Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen. treten darf. Zu den Milderungsgründen wird außer dem jugendlichenAlter (§. 112. und 113.) gerechnet: die Reue (§. 114.), Befehl oder Auftrag zur Verübung der That durch eine Respectsperson (§. 115.), Gewalt und Drohung, insofern sie die Zurechnung an sich nicht auf- heben (§. 116.), und die Berücksichtigung des milderen ausländischen Gesetzes (§. 117.). Als Strafschärfungsgründe werden das Zusammen- treffen mehrerer Verbrechen (§. 118-22.) und der Rückfall (§. 123-26.) aufgeführt. -- Der Entwurf von 1847. und das Gesetzbuch selbst sind von der Zusammenstellung solcher allgemeiner Milderungs- und Schär- fungsgründe abgegangen. Was zunächst die letzteren betrifft, so kann auch in der That das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen gar nicht unter dem Gesichtspunkt der Strafschärfung aufgefaßt werden, ja bei der s. g. idealen Konkurrenz sowohl wie bei der s. g. realen Konkurrenz tritt unter Umständen eher eine Strafmilderung ein; der Rückfall aber ist füglich in seiner selbständigen Bedeutung aufzufassen und zu be- handeln, wenn auch da, wo er berücksichtigt wird, allerdings eine Er- höhung der ordentlichen Strafe stattfindet. Unter den angeführten Milderungsgründen übt nun das jugendliche Alter nach den Be- stimmungen des Gesetzbuchs gegenwärtig einen verschiedenen Einfluß auf die Bestrafung aus, indem es, je nachdem Unterscheidungsvermögen angenommen wird oder nicht, die Strafe mildert oder ausschließt. Auf die milderen Bestimmungen auswärtiger Gesetze ist aber überhaupt keine Rücksicht mehr genommen worden, und Reue, Befehl und Gewalt oder Drohung, welche die Zurechnung nicht ausschließen, können wohl bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, aber eine eigentliche Strafmil- derung zu rechtfertigen sind sie nicht geeignet. Es läßt sich hier allge- mein anwenden, was in Beziehung auf den Befehl zur Verübung der That in einer amtlichen Schrift y) treffend bemerkt wird: Soweit sich solche Vorschriften nicht von selbst verstehen, können sie zu großen Miß- griffen Veranlassung geben. Was damit gesagt werden soll, läßt sich nicht recht definiren, und was gesagt ist, hilft nicht weit. Das Strafgesetzbuch enthält also außer den im vierten und fünften y) Revision u. s. w. a. a. O. S. 205.
Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen. treten darf. Zu den Milderungsgründen wird außer dem jugendlichenAlter (§. 112. und 113.) gerechnet: die Reue (§. 114.), Befehl oder Auftrag zur Verübung der That durch eine Reſpectsperſon (§. 115.), Gewalt und Drohung, inſofern ſie die Zurechnung an ſich nicht auf- heben (§. 116.), und die Berückſichtigung des milderen ausländiſchen Geſetzes (§. 117.). Als Strafſchärfungsgründe werden das Zuſammen- treffen mehrerer Verbrechen (§. 118-22.) und der Rückfall (§. 123-26.) aufgeführt. — Der Entwurf von 1847. und das Geſetzbuch ſelbſt ſind von der Zuſammenſtellung ſolcher allgemeiner Milderungs- und Schär- fungsgründe abgegangen. Was zunächſt die letzteren betrifft, ſo kann auch in der That das Zuſammentreffen mehrerer Verbrechen gar nicht unter dem Geſichtspunkt der Strafſchärfung aufgefaßt werden, ja bei der ſ. g. idealen Konkurrenz ſowohl wie bei der ſ. g. realen Konkurrenz tritt unter Umſtänden eher eine Strafmilderung ein; der Rückfall aber iſt füglich in ſeiner ſelbſtändigen Bedeutung aufzufaſſen und zu be- handeln, wenn auch da, wo er berückſichtigt wird, allerdings eine Er- höhung der ordentlichen Strafe ſtattfindet. Unter den angeführten Milderungsgründen übt nun das jugendliche Alter nach den Be- ſtimmungen des Geſetzbuchs gegenwärtig einen verſchiedenen Einfluß auf die Beſtrafung aus, indem es, je nachdem Unterſcheidungsvermögen angenommen wird oder nicht, die Strafe mildert oder ausſchließt. Auf die milderen Beſtimmungen auswärtiger Geſetze iſt aber überhaupt keine Rückſicht mehr genommen worden, und Reue, Befehl und Gewalt oder Drohung, welche die Zurechnung nicht ausſchließen, können wohl bei der Strafzumeſſung berückſichtigt werden, aber eine eigentliche Strafmil- derung zu rechtfertigen ſind ſie nicht geeignet. Es läßt ſich hier allge- mein anwenden, was in Beziehung auf den Befehl zur Verübung der That in einer amtlichen Schrift y) treffend bemerkt wird: Soweit ſich ſolche Vorſchriften nicht von ſelbſt verſtehen, können ſie zu großen Miß- griffen Veranlaſſung geben. Was damit geſagt werden ſoll, läßt ſich nicht recht definiren, und was geſagt iſt, hilft nicht weit. Das Strafgeſetzbuch enthält alſo außer den im vierten und fünften y) Reviſion u. ſ. w. a. a. O. S. 205.
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Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen.
treten darf. Zu den Milderungsgründen wird außer dem jugendlichen
Alter (§. 112. und 113.) gerechnet: die Reue (§. 114.), Befehl oder
Auftrag zur Verübung der That durch eine Reſpectsperſon (§. 115.),
Gewalt und Drohung, inſofern ſie die Zurechnung an ſich nicht auf-
heben (§. 116.), und die Berückſichtigung des milderen ausländiſchen
Geſetzes (§. 117.). Als Strafſchärfungsgründe werden das Zuſammen-
treffen mehrerer Verbrechen (§. 118-22.) und der Rückfall (§. 123-26.)
aufgeführt. — Der Entwurf von 1847. und das Geſetzbuch ſelbſt ſind
von der Zuſammenſtellung ſolcher allgemeiner Milderungs- und Schär-
fungsgründe abgegangen. Was zunächſt die letzteren betrifft, ſo kann
auch in der That das Zuſammentreffen mehrerer Verbrechen gar nicht
unter dem Geſichtspunkt der Strafſchärfung aufgefaßt werden, ja bei
der ſ. g. idealen Konkurrenz ſowohl wie bei der ſ. g. realen Konkurrenz
tritt unter Umſtänden eher eine Strafmilderung ein; der Rückfall aber
iſt füglich in ſeiner ſelbſtändigen Bedeutung aufzufaſſen und zu be-
handeln, wenn auch da, wo er berückſichtigt wird, allerdings eine Er-
höhung der ordentlichen Strafe ſtattfindet. Unter den angeführten
Milderungsgründen übt nun das jugendliche Alter nach den Be-
ſtimmungen des Geſetzbuchs gegenwärtig einen verſchiedenen Einfluß auf
die Beſtrafung aus, indem es, je nachdem Unterſcheidungsvermögen
angenommen wird oder nicht, die Strafe mildert oder ausſchließt. Auf
die milderen Beſtimmungen auswärtiger Geſetze iſt aber überhaupt keine
Rückſicht mehr genommen worden, und Reue, Befehl und Gewalt oder
Drohung, welche die Zurechnung nicht ausſchließen, können wohl bei
der Strafzumeſſung berückſichtigt werden, aber eine eigentliche Strafmil-
derung zu rechtfertigen ſind ſie nicht geeignet. Es läßt ſich hier allge-
mein anwenden, was in Beziehung auf den Befehl zur Verübung der
That in einer amtlichen Schrift y) treffend bemerkt wird: Soweit ſich
ſolche Vorſchriften nicht von ſelbſt verſtehen, können ſie zu großen Miß-
griffen Veranlaſſung geben. Was damit geſagt werden ſoll, läßt ſich
nicht recht definiren, und was geſagt iſt, hilft nicht weit.
Das Strafgeſetzbuch enthält alſo außer den im vierten und fünften
Titel des erſten Theils gegebenen Vorſchriften keine allgemeinen Beſtim-
mungen über diejenigen thatſächlichen Umſtände, welche eine Erhöhung
oder Verminderung der geſetzlichen Strafe zur Folge haben können.
Was in dieſer Hinſicht vorgeſehen werden mußte, um nicht durch zu
ſtarre Satzungen und überhaupt durch die Vernachläſſigung der Indi-
vidualität der beſonderen Fälle gegen die höheren Anforderungen der
ſtrafenden Gerechtigkeit zu verſtoßen, das iſt in den beſonderen Beſtim-
y) Reviſion u. ſ. w. a. a. O. S. 205.
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