den Vergehen der bezeichneten Art eine bloße Geldbuße nicht als die angemessene gesetzliche Strafe erscheinen, nicht einmal in Konkurrenz mit der Gefängnißstrafe, wie dieß bei anderen leichteren Delikten vorkommt.
§. VIII. Vorsatz und Fahrlässigkeit.
Nur die freie Handlung des Menschen, zu der er durch seinen Willen bestimmt worden, kann ihm als eine strafbare zugerechnet wer- den; wegen eines reinen Zufalls wird niemand zur Verantwortung gezogen. Aber freilich ist die Frage: ob ein Ereigniß Folge eines Zu- falls gewesen oder durch die Handlung eines Menschen hervorgerufen worden, oft schwer zu entscheiden, und dann ist nicht jede Handlung eine solche, daß sie als eine freie, mit Bewußtsein begangene dem Thäter zugerechnet werden kann. Welche Gründe nun als geeignet gelten können, eine an sich rechtswidrige Handlung mit Rücksicht auf die be- stimmte Person, die sie begangen, und auf die besonderen Verhältnisse, unter denen sie begangen worden, der Anwendung des Strafgesetzes zu entziehen, -- darüber wird später bei dem vierten Titel des ersten Theils, wo von der Zurechnung im Allgemeinen zu handeln ist, eine Erörterung statt finden. Die gegenwärtige Ausführung hat es mit der Frage zu thun, in welcher Beziehung der Wille zur That stehen muß, damit sie -- die freie Selbstbestimmung vorausgesetzt, -- als eine solche aufge- faßt werden kann, gegen welche das Strafgesetz gerichtet und zur An- wendung zu bringen ist.
Es liegt jedoch außer dem Plane dieses Werkes, über den Begriff der Verschuldung und ihre Abstufungen in dolus und culpa hier auf allgemeine Erörterungen einzugehen; c) nur das soll gezeigt werden, wie das Gesetzbuch zu dieser Lehre sich gestellt hat, was um so unerläßlicher ist, da es sich keineswegs negativ dagegen verhalten hat, obgleich bei der letzten Redaktion darauf verzichtet worden ist, durch allgemeine Be- stimmungen das richterliche Ermessen zu leiten. Aber nicht allein die einzelnen Vorschriften des Gesetzbuchs, welche sich auf Vorsatz, Fahr- lässigkeit u. s. w. beziehen, verlangen eine sorgfältige Erwägung, son- dern auch die Materialien verdienen berücksichtigt zu werden, da sie
c) Sehr schöne Untersuchungen hierüber so wie überhaupt über die allgemeinen Lehren des Strafrechts finden sich bei E. R. Köstlin, Neue Revision der Grund- begriffe des Criminalrechts. Tübingen 1845.
Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen.
den Vergehen der bezeichneten Art eine bloße Geldbuße nicht als die angemeſſene geſetzliche Strafe erſcheinen, nicht einmal in Konkurrenz mit der Gefängnißſtrafe, wie dieß bei anderen leichteren Delikten vorkommt.
§. VIII. Vorſatz und Fahrläſſigkeit.
Nur die freie Handlung des Menſchen, zu der er durch ſeinen Willen beſtimmt worden, kann ihm als eine ſtrafbare zugerechnet wer- den; wegen eines reinen Zufalls wird niemand zur Verantwortung gezogen. Aber freilich iſt die Frage: ob ein Ereigniß Folge eines Zu- falls geweſen oder durch die Handlung eines Menſchen hervorgerufen worden, oft ſchwer zu entſcheiden, und dann iſt nicht jede Handlung eine ſolche, daß ſie als eine freie, mit Bewußtſein begangene dem Thäter zugerechnet werden kann. Welche Gründe nun als geeignet gelten können, eine an ſich rechtswidrige Handlung mit Rückſicht auf die be- ſtimmte Perſon, die ſie begangen, und auf die beſonderen Verhältniſſe, unter denen ſie begangen worden, der Anwendung des Strafgeſetzes zu entziehen, — darüber wird ſpäter bei dem vierten Titel des erſten Theils, wo von der Zurechnung im Allgemeinen zu handeln iſt, eine Erörterung ſtatt finden. Die gegenwärtige Ausführung hat es mit der Frage zu thun, in welcher Beziehung der Wille zur That ſtehen muß, damit ſie — die freie Selbſtbeſtimmung vorausgeſetzt, — als eine ſolche aufge- faßt werden kann, gegen welche das Strafgeſetz gerichtet und zur An- wendung zu bringen iſt.
Es liegt jedoch außer dem Plane dieſes Werkes, über den Begriff der Verſchuldung und ihre Abſtufungen in dolus und culpa hier auf allgemeine Erörterungen einzugehen; c) nur das ſoll gezeigt werden, wie das Geſetzbuch zu dieſer Lehre ſich geſtellt hat, was um ſo unerläßlicher iſt, da es ſich keineswegs negativ dagegen verhalten hat, obgleich bei der letzten Redaktion darauf verzichtet worden iſt, durch allgemeine Be- ſtimmungen das richterliche Ermeſſen zu leiten. Aber nicht allein die einzelnen Vorſchriften des Geſetzbuchs, welche ſich auf Vorſatz, Fahr- läſſigkeit u. ſ. w. beziehen, verlangen eine ſorgfältige Erwägung, ſon- dern auch die Materialien verdienen berückſichtigt zu werden, da ſie
c) Sehr ſchöne Unterſuchungen hierüber ſo wie überhaupt über die allgemeinen Lehren des Strafrechts finden ſich bei E. R. Köſtlin, Neue Reviſion der Grund- begriffe des Criminalrechts. Tübingen 1845.
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Zweites Kapitel. Allgemeine Erörterungen.
den Vergehen der bezeichneten Art eine bloße Geldbuße nicht als die
angemeſſene geſetzliche Strafe erſcheinen, nicht einmal in Konkurrenz mit
der Gefängnißſtrafe, wie dieß bei anderen leichteren Delikten vorkommt.
§. VIII.
Vorſatz und Fahrläſſigkeit.
Nur die freie Handlung des Menſchen, zu der er durch ſeinen
Willen beſtimmt worden, kann ihm als eine ſtrafbare zugerechnet wer-
den; wegen eines reinen Zufalls wird niemand zur Verantwortung
gezogen. Aber freilich iſt die Frage: ob ein Ereigniß Folge eines Zu-
falls geweſen oder durch die Handlung eines Menſchen hervorgerufen
worden, oft ſchwer zu entſcheiden, und dann iſt nicht jede Handlung
eine ſolche, daß ſie als eine freie, mit Bewußtſein begangene dem Thäter
zugerechnet werden kann. Welche Gründe nun als geeignet gelten
können, eine an ſich rechtswidrige Handlung mit Rückſicht auf die be-
ſtimmte Perſon, die ſie begangen, und auf die beſonderen Verhältniſſe,
unter denen ſie begangen worden, der Anwendung des Strafgeſetzes zu
entziehen, — darüber wird ſpäter bei dem vierten Titel des erſten Theils,
wo von der Zurechnung im Allgemeinen zu handeln iſt, eine Erörterung
ſtatt finden. Die gegenwärtige Ausführung hat es mit der Frage zu
thun, in welcher Beziehung der Wille zur That ſtehen muß, damit ſie
— die freie Selbſtbeſtimmung vorausgeſetzt, — als eine ſolche aufge-
faßt werden kann, gegen welche das Strafgeſetz gerichtet und zur An-
wendung zu bringen iſt.
Es liegt jedoch außer dem Plane dieſes Werkes, über den Begriff
der Verſchuldung und ihre Abſtufungen in dolus und culpa hier auf
allgemeine Erörterungen einzugehen; c) nur das ſoll gezeigt werden, wie
das Geſetzbuch zu dieſer Lehre ſich geſtellt hat, was um ſo unerläßlicher
iſt, da es ſich keineswegs negativ dagegen verhalten hat, obgleich bei
der letzten Redaktion darauf verzichtet worden iſt, durch allgemeine Be-
ſtimmungen das richterliche Ermeſſen zu leiten. Aber nicht allein die
einzelnen Vorſchriften des Geſetzbuchs, welche ſich auf Vorſatz, Fahr-
läſſigkeit u. ſ. w. beziehen, verlangen eine ſorgfältige Erwägung, ſon-
dern auch die Materialien verdienen berückſichtigt zu werden, da ſie
c) Sehr ſchöne Unterſuchungen hierüber ſo wie überhaupt über die allgemeinen
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begriffe des Criminalrechts. Tübingen 1845.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/46>, abgerufen am 21.11.2024.
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