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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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§. VI. Das richterliche Ermessen.
Zumessung sei daher nicht zulässig. Der Deutlichkeit wegen sei es denn
gut, es nicht bei der Angabe des Grundsatzes bewenden zu lassen, son-
dern denselben auch näher zu entwickeln.

Diese letztere Ansicht siegte in der Kommission, und daraus gingen
für den Entwurf von 1843 folgende Vorschriften hervor:

§. 106. "Wenn die im Gesetz auf ein Verbrechen angedrohte
Strafe verschiedene Grade hat, oder dem Richter die Wahl zwischen
mehreren Strafarten überlassen ist, so hat derselbe den Strafgrad oder
die Strafart nach den Umständen zu bestimmen, durch welche sich die
Strafbarkeit des Verbrechers erhöhet oder vermindert."

§. 107. "Die Strafbarkeit des Verbrechers erhöhet oder vermin-
dert sich hauptsächlich, je nachdem:

1) durch seine That mehr oder weniger Rechte verletzt wurden;
2) die Verletzung einen höhern oder niedern Grad erreicht hatte;
3) die That unter Umständen begangen wurde, wodurch die öffent-
liche Sicherheit, Ruhe und Ordnung mehr oder weniger gefähr-
det war;
4) die That an befriedeten Orten, insbesondere in Kirchen oder lan-
desherrlichen Schlössern verübt wurde;
5) zur Begehung des Verbrechens die Religion oder religiöse und
kirchliche Gebräuche vorgeschützt oder gemißbraucht worden sind;
6) mehr oder weniger Pflichten für den Verbrecher vorhanden wa-
ren, die That zu unterlassen;
7) der Verbrecher mehr oder weniger fähig war, diese Pflichten
oder die Strafwürdigkeit seiner Handlung zu erkennen;
8) der äußere Anreiz zum Verbrechen für ihn mehr oder minder
groß war;
9) er aus mehr oder minder bösartigem Antriebe die Handlung
beging;
10) derselbe mit mehr oder weniger Ueberlegung zur Ausführung der
That schritt; oder
11) größere oder geringere Hindernisse dabei überwand;
12) der Verbrecher durch seinen bisherigen Lebenswandel einen höhern
oder geringern Grad von Verderbtheit und Neigung zu Verbre-
chen zu erkennen gegeben hat, oder schon früher wegen Verbre-
chen verurtheilt ist, oder nicht;
13) er das Verbrechen in der Untersuchung geläugnet oder dasselbe
eingestanden hat; insbesondere ist zu berücksichtigen, wenn das
Geständniß vor der Ueberführung freiwillig abgelegt worden ist."

§. 108. "Bezeichnet das Gesetz bei einem Verbrechen Umstände,
welche die Strafbarkeit erhöhen oder vermindern, so ist auf diese zunächst
Rücksicht zu nehmen."


§. VI. Das richterliche Ermeſſen.
Zumeſſung ſei daher nicht zuläſſig. Der Deutlichkeit wegen ſei es denn
gut, es nicht bei der Angabe des Grundſatzes bewenden zu laſſen, ſon-
dern denſelben auch näher zu entwickeln.

Dieſe letztere Anſicht ſiegte in der Kommiſſion, und daraus gingen
für den Entwurf von 1843 folgende Vorſchriften hervor:

§. 106. „Wenn die im Geſetz auf ein Verbrechen angedrohte
Strafe verſchiedene Grade hat, oder dem Richter die Wahl zwiſchen
mehreren Strafarten überlaſſen iſt, ſo hat derſelbe den Strafgrad oder
die Strafart nach den Umſtänden zu beſtimmen, durch welche ſich die
Strafbarkeit des Verbrechers erhöhet oder vermindert.“

§. 107. „Die Strafbarkeit des Verbrechers erhöhet oder vermin-
dert ſich hauptſächlich, je nachdem:

1) durch ſeine That mehr oder weniger Rechte verletzt wurden;
2) die Verletzung einen höhern oder niedern Grad erreicht hatte;
3) die That unter Umſtänden begangen wurde, wodurch die öffent-
liche Sicherheit, Ruhe und Ordnung mehr oder weniger gefähr-
det war;
4) die That an befriedeten Orten, insbeſondere in Kirchen oder lan-
desherrlichen Schlöſſern verübt wurde;
5) zur Begehung des Verbrechens die Religion oder religiöſe und
kirchliche Gebräuche vorgeſchützt oder gemißbraucht worden ſind;
6) mehr oder weniger Pflichten für den Verbrecher vorhanden wa-
ren, die That zu unterlaſſen;
7) der Verbrecher mehr oder weniger fähig war, dieſe Pflichten
oder die Strafwürdigkeit ſeiner Handlung zu erkennen;
8) der äußere Anreiz zum Verbrechen für ihn mehr oder minder
groß war;
9) er aus mehr oder minder bösartigem Antriebe die Handlung
beging;
10) derſelbe mit mehr oder weniger Ueberlegung zur Ausführung der
That ſchritt; oder
11) größere oder geringere Hinderniſſe dabei überwand;
12) der Verbrecher durch ſeinen bisherigen Lebenswandel einen höhern
oder geringern Grad von Verderbtheit und Neigung zu Verbre-
chen zu erkennen gegeben hat, oder ſchon früher wegen Verbre-
chen verurtheilt iſt, oder nicht;
13) er das Verbrechen in der Unterſuchung geläugnet oder daſſelbe
eingeſtanden hat; insbeſondere iſt zu berückſichtigen, wenn das
Geſtändniß vor der Ueberführung freiwillig abgelegt worden iſt.“

§. 108. „Bezeichnet das Geſetz bei einem Verbrechen Umſtände,
welche die Strafbarkeit erhöhen oder vermindern, ſo iſt auf dieſe zunächſt
Rückſicht zu nehmen.“


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[27/0037] §. VI. Das richterliche Ermeſſen. Zumeſſung ſei daher nicht zuläſſig. Der Deutlichkeit wegen ſei es denn gut, es nicht bei der Angabe des Grundſatzes bewenden zu laſſen, ſon- dern denſelben auch näher zu entwickeln. Dieſe letztere Anſicht ſiegte in der Kommiſſion, und daraus gingen für den Entwurf von 1843 folgende Vorſchriften hervor: §. 106. „Wenn die im Geſetz auf ein Verbrechen angedrohte Strafe verſchiedene Grade hat, oder dem Richter die Wahl zwiſchen mehreren Strafarten überlaſſen iſt, ſo hat derſelbe den Strafgrad oder die Strafart nach den Umſtänden zu beſtimmen, durch welche ſich die Strafbarkeit des Verbrechers erhöhet oder vermindert.“ §. 107. „Die Strafbarkeit des Verbrechers erhöhet oder vermin- dert ſich hauptſächlich, je nachdem: 1) durch ſeine That mehr oder weniger Rechte verletzt wurden; 2) die Verletzung einen höhern oder niedern Grad erreicht hatte; 3) die That unter Umſtänden begangen wurde, wodurch die öffent- liche Sicherheit, Ruhe und Ordnung mehr oder weniger gefähr- det war; 4) die That an befriedeten Orten, insbeſondere in Kirchen oder lan- desherrlichen Schlöſſern verübt wurde; 5) zur Begehung des Verbrechens die Religion oder religiöſe und kirchliche Gebräuche vorgeſchützt oder gemißbraucht worden ſind; 6) mehr oder weniger Pflichten für den Verbrecher vorhanden wa- ren, die That zu unterlaſſen; 7) der Verbrecher mehr oder weniger fähig war, dieſe Pflichten oder die Strafwürdigkeit ſeiner Handlung zu erkennen; 8) der äußere Anreiz zum Verbrechen für ihn mehr oder minder groß war; 9) er aus mehr oder minder bösartigem Antriebe die Handlung beging; 10) derſelbe mit mehr oder weniger Ueberlegung zur Ausführung der That ſchritt; oder 11) größere oder geringere Hinderniſſe dabei überwand; 12) der Verbrecher durch ſeinen bisherigen Lebenswandel einen höhern oder geringern Grad von Verderbtheit und Neigung zu Verbre- chen zu erkennen gegeben hat, oder ſchon früher wegen Verbre- chen verurtheilt iſt, oder nicht; 13) er das Verbrechen in der Unterſuchung geläugnet oder daſſelbe eingeſtanden hat; insbeſondere iſt zu berückſichtigen, wenn das Geſtändniß vor der Ueberführung freiwillig abgelegt worden iſt.“ §. 108. „Bezeichnet das Geſetz bei einem Verbrechen Umſtände, welche die Strafbarkeit erhöhen oder vermindern, ſo iſt auf dieſe zunächſt Rückſicht zu nehmen.“

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/37>, abgerufen am 21.11.2024.