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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen.
Theil mit dem Einfluß der Geschworenen auf diese Feststellung zusam-
men, theils konnte eine nothwendige Berücksichtigung der allgemeinen
Milderungsgründe, ähnlich wie bei den mildernden Umständen, um
deswegen nicht wohl stattfinden, weil eben nur einzelne thatsächliche
Momente dabei in Betracht kamen, die in dem gegebenen Fall von ge-
ringem Belang sein oder durch andere erschwerende Momente wieder
aufgehoben werden konnten.

Einen ganz unbeschränkten Gebrauch hat das Französische Recht
von den mildernden Umständen (circonstances attenuantes) gemacht,
indem durch neuere Gesetze vorgeschrieben ist, daß in allen Fällen, wo
es sich von Verbrechen handelt, selbst beim Rückfall, es den Geschwore-
nen freistehen soll, zu Gunsten des Angeklagten das Vorhandensein von
mildernden Umständen festzustellen. z) Es ist dieß ein Auskunftsmittel
gewesen, um die zu große Härte der Strafbestimmungen des Code
penal
, namentlich in Beziehung auf den Rückfall zu mildern, ohne zu
durchgreifender materieller Aenderung des Gesetzbuchs zu schreiten, --
ein Verfahren, welches allerdings sehr gewichtigen Bedenken unterliegt. a)
Nach Preußischem Recht hat die Sache jedenfalls eine ganz andere
Gestalt gewonnen, da nur bei einzelnen Verbrechen und Vergehen die
Feststellung mildernder Umstände überhaupt in Betracht kommt, und
eine Frage darauf den Geschworenen auch nicht nothwendig vorzulegen
ist. b)[...] Nichts destoweniger wurden in der Kommission der zweiten
Kammer, wo dieser Gegenstand wiederholt und gründlich erörtert worden
ist, manche Bedenken auch gegen diese beschränkte Auffassung laut, aber
man vereinigte sich doch zuletzt in der Ansicht, daß der wohlthätige
Zweck der Einrichtung sich nur in der von der Staatsregierung vorge-
schlagenen Weise erreichen lasse, und suchte nur durch eine genauere
Fassung die bestimmte Grenze zwischen der Aufgabe der Geschworenen
und der Richter anzugeben, und auch bei den Vergehen das Gericht zu
einem ausdrücklichen Beschluß über das Vorhandensein mildernder Um-

z) Code d'instruct. crim. art. 341. (Loi du 9 Sept. 1835.) En toute
matiere criminelle, meme en cas de recidive, le president, apres avoir pose
les questions resultant de l'acte d'accusation et des debats, avertira le
jury, a peine de nullite, que, s'il pense, a la majorite, qu'il existe, en
faveur d'un ou de plusieurs accuses reconnus coupables, des circonstances
attenuantes, il devra en faire la declaration en ces termes: A la majorite,
il y a des circonstances attenuantes en faveur de tel accuse.
-- Das Gesetz
vom 28. April 1832, welches die Neuerung eigentlich eingeführt hat, verlangte noch
eine Majorität von mehr als sieben Stimmen.
a) Ueber die Einwirkung dieser Neuerung auf die Strafrechtspflege, namentlich
in Beziehung auf den Rückfall, s. Ad. Chauveau et Helie Faustin,
theorie du Code penal (Bruxelles 1837). T. I. chap. IX.
b) Einführungsgesetz vom 14. April 1851. Art. XXIV.

Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen.
Theil mit dem Einfluß der Geſchworenen auf dieſe Feſtſtellung zuſam-
men, theils konnte eine nothwendige Berückſichtigung der allgemeinen
Milderungsgründe, ähnlich wie bei den mildernden Umſtänden, um
deswegen nicht wohl ſtattfinden, weil eben nur einzelne thatſächliche
Momente dabei in Betracht kamen, die in dem gegebenen Fall von ge-
ringem Belang ſein oder durch andere erſchwerende Momente wieder
aufgehoben werden konnten.

Einen ganz unbeſchränkten Gebrauch hat das Franzöſiſche Recht
von den mildernden Umſtänden (circonstances atténuantes) gemacht,
indem durch neuere Geſetze vorgeſchrieben iſt, daß in allen Fällen, wo
es ſich von Verbrechen handelt, ſelbſt beim Rückfall, es den Geſchwore-
nen freiſtehen ſoll, zu Gunſten des Angeklagten das Vorhandenſein von
mildernden Umſtänden feſtzuſtellen. z) Es iſt dieß ein Auskunftsmittel
geweſen, um die zu große Härte der Strafbeſtimmungen des Code
pénal
, namentlich in Beziehung auf den Rückfall zu mildern, ohne zu
durchgreifender materieller Aenderung des Geſetzbuchs zu ſchreiten, —
ein Verfahren, welches allerdings ſehr gewichtigen Bedenken unterliegt. a)
Nach Preußiſchem Recht hat die Sache jedenfalls eine ganz andere
Geſtalt gewonnen, da nur bei einzelnen Verbrechen und Vergehen die
Feſtſtellung mildernder Umſtände überhaupt in Betracht kommt, und
eine Frage darauf den Geſchworenen auch nicht nothwendig vorzulegen
iſt. b)[…] Nichts deſtoweniger wurden in der Kommiſſion der zweiten
Kammer, wo dieſer Gegenſtand wiederholt und gründlich erörtert worden
iſt, manche Bedenken auch gegen dieſe beſchränkte Auffaſſung laut, aber
man vereinigte ſich doch zuletzt in der Anſicht, daß der wohlthätige
Zweck der Einrichtung ſich nur in der von der Staatsregierung vorge-
ſchlagenen Weiſe erreichen laſſe, und ſuchte nur durch eine genauere
Faſſung die beſtimmte Grenze zwiſchen der Aufgabe der Geſchworenen
und der Richter anzugeben, und auch bei den Vergehen das Gericht zu
einem ausdrücklichen Beſchluß über das Vorhandenſein mildernder Um-

z) Code d'instruct. crim. art. 341. (Loi du 9 Sept. 1835.) En toute
matière criminelle, même en cas de recidive, le président, après avoir posé
les questions résultant de l'acte d'accusation et des débats, avertira le
jury, à peine de nullité, que, s'il pense, à la majorité, qu'il existe, en
faveur d'un ou de plusieurs accusés reconnus coupables, des circonstances
atténuantes, il devra en faire la déclaration en ces termes: A la majorité,
il y a des circonstances atténuantes en faveur de tel accusé.
— Das Geſetz
vom 28. April 1832, welches die Neuerung eigentlich eingeführt hat, verlangte noch
eine Majorität von mehr als ſieben Stimmen.
a) Ueber die Einwirkung dieſer Neuerung auf die Strafrechtspflege, namentlich
in Beziehung auf den Rückfall, ſ. Ad. Chauveau et Hélie Fauſtin,
théorie du Code pénal (Bruxelles 1837). T. I. chap. IX.
b) Einführungsgeſetz vom 14. April 1851. Art. XXIV.
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[32/0042] Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen. Theil mit dem Einfluß der Geſchworenen auf dieſe Feſtſtellung zuſam- men, theils konnte eine nothwendige Berückſichtigung der allgemeinen Milderungsgründe, ähnlich wie bei den mildernden Umſtänden, um deswegen nicht wohl ſtattfinden, weil eben nur einzelne thatſächliche Momente dabei in Betracht kamen, die in dem gegebenen Fall von ge- ringem Belang ſein oder durch andere erſchwerende Momente wieder aufgehoben werden konnten. Einen ganz unbeſchränkten Gebrauch hat das Franzöſiſche Recht von den mildernden Umſtänden (circonstances atténuantes) gemacht, indem durch neuere Geſetze vorgeſchrieben iſt, daß in allen Fällen, wo es ſich von Verbrechen handelt, ſelbſt beim Rückfall, es den Geſchwore- nen freiſtehen ſoll, zu Gunſten des Angeklagten das Vorhandenſein von mildernden Umſtänden feſtzuſtellen. z) Es iſt dieß ein Auskunftsmittel geweſen, um die zu große Härte der Strafbeſtimmungen des Code pénal, namentlich in Beziehung auf den Rückfall zu mildern, ohne zu durchgreifender materieller Aenderung des Geſetzbuchs zu ſchreiten, — ein Verfahren, welches allerdings ſehr gewichtigen Bedenken unterliegt. a) Nach Preußiſchem Recht hat die Sache jedenfalls eine ganz andere Geſtalt gewonnen, da nur bei einzelnen Verbrechen und Vergehen die Feſtſtellung mildernder Umſtände überhaupt in Betracht kommt, und eine Frage darauf den Geſchworenen auch nicht nothwendig vorzulegen iſt. b) Nichts deſtoweniger wurden in der Kommiſſion der zweiten Kammer, wo dieſer Gegenſtand wiederholt und gründlich erörtert worden iſt, manche Bedenken auch gegen dieſe beſchränkte Auffaſſung laut, aber man vereinigte ſich doch zuletzt in der Anſicht, daß der wohlthätige Zweck der Einrichtung ſich nur in der von der Staatsregierung vorge- ſchlagenen Weiſe erreichen laſſe, und ſuchte nur durch eine genauere Faſſung die beſtimmte Grenze zwiſchen der Aufgabe der Geſchworenen und der Richter anzugeben, und auch bei den Vergehen das Gericht zu einem ausdrücklichen Beſchluß über das Vorhandenſein mildernder Um- z) Code d'instruct. crim. art. 341. (Loi du 9 Sept. 1835.) En toute matière criminelle, même en cas de recidive, le président, après avoir posé les questions résultant de l'acte d'accusation et des débats, avertira le jury, à peine de nullité, que, s'il pense, à la majorité, qu'il existe, en faveur d'un ou de plusieurs accusés reconnus coupables, des circonstances atténuantes, il devra en faire la déclaration en ces termes: A la majorité, il y a des circonstances atténuantes en faveur de tel accusé. — Das Geſetz vom 28. April 1832, welches die Neuerung eigentlich eingeführt hat, verlangte noch eine Majorität von mehr als ſieben Stimmen. a) Ueber die Einwirkung dieſer Neuerung auf die Strafrechtspflege, namentlich in Beziehung auf den Rückfall, ſ. Ad. Chauveau et Hélie Fauſtin, théorie du Code pénal (Bruxelles 1837). T. I. chap. IX. b) Einführungsgeſetz vom 14. April 1851. Art. XXIV.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/42>, abgerufen am 21.11.2024.