gesetzten oder verlassenen Person sind nur als Strafzumessungsgründe zu berücksichtigen.
§. 184.
Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen herbeiführt, wird mit Gefängniß von zwei Monaten bis zu zwei Jahren bestraft.
Wenn der Thäter zu der Aufmerksamkeit oder Vorsicht, welche er bei der fahrlässigen Tödtung aus den Augen setzte, vermöge seines Amtes, Berufes oder Gewerbes besonders verpflichtet war, so kann derselbe zugleich auf eine bestimmte Zeit, welche die Dauer von fünf Jahren nicht übersteigen darf, oder für immer zu einem solchen Amte für unfähig oder der Befugniß zur selbstän- digen Betreibung seiner Kunst oder seines Gewerbes verlustig erklärt werden.
Es war bei Gelegenheit der Verhandlungen über die Bestrafung der fahrlässigen Tödtung, als das oben (S. 50-56.) abgedruckte Gut- achten des Justizministers v. Savigny erstattet wurde, in welchem sich umfassende Erörterungen über die Grade des Versehens finden, und der Standpunkt, welchen das Strafgesetzbuch in dieser Lehre eingenommen hat, festgestellt worden ist. Die dort vertretene Ansicht, daß nur das geringe Versehen, zu dessen Vermeidung eine besondere Aufmerksamkeit gehört, dem Thäter nicht anzurechnen ist, hat übrigens gerade in Beziehung auf die fahrlässige Tödtung schon in den früheren Stadien der Revision Anerkennung gefunden, z) und der Zweck des Gutachtens war es na- mentlich, von besonderen Bestimmungen über den Grad der strafbaren Fahrlässigkeit in dem Gesetzbuch abzuhalten. Daß die Zumessung der gesetzlichen Strafe von der größeren oder geringeren Verschuldung auch in diesem Falle hauptsächlich abhängt, versteht sich von selbst.
Eine besondere Rücksicht ist aber noch auf den Fall genommen, wenn der Thäter zu der Aufmerksamkeit oder Vorsicht, welche er bei der fahrlässigen Tödtung aus den Augen setzte, vermöge seines Amtes, Be- rufes oder Gewerbes besonders verpflichtet war. Einige allgemeine Be- stimmungen in Beziehung auf das Benehmen der Hebeammen, Bau- meister und Bauhandwerker so wie der Eisenbahnbeamten werden später noch zu erwähnen sein; a) hier handelt es sich zunächst nur um die Tödtung durch die Fahrlässigkeit der oben bezeichneten Personen. Das Allgemeine Landrecht bestimmte hierüber:
Th. II. Tit. 20. §. 779. "Ist die schwere Beschädigung eines Menschen durch grobe Vernachlässigung gewisser besonderer Amts- oder Berufspflichten veranlaßt worden, so soll der Uebertreter, noch außer
z)Motive zum ersten Entwurf. III. 2. S. 217-20. -- Verhandlun- gen der Staatsraths-Kommission von 1846. S. 116.
a) §§. 201. 202. 295. Vgl. oben S. 50.
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§. 184. Fahrläſſige Tödtung.
geſetzten oder verlaſſenen Perſon ſind nur als Strafzumeſſungsgründe zu berückſichtigen.
§. 184.
Wer durch Fahrläſſigkeit den Tod eines Menſchen herbeiführt, wird mit Gefängniß von zwei Monaten bis zu zwei Jahren beſtraft.
Wenn der Thäter zu der Aufmerkſamkeit oder Vorſicht, welche er bei der fahrläſſigen Tödtung aus den Augen ſetzte, vermöge ſeines Amtes, Berufes oder Gewerbes beſonders verpflichtet war, ſo kann derſelbe zugleich auf eine beſtimmte Zeit, welche die Dauer von fünf Jahren nicht überſteigen darf, oder für immer zu einem ſolchen Amte für unfähig oder der Befugniß zur ſelbſtän- digen Betreibung ſeiner Kunſt oder ſeines Gewerbes verluſtig erklärt werden.
Es war bei Gelegenheit der Verhandlungen über die Beſtrafung der fahrläſſigen Tödtung, als das oben (S. 50-56.) abgedruckte Gut- achten des Juſtizminiſters v. Savigny erſtattet wurde, in welchem ſich umfaſſende Erörterungen über die Grade des Verſehens finden, und der Standpunkt, welchen das Strafgeſetzbuch in dieſer Lehre eingenommen hat, feſtgeſtellt worden iſt. Die dort vertretene Anſicht, daß nur das geringe Verſehen, zu deſſen Vermeidung eine beſondere Aufmerkſamkeit gehört, dem Thäter nicht anzurechnen iſt, hat übrigens gerade in Beziehung auf die fahrläſſige Tödtung ſchon in den früheren Stadien der Reviſion Anerkennung gefunden, z) und der Zweck des Gutachtens war es na- mentlich, von beſonderen Beſtimmungen über den Grad der ſtrafbaren Fahrläſſigkeit in dem Geſetzbuch abzuhalten. Daß die Zumeſſung der geſetzlichen Strafe von der größeren oder geringeren Verſchuldung auch in dieſem Falle hauptſächlich abhängt, verſteht ſich von ſelbſt.
Eine beſondere Rückſicht iſt aber noch auf den Fall genommen, wenn der Thäter zu der Aufmerkſamkeit oder Vorſicht, welche er bei der fahrläſſigen Tödtung aus den Augen ſetzte, vermöge ſeines Amtes, Be- rufes oder Gewerbes beſonders verpflichtet war. Einige allgemeine Be- ſtimmungen in Beziehung auf das Benehmen der Hebeammen, Bau- meiſter und Bauhandwerker ſo wie der Eiſenbahnbeamten werden ſpäter noch zu erwähnen ſein; a) hier handelt es ſich zunächſt nur um die Tödtung durch die Fahrläſſigkeit der oben bezeichneten Perſonen. Das Allgemeine Landrecht beſtimmte hierüber:
Th. II. Tit. 20. §. 779. „Iſt die ſchwere Beſchädigung eines Menſchen durch grobe Vernachläſſigung gewiſſer beſonderer Amts- oder Berufspflichten veranlaßt worden, ſo ſoll der Uebertreter, noch außer
z)Motive zum erſten Entwurf. III. 2. S. 217-20. — Verhandlun- gen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 116.
a) §§. 201. 202. 295. Vgl. oben S. 50.
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geſetzten oder verlaſſenen Perſon ſind nur als Strafzumeſſungsgründe
zu berückſichtigen.
§. 184.
Wer durch Fahrläſſigkeit den Tod eines Menſchen herbeiführt, wird mit
Gefängniß von zwei Monaten bis zu zwei Jahren beſtraft.
Wenn der Thäter zu der Aufmerkſamkeit oder Vorſicht, welche er bei der
fahrläſſigen Tödtung aus den Augen ſetzte, vermöge ſeines Amtes, Berufes
oder Gewerbes beſonders verpflichtet war, ſo kann derſelbe zugleich auf eine
beſtimmte Zeit, welche die Dauer von fünf Jahren nicht überſteigen darf, oder
für immer zu einem ſolchen Amte für unfähig oder der Befugniß zur ſelbſtän-
digen Betreibung ſeiner Kunſt oder ſeines Gewerbes verluſtig erklärt werden.
Es war bei Gelegenheit der Verhandlungen über die Beſtrafung
der fahrläſſigen Tödtung, als das oben (S. 50-56.) abgedruckte Gut-
achten des Juſtizminiſters v. Savigny erſtattet wurde, in welchem ſich
umfaſſende Erörterungen über die Grade des Verſehens finden, und der
Standpunkt, welchen das Strafgeſetzbuch in dieſer Lehre eingenommen hat,
feſtgeſtellt worden iſt. Die dort vertretene Anſicht, daß nur das geringe
Verſehen, zu deſſen Vermeidung eine beſondere Aufmerkſamkeit gehört,
dem Thäter nicht anzurechnen iſt, hat übrigens gerade in Beziehung
auf die fahrläſſige Tödtung ſchon in den früheren Stadien der Reviſion
Anerkennung gefunden, z) und der Zweck des Gutachtens war es na-
mentlich, von beſonderen Beſtimmungen über den Grad der ſtrafbaren
Fahrläſſigkeit in dem Geſetzbuch abzuhalten. Daß die Zumeſſung der
geſetzlichen Strafe von der größeren oder geringeren Verſchuldung auch
in dieſem Falle hauptſächlich abhängt, verſteht ſich von ſelbſt.
Eine beſondere Rückſicht iſt aber noch auf den Fall genommen,
wenn der Thäter zu der Aufmerkſamkeit oder Vorſicht, welche er bei der
fahrläſſigen Tödtung aus den Augen ſetzte, vermöge ſeines Amtes, Be-
rufes oder Gewerbes beſonders verpflichtet war. Einige allgemeine Be-
ſtimmungen in Beziehung auf das Benehmen der Hebeammen, Bau-
meiſter und Bauhandwerker ſo wie der Eiſenbahnbeamten werden ſpäter
noch zu erwähnen ſein; a) hier handelt es ſich zunächſt nur um die
Tödtung durch die Fahrläſſigkeit der oben bezeichneten Perſonen. Das
Allgemeine Landrecht beſtimmte hierüber:
Th. II. Tit. 20. §. 779. „Iſt die ſchwere Beſchädigung eines
Menſchen durch grobe Vernachläſſigung gewiſſer beſonderer Amts- oder
Berufspflichten veranlaßt worden, ſo ſoll der Uebertreter, noch außer
z) Motive zum erſten Entwurf. III. 2. S. 217-20. — Verhandlun-
gen der Staatsraths-Kommiſſion von 1846. S. 116.
a) §§. 201. 202. 295. Vgl. oben S. 50.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/373>, abgerufen am 22.11.2024.
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