verſteht es ſich nun von ſelbſt, daß die frühere
Ueberlegung, der frühere mörderiſche Vorſatz im Kauſal-Zuſammenhange
h) Protokolle des Staatsraths, Sitzung vom 14. April 1841.
i) Reviſion von 1845. II. S. 113. 114.
Beſeler Kommentar. 23
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/355>, abgerufen am 21.11.2024.
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