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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XV. Verbr. u. Verg. wider d. Leben.

Lag die Absicht zu tödten nicht vor, so tritt

1) wenn der Ausgesetzte um das Leben gekommen ist, zehnjäh-
rige bis lebenswierige,

2) wenn der Ausgesetzte an der Gesundheit beschädigt worden ist,
fünf- bis zehnjährige, und

3) wenn derselbe keinen Schaden erlitten hat, zwei- bis fünf-
jährige Strafarbeit oder Zuchthausstrafe
ein."

§. 318. "Geschah die Aussetzung an einem solchen Ort oder un-
ter solchen Umständen, daß zwar Gefahr für das Leben oder die Ge-
sundheit des Ausgesetzten vorhanden war, die baldige Rettung desselben
aber von dem Thäter mit Wahrscheinlichkeit gehofft werden konnte, so
ist im Fall des §. 317. Nr. 1. auf Zuchthaus oder Strafarbeit von
fünf bis zehn Jahren, im Falle von Nr. 2. auf Strafarbeit von zwei
bis fünf Jahren, und im Fall von Nr. 3. auf Strafbarkeit von sechs
Monaten bis zu drei Jahren zu erkennen."

§. 319. "Geschah die Aussetzung an einem solchen Ort und un-
ter solchen Umständen, daß keine Gefahr für das Leben oder die Ge-
sundheit des Ausgesetzten zu fürchten war, so tritt Gefängnißstrafe nicht
unter zwei Monaten, und wenn wider Erwarten der Ausgesetzte den-
noch dadurch beschädigt oder um das Leben gekommen ist, Gefängniß-
strafe nicht unter vier Monaten oder Strafarbeit bis zu drei Jah-
ren ein."

§. 320. "Die vorstehenden Bestimmungen (§§. 317-19.) kom-
men auch dann zur Anwendung, wenn derjenige, welchem eine hülflose
Person zur Fürsorge anvertraut ist, sich von derselben entfernt und sie
in einem hülflosen Zustande verläßt."

Mit Recht wurde diese kasuistische Fassung des Gesetzes später ver-
lassen, y) aber die verschiedenen, in den angeführten Paragraphen auf-
gestellten Fälle der Verschuldung sind unter den Strafbestimmungen des
Gesetzbuchs noch begriffen.

III. Die regelmäßige Strafe ist Gefängniß von drei Monaten bis
fünf Jahren, welche nur dann bis zur Zuchthausstrafe gesteigert wird,
wenn der Tod der ausgesetzten oder verlassenen Person eingetreten ist
(§. 183. Abs. 2.). Ist aber die Handlung mit dem Vorsatze zu tödten
verübt worden, so daß die Aussetzung oder das Verlassen nur als ein
Mittel zu diesem Zweck sich darstellt, so kommen die allgemeinen Regeln
über den Mord und beziehungsweise den Kindesmord zur Anwendung
(§. 183. Abs. 3.). Nachtheilige Folgen für die Gesundheit der aus-

y) Revision a. a. O. S. 130-32.
Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XV. Verbr. u. Verg. wider d. Leben.

Lag die Abſicht zu tödten nicht vor, ſo tritt

1) wenn der Ausgeſetzte um das Leben gekommen iſt, zehnjäh-
rige bis lebenswierige,

2) wenn der Ausgeſetzte an der Geſundheit beſchädigt worden iſt,
fünf- bis zehnjährige, und

3) wenn derſelbe keinen Schaden erlitten hat, zwei- bis fünf-
jährige Strafarbeit oder Zuchthausſtrafe
ein.“

§. 318. „Geſchah die Ausſetzung an einem ſolchen Ort oder un-
ter ſolchen Umſtänden, daß zwar Gefahr für das Leben oder die Ge-
ſundheit des Ausgeſetzten vorhanden war, die baldige Rettung deſſelben
aber von dem Thäter mit Wahrſcheinlichkeit gehofft werden konnte, ſo
iſt im Fall des §. 317. Nr. 1. auf Zuchthaus oder Strafarbeit von
fünf bis zehn Jahren, im Falle von Nr. 2. auf Strafarbeit von zwei
bis fünf Jahren, und im Fall von Nr. 3. auf Strafbarkeit von ſechs
Monaten bis zu drei Jahren zu erkennen.“

§. 319. „Geſchah die Ausſetzung an einem ſolchen Ort und un-
ter ſolchen Umſtänden, daß keine Gefahr für das Leben oder die Ge-
ſundheit des Ausgeſetzten zu fürchten war, ſo tritt Gefängnißſtrafe nicht
unter zwei Monaten, und wenn wider Erwarten der Ausgeſetzte den-
noch dadurch beſchädigt oder um das Leben gekommen iſt, Gefängniß-
ſtrafe nicht unter vier Monaten oder Strafarbeit bis zu drei Jah-
ren ein.“

§. 320. „Die vorſtehenden Beſtimmungen (§§. 317-19.) kom-
men auch dann zur Anwendung, wenn derjenige, welchem eine hülfloſe
Perſon zur Fürſorge anvertraut iſt, ſich von derſelben entfernt und ſie
in einem hülfloſen Zuſtande verläßt.“

Mit Recht wurde dieſe kaſuiſtiſche Faſſung des Geſetzes ſpäter ver-
laſſen, y) aber die verſchiedenen, in den angeführten Paragraphen auf-
geſtellten Fälle der Verſchuldung ſind unter den Strafbeſtimmungen des
Geſetzbuchs noch begriffen.

III. Die regelmäßige Strafe iſt Gefängniß von drei Monaten bis
fünf Jahren, welche nur dann bis zur Zuchthausſtrafe geſteigert wird,
wenn der Tod der ausgeſetzten oder verlaſſenen Perſon eingetreten iſt
(§. 183. Abſ. 2.). Iſt aber die Handlung mit dem Vorſatze zu tödten
verübt worden, ſo daß die Ausſetzung oder das Verlaſſen nur als ein
Mittel zu dieſem Zweck ſich darſtellt, ſo kommen die allgemeinen Regeln
über den Mord und beziehungsweiſe den Kindesmord zur Anwendung
(§. 183. Abſ. 3.). Nachtheilige Folgen für die Geſundheit der aus-

y) Reviſion a. a. O. S. 130-32.
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[362/0372] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XV. Verbr. u. Verg. wider d. Leben. Lag die Abſicht zu tödten nicht vor, ſo tritt 1) wenn der Ausgeſetzte um das Leben gekommen iſt, zehnjäh- rige bis lebenswierige, 2) wenn der Ausgeſetzte an der Geſundheit beſchädigt worden iſt, fünf- bis zehnjährige, und 3) wenn derſelbe keinen Schaden erlitten hat, zwei- bis fünf- jährige Strafarbeit oder Zuchthausſtrafe ein.“ §. 318. „Geſchah die Ausſetzung an einem ſolchen Ort oder un- ter ſolchen Umſtänden, daß zwar Gefahr für das Leben oder die Ge- ſundheit des Ausgeſetzten vorhanden war, die baldige Rettung deſſelben aber von dem Thäter mit Wahrſcheinlichkeit gehofft werden konnte, ſo iſt im Fall des §. 317. Nr. 1. auf Zuchthaus oder Strafarbeit von fünf bis zehn Jahren, im Falle von Nr. 2. auf Strafarbeit von zwei bis fünf Jahren, und im Fall von Nr. 3. auf Strafbarkeit von ſechs Monaten bis zu drei Jahren zu erkennen.“ §. 319. „Geſchah die Ausſetzung an einem ſolchen Ort und un- ter ſolchen Umſtänden, daß keine Gefahr für das Leben oder die Ge- ſundheit des Ausgeſetzten zu fürchten war, ſo tritt Gefängnißſtrafe nicht unter zwei Monaten, und wenn wider Erwarten der Ausgeſetzte den- noch dadurch beſchädigt oder um das Leben gekommen iſt, Gefängniß- ſtrafe nicht unter vier Monaten oder Strafarbeit bis zu drei Jah- ren ein.“ §. 320. „Die vorſtehenden Beſtimmungen (§§. 317-19.) kom- men auch dann zur Anwendung, wenn derjenige, welchem eine hülfloſe Perſon zur Fürſorge anvertraut iſt, ſich von derſelben entfernt und ſie in einem hülfloſen Zuſtande verläßt.“ Mit Recht wurde dieſe kaſuiſtiſche Faſſung des Geſetzes ſpäter ver- laſſen, y) aber die verſchiedenen, in den angeführten Paragraphen auf- geſtellten Fälle der Verſchuldung ſind unter den Strafbeſtimmungen des Geſetzbuchs noch begriffen. III. Die regelmäßige Strafe iſt Gefängniß von drei Monaten bis fünf Jahren, welche nur dann bis zur Zuchthausſtrafe geſteigert wird, wenn der Tod der ausgeſetzten oder verlaſſenen Perſon eingetreten iſt (§. 183. Abſ. 2.). Iſt aber die Handlung mit dem Vorſatze zu tödten verübt worden, ſo daß die Ausſetzung oder das Verlaſſen nur als ein Mittel zu dieſem Zweck ſich darſtellt, ſo kommen die allgemeinen Regeln über den Mord und beziehungsweiſe den Kindesmord zur Anwendung (§. 183. Abſ. 3.). Nachtheilige Folgen für die Geſundheit der aus- y) Reviſion a. a. O. S. 130-32.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/372>, abgerufen am 22.11.2024.