Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen. nachgewiesen worden, u) , diese Lehre in sehr mangelhafter Weise abge-handelt. Es hat nämlich die Zumessungsgründe im engern Sinne, welche sich innerhalb des von dem Gesetze aufgestellten Strafmaaßes bewegen, von den s. g. Milderungs- und Schärfungsgründen, welche ein Ueberschreiten dieser Grenzen durch Verminderung oder Er- höhung der gesetzlichen Strafe zulassen, nicht gehörig unterschieden, wo- durch eine Verwirrung und Unklarheit in den gesetzlichen Vorschriften herbeigeführt worden, welche für die Rechtsanwendung von den nach- theiligsten Folgen gewesen ist. Namentlich erscheint es zweifelhaft, ob die in den §. 18. 22. 51. 52. 62. des Tit. 20. Th. II. enthaltenen Bestimmungen zu den Gründen der ersten oder der zweiten Kategorie zu rechnen sind. Der erste Revisor beseitigte nun durch die Theilung des Stoffes diesen Mangel einer genauen Begriffsbestimmung, und schlug dann unter Zugrundelegung von §. 18. 23-25. des Tit. 20. Th. II. des Allg. Landrechts eine Reihe allgemeiner Strafzumessungs- gründe vor, welche aber in der Gesetz-Revisions-Kommission verworfen wurden, so daß der Entwurf von 1830 ohne solche Zumessungs- gründe ist. Der Entwurf von 1833. (§. 95-98.) hat dieselben aber wieder aufgenommen, und der von 1836. (§. 101. und 104.) die Zahl noch um einige vermehrt. In der Staatsraths-Kommission machten sich über die Zweckmäßigkeit solcher Bestimmungen verschiedene Ansichten gel- tend. v) Von der einen Seite wurde bemerkt, es verstehe sich von selbst, daß das Ermessen des Richters innerhalb der gesetzlichen Grenzen durch die besondern Umstände der That geleitet werden müsse. Welche Um- stände aber hierbei in Betracht kämen, darüber müsse die Doktrin, der gesunde Menschenverstand und das Leben den Richter be- lehren. -- Darauf wurde erwiedert, eine analytische Entwickelung der Bestimmungen über Zumessung, Milderung und Schärfung der Strafe lasse sich nicht vermeiden, wenn nicht nur dem Richter dieser Unterschied angedeutet, sondern auch der nothwendige Satz ausgedrückt werden solle, daß die Anwendung der Strafgrade nicht bloß auf richterlicher Willkühr beruhe. Ueberdieß gehe die Theorie bei den Gesichtspunkten der Zumes- sung von höchst verschiedenen Ansichten aus, die sich auf die Straf- rechts-Entwicklung gründen, indem der eine Rechtslehrer bloß die Größe des Schadens, der andere bloß die Gefährlichkeit der Handlung berück- sichtigen wolle. Das Gesetz müsse also dem Richter andeuten, wonach er zumessen solle, und die gänzliche Fortlassung der Vorschriften über u) Motive von dem von dem Revisor vorgelegten Ersten Entwurf des Kriminal-Gesetzbuchs für die Preußischen Staaten. Band I. (Berlin, 1827.) S. 192 ff. v) Berathungs-Protokolle. I. Theil. (Berlin, 1839.) S. 126 ff.
Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen. nachgewieſen worden, u) , dieſe Lehre in ſehr mangelhafter Weiſe abge-handelt. Es hat nämlich die Zumeſſungsgründe im engern Sinne, welche ſich innerhalb des von dem Geſetze aufgeſtellten Strafmaaßes bewegen, von den ſ. g. Milderungs- und Schärfungsgründen, welche ein Ueberſchreiten dieſer Grenzen durch Verminderung oder Er- höhung der geſetzlichen Strafe zulaſſen, nicht gehörig unterſchieden, wo- durch eine Verwirrung und Unklarheit in den geſetzlichen Vorſchriften herbeigeführt worden, welche für die Rechtsanwendung von den nach- theiligſten Folgen geweſen iſt. Namentlich erſcheint es zweifelhaft, ob die in den §. 18. 22. 51. 52. 62. des Tit. 20. Th. II. enthaltenen Beſtimmungen zu den Gründen der erſten oder der zweiten Kategorie zu rechnen ſind. Der erſte Reviſor beſeitigte nun durch die Theilung des Stoffes dieſen Mangel einer genauen Begriffsbeſtimmung, und ſchlug dann unter Zugrundelegung von §. 18. 23-25. des Tit. 20. Th. II. des Allg. Landrechts eine Reihe allgemeiner Strafzumeſſungs- gründe vor, welche aber in der Geſetz-Reviſions-Kommiſſion verworfen wurden, ſo daß der Entwurf von 1830 ohne ſolche Zumeſſungs- gründe iſt. Der Entwurf von 1833. (§. 95-98.) hat dieſelben aber wieder aufgenommen, und der von 1836. (§. 101. und 104.) die Zahl noch um einige vermehrt. In der Staatsraths-Kommiſſion machten ſich über die Zweckmäßigkeit ſolcher Beſtimmungen verſchiedene Anſichten gel- tend. v) Von der einen Seite wurde bemerkt, es verſtehe ſich von ſelbſt, daß das Ermeſſen des Richters innerhalb der geſetzlichen Grenzen durch die beſondern Umſtände der That geleitet werden müſſe. Welche Um- ſtände aber hierbei in Betracht kämen, darüber müſſe die Doktrin, der geſunde Menſchenverſtand und das Leben den Richter be- lehren. — Darauf wurde erwiedert, eine analytiſche Entwickelung der Beſtimmungen über Zumeſſung, Milderung und Schärfung der Strafe laſſe ſich nicht vermeiden, wenn nicht nur dem Richter dieſer Unterſchied angedeutet, ſondern auch der nothwendige Satz ausgedrückt werden ſolle, daß die Anwendung der Strafgrade nicht bloß auf richterlicher Willkühr beruhe. Ueberdieß gehe die Theorie bei den Geſichtspunkten der Zumeſ- ſung von höchſt verſchiedenen Anſichten aus, die ſich auf die Straf- rechts-Entwicklung gründen, indem der eine Rechtslehrer bloß die Größe des Schadens, der andere bloß die Gefährlichkeit der Handlung berück- ſichtigen wolle. Das Geſetz müſſe alſo dem Richter andeuten, wonach er zumeſſen ſolle, und die gänzliche Fortlaſſung der Vorſchriften über u) Motive von dem von dem Reviſor vorgelegten Erſten Entwurf des Kriminal-Geſetzbuchs für die Preußiſchen Staaten. Band I. (Berlin, 1827.) S. 192 ff. v) Berathungs-Protokolle. I. Theil. (Berlin, 1839.) S. 126 ff.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0036" n="26"/><fw place="top" type="header">Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen.</fw><lb/> nachgewieſen worden, <note place="foot" n="u)"><hi rendition="#g">Motive von dem von dem Reviſor vorgelegten Erſten Entwurf<lb/> des Kriminal-Geſetzbuchs für die Preußiſchen Staaten</hi>. Band I. (Berlin,<lb/> 1827.) S. 192 ff.</note> , dieſe Lehre in ſehr mangelhafter Weiſe abge-<lb/> handelt. Es hat nämlich die <hi rendition="#g">Zumeſſungsgründe</hi> im engern Sinne,<lb/> welche ſich innerhalb des von dem Geſetze aufgeſtellten Strafmaaßes<lb/> bewegen, von den ſ. g. <hi rendition="#g">Milderungs- und Schärfungsgründen</hi>,<lb/> welche ein Ueberſchreiten dieſer Grenzen durch Verminderung oder Er-<lb/> höhung der geſetzlichen Strafe zulaſſen, nicht gehörig unterſchieden, wo-<lb/> durch eine Verwirrung und Unklarheit in den geſetzlichen Vorſchriften<lb/> herbeigeführt worden, welche für die Rechtsanwendung von den nach-<lb/> theiligſten Folgen geweſen iſt. Namentlich erſcheint es zweifelhaft, ob<lb/> die in den §. 18. 22. 51. 52. 62. des Tit. 20. Th. II. enthaltenen<lb/> Beſtimmungen zu den Gründen der erſten oder der zweiten Kategorie<lb/> zu rechnen ſind. Der erſte Reviſor beſeitigte nun durch die Theilung<lb/> des Stoffes dieſen Mangel einer genauen Begriffsbeſtimmung, und<lb/> ſchlug dann unter Zugrundelegung von §. 18. 23-25. des Tit. 20.<lb/> Th. II. des Allg. Landrechts eine Reihe allgemeiner Strafzumeſſungs-<lb/> gründe vor, welche aber in der Geſetz-Reviſions-Kommiſſion verworfen<lb/> wurden, ſo daß der <hi rendition="#g">Entwurf von</hi> 1830 ohne ſolche Zumeſſungs-<lb/> gründe iſt. Der Entwurf von 1833. (§. 95-98.) hat dieſelben aber<lb/> wieder aufgenommen, und der von 1836. (§. 101. und 104.) die Zahl<lb/> noch um einige vermehrt. In der Staatsraths-Kommiſſion machten ſich<lb/> über die Zweckmäßigkeit ſolcher Beſtimmungen verſchiedene Anſichten gel-<lb/> tend. <note place="foot" n="v)"><hi rendition="#g">Berathungs-Protokolle</hi>. I. Theil. (Berlin, 1839.) S. 126 ff.</note> Von der einen Seite wurde bemerkt, es verſtehe ſich von ſelbſt,<lb/> daß das Ermeſſen des Richters innerhalb der geſetzlichen Grenzen durch<lb/> die beſondern Umſtände der That geleitet werden müſſe. Welche Um-<lb/> ſtände aber hierbei in Betracht kämen, <hi rendition="#g">darüber müſſe die Doktrin,<lb/> der geſunde Menſchenverſtand und das Leben den Richter be-<lb/> lehren</hi>. — Darauf wurde erwiedert, eine analytiſche Entwickelung der<lb/> Beſtimmungen über Zumeſſung, Milderung und Schärfung der Strafe<lb/> laſſe ſich nicht vermeiden, wenn nicht nur dem Richter dieſer Unterſchied<lb/> angedeutet, ſondern auch der nothwendige Satz ausgedrückt werden ſolle,<lb/> daß die Anwendung der Strafgrade nicht bloß auf richterlicher Willkühr<lb/> beruhe. Ueberdieß gehe die Theorie bei den Geſichtspunkten der Zumeſ-<lb/> ſung von höchſt verſchiedenen Anſichten aus, die ſich auf die Straf-<lb/> rechts-Entwicklung gründen, indem der eine Rechtslehrer bloß die Größe<lb/> des Schadens, der andere bloß die Gefährlichkeit der Handlung berück-<lb/> ſichtigen wolle. Das Geſetz müſſe alſo dem Richter andeuten, wonach<lb/> er zumeſſen ſolle, und die gänzliche Fortlaſſung der Vorſchriften über<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [26/0036]
Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen.
nachgewieſen worden, u) , dieſe Lehre in ſehr mangelhafter Weiſe abge-
handelt. Es hat nämlich die Zumeſſungsgründe im engern Sinne,
welche ſich innerhalb des von dem Geſetze aufgeſtellten Strafmaaßes
bewegen, von den ſ. g. Milderungs- und Schärfungsgründen,
welche ein Ueberſchreiten dieſer Grenzen durch Verminderung oder Er-
höhung der geſetzlichen Strafe zulaſſen, nicht gehörig unterſchieden, wo-
durch eine Verwirrung und Unklarheit in den geſetzlichen Vorſchriften
herbeigeführt worden, welche für die Rechtsanwendung von den nach-
theiligſten Folgen geweſen iſt. Namentlich erſcheint es zweifelhaft, ob
die in den §. 18. 22. 51. 52. 62. des Tit. 20. Th. II. enthaltenen
Beſtimmungen zu den Gründen der erſten oder der zweiten Kategorie
zu rechnen ſind. Der erſte Reviſor beſeitigte nun durch die Theilung
des Stoffes dieſen Mangel einer genauen Begriffsbeſtimmung, und
ſchlug dann unter Zugrundelegung von §. 18. 23-25. des Tit. 20.
Th. II. des Allg. Landrechts eine Reihe allgemeiner Strafzumeſſungs-
gründe vor, welche aber in der Geſetz-Reviſions-Kommiſſion verworfen
wurden, ſo daß der Entwurf von 1830 ohne ſolche Zumeſſungs-
gründe iſt. Der Entwurf von 1833. (§. 95-98.) hat dieſelben aber
wieder aufgenommen, und der von 1836. (§. 101. und 104.) die Zahl
noch um einige vermehrt. In der Staatsraths-Kommiſſion machten ſich
über die Zweckmäßigkeit ſolcher Beſtimmungen verſchiedene Anſichten gel-
tend. v) Von der einen Seite wurde bemerkt, es verſtehe ſich von ſelbſt,
daß das Ermeſſen des Richters innerhalb der geſetzlichen Grenzen durch
die beſondern Umſtände der That geleitet werden müſſe. Welche Um-
ſtände aber hierbei in Betracht kämen, darüber müſſe die Doktrin,
der geſunde Menſchenverſtand und das Leben den Richter be-
lehren. — Darauf wurde erwiedert, eine analytiſche Entwickelung der
Beſtimmungen über Zumeſſung, Milderung und Schärfung der Strafe
laſſe ſich nicht vermeiden, wenn nicht nur dem Richter dieſer Unterſchied
angedeutet, ſondern auch der nothwendige Satz ausgedrückt werden ſolle,
daß die Anwendung der Strafgrade nicht bloß auf richterlicher Willkühr
beruhe. Ueberdieß gehe die Theorie bei den Geſichtspunkten der Zumeſ-
ſung von höchſt verſchiedenen Anſichten aus, die ſich auf die Straf-
rechts-Entwicklung gründen, indem der eine Rechtslehrer bloß die Größe
des Schadens, der andere bloß die Gefährlichkeit der Handlung berück-
ſichtigen wolle. Das Geſetz müſſe alſo dem Richter andeuten, wonach
er zumeſſen ſolle, und die gänzliche Fortlaſſung der Vorſchriften über
u) Motive von dem von dem Reviſor vorgelegten Erſten Entwurf
des Kriminal-Geſetzbuchs für die Preußiſchen Staaten. Band I. (Berlin,
1827.) S. 192 ff.
v) Berathungs-Protokolle. I. Theil. (Berlin, 1839.) S. 126 ff.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |