richtungen überwunden worden, während England und Frankreich im entgegengesetzten Sinne die verschiedenen Richtungen konsequent durch- geführt und Belgien vielleicht die glücklichste Vermittlung getroffen hat.
Es ist aber nicht allein das größere oder geringere Maaß des bestimmenden Einflusses, den die Staatsgewalt auf die Thätigkeit des Beamtenstandes sich beilegt, was für die gesetzliche Feststellung dieser Verhältnisse entscheidend ist. Für Einen Theil der amtlichen Wirksam- keit, nämlich für den der Gerichte, ist die vollkommene Unabhängigkeit derselben eine unbedingte Forderung der Civilisation, und namentlich da, wo germanische Kultur Wurzel geschlagen hat, ist das Fernhalten jedes äußeren Einflusses von der Rechtspflege, welche Form des Staatswesens auch bestehen mag, stets für die erste Bedingung geordneter gesellschaftlicher Zustände gehalten worden. Die Unabhängigkeit der Gerichte wird aber nicht allein durch die Ausschließung jeder unmittelbaren Einwirkung auf die Rechtspflege, mag sie sich nun als Kabinetsjustiz oder als Volks- justiz darstellen, gewahrt; auch die äußere Stellung des Richterstandes muß eine solche sein, daß der Einzelne darin einen Schutz gegen unan- gemessene Zumuthungen und weitere Gefährde findet. -- Was aber für die Richter durchaus nothwendig, das gilt, wenn schon in einem ande- ren Maaße, auch für die Verwaltungsbeamten; es muß ihnen Schutz gewährt werden gegen Willkühr und gesetzwidrige Zumuthungen. Läßt die Idee des modernen Staates und das Interesse des Dienstes es nicht zu, die Ansicht der älteren Jurisprudenz von einem wohlerworbenen Privatrechte auf das Amt oder wenigstens auf dessen Einkünfte in ihrer allgemeinen Geltung noch aufrecht zu erhalten, so darf doch auch nicht verkannt werden, daß gerade die Achtung, deren sich der Beamtenstand im Volke erfreut, die wesentliche Bedingung seiner wahrhaft ersprieß- lichen Wirksamkeit ist, daß diese Achtung aber nicht bewahrt werden kann, wenn der Beamte wie ein Dienstbote auf Kündigung gestellt ist und als das willenlose Organ einer vielleicht wechselvollen Politik erscheint. Die Einrede, es stehe jedem frei, seinen Abschied zu nehmen, paßt doch nur ausnahmsweise auf Verhältnisse, wo notorisch ein großer Aufwand von Zeit, Arbeit und Geld erforderlich ist, um die Lebens- stellung, welche das Amt mit sich bringt, zu gewinnen. Sobald im Volke die Ansicht sich festsetzt, daß die Bekleidung eines Staatsamtes nicht mehr eine ehrenvolle und gesicherte Existenz gewährt, wird der bessere Theil der Jugend von der Betretung dieser Laufbahn zurückge- schreckt werden und anderen Lebenskreisen Kräfte zuführen, deren Be- nutzung der Staat zur Erreichung würdiger Ziele und namentlich in dem großen Kampfe um die höchsten Interessen der bürgerlichen Gesell- schaft schwer wird entbehren können.
Verbrechen und Vergehen im Amte.
richtungen überwunden worden, während England und Frankreich im entgegengeſetzten Sinne die verſchiedenen Richtungen konſequent durch- geführt und Belgien vielleicht die glücklichſte Vermittlung getroffen hat.
Es iſt aber nicht allein das größere oder geringere Maaß des beſtimmenden Einfluſſes, den die Staatsgewalt auf die Thätigkeit des Beamtenſtandes ſich beilegt, was für die geſetzliche Feſtſtellung dieſer Verhältniſſe entſcheidend iſt. Für Einen Theil der amtlichen Wirkſam- keit, nämlich für den der Gerichte, iſt die vollkommene Unabhängigkeit derſelben eine unbedingte Forderung der Civiliſation, und namentlich da, wo germaniſche Kultur Wurzel geſchlagen hat, iſt das Fernhalten jedes äußeren Einfluſſes von der Rechtspflege, welche Form des Staatsweſens auch beſtehen mag, ſtets für die erſte Bedingung geordneter geſellſchaftlicher Zuſtände gehalten worden. Die Unabhängigkeit der Gerichte wird aber nicht allein durch die Ausſchließung jeder unmittelbaren Einwirkung auf die Rechtspflege, mag ſie ſich nun als Kabinetsjuſtiz oder als Volks- juſtiz darſtellen, gewahrt; auch die äußere Stellung des Richterſtandes muß eine ſolche ſein, daß der Einzelne darin einen Schutz gegen unan- gemeſſene Zumuthungen und weitere Gefährde findet. — Was aber für die Richter durchaus nothwendig, das gilt, wenn ſchon in einem ande- ren Maaße, auch für die Verwaltungsbeamten; es muß ihnen Schutz gewährt werden gegen Willkühr und geſetzwidrige Zumuthungen. Läßt die Idee des modernen Staates und das Intereſſe des Dienſtes es nicht zu, die Anſicht der älteren Jurisprudenz von einem wohlerworbenen Privatrechte auf das Amt oder wenigſtens auf deſſen Einkünfte in ihrer allgemeinen Geltung noch aufrecht zu erhalten, ſo darf doch auch nicht verkannt werden, daß gerade die Achtung, deren ſich der Beamtenſtand im Volke erfreut, die weſentliche Bedingung ſeiner wahrhaft erſprieß- lichen Wirkſamkeit iſt, daß dieſe Achtung aber nicht bewahrt werden kann, wenn der Beamte wie ein Dienſtbote auf Kündigung geſtellt iſt und als das willenloſe Organ einer vielleicht wechſelvollen Politik erſcheint. Die Einrede, es ſtehe jedem frei, ſeinen Abſchied zu nehmen, paßt doch nur ausnahmsweiſe auf Verhältniſſe, wo notoriſch ein großer Aufwand von Zeit, Arbeit und Geld erforderlich iſt, um die Lebens- ſtellung, welche das Amt mit ſich bringt, zu gewinnen. Sobald im Volke die Anſicht ſich feſtſetzt, daß die Bekleidung eines Staatsamtes nicht mehr eine ehrenvolle und geſicherte Exiſtenz gewährt, wird der beſſere Theil der Jugend von der Betretung dieſer Laufbahn zurückge- ſchreckt werden und anderen Lebenskreiſen Kräfte zuführen, deren Be- nutzung der Staat zur Erreichung würdiger Ziele und namentlich in dem großen Kampfe um die höchſten Intereſſen der bürgerlichen Geſell- ſchaft ſchwer wird entbehren können.
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[543/0553]
Verbrechen und Vergehen im Amte.
richtungen überwunden worden, während England und Frankreich im
entgegengeſetzten Sinne die verſchiedenen Richtungen konſequent durch-
geführt und Belgien vielleicht die glücklichſte Vermittlung getroffen hat.
Es iſt aber nicht allein das größere oder geringere Maaß des
beſtimmenden Einfluſſes, den die Staatsgewalt auf die Thätigkeit des
Beamtenſtandes ſich beilegt, was für die geſetzliche Feſtſtellung dieſer
Verhältniſſe entſcheidend iſt. Für Einen Theil der amtlichen Wirkſam-
keit, nämlich für den der Gerichte, iſt die vollkommene Unabhängigkeit
derſelben eine unbedingte Forderung der Civiliſation, und namentlich da,
wo germaniſche Kultur Wurzel geſchlagen hat, iſt das Fernhalten jedes
äußeren Einfluſſes von der Rechtspflege, welche Form des Staatsweſens
auch beſtehen mag, ſtets für die erſte Bedingung geordneter geſellſchaftlicher
Zuſtände gehalten worden. Die Unabhängigkeit der Gerichte wird aber
nicht allein durch die Ausſchließung jeder unmittelbaren Einwirkung auf
die Rechtspflege, mag ſie ſich nun als Kabinetsjuſtiz oder als Volks-
juſtiz darſtellen, gewahrt; auch die äußere Stellung des Richterſtandes
muß eine ſolche ſein, daß der Einzelne darin einen Schutz gegen unan-
gemeſſene Zumuthungen und weitere Gefährde findet. — Was aber für
die Richter durchaus nothwendig, das gilt, wenn ſchon in einem ande-
ren Maaße, auch für die Verwaltungsbeamten; es muß ihnen Schutz
gewährt werden gegen Willkühr und geſetzwidrige Zumuthungen. Läßt
die Idee des modernen Staates und das Intereſſe des Dienſtes es nicht
zu, die Anſicht der älteren Jurisprudenz von einem wohlerworbenen
Privatrechte auf das Amt oder wenigſtens auf deſſen Einkünfte in ihrer
allgemeinen Geltung noch aufrecht zu erhalten, ſo darf doch auch nicht
verkannt werden, daß gerade die Achtung, deren ſich der Beamtenſtand
im Volke erfreut, die weſentliche Bedingung ſeiner wahrhaft erſprieß-
lichen Wirkſamkeit iſt, daß dieſe Achtung aber nicht bewahrt werden
kann, wenn der Beamte wie ein Dienſtbote auf Kündigung geſtellt iſt
und als das willenloſe Organ einer vielleicht wechſelvollen Politik
erſcheint. Die Einrede, es ſtehe jedem frei, ſeinen Abſchied zu nehmen,
paßt doch nur ausnahmsweiſe auf Verhältniſſe, wo notoriſch ein großer
Aufwand von Zeit, Arbeit und Geld erforderlich iſt, um die Lebens-
ſtellung, welche das Amt mit ſich bringt, zu gewinnen. Sobald im
Volke die Anſicht ſich feſtſetzt, daß die Bekleidung eines Staatsamtes
nicht mehr eine ehrenvolle und geſicherte Exiſtenz gewährt, wird der
beſſere Theil der Jugend von der Betretung dieſer Laufbahn zurückge-
ſchreckt werden und anderen Lebenskreiſen Kräfte zuführen, deren Be-
nutzung der Staat zur Erreichung würdiger Ziele und namentlich in
dem großen Kampfe um die höchſten Intereſſen der bürgerlichen Geſell-
ſchaft ſchwer wird entbehren können.
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 543. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/553>, abgerufen am 28.11.2024.
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