Von der Bestrafung der Uebertretungen im Allgemeinen.
lungsweise, obgleich sich die Staatsraths-Kommission Anfangs derselben wenig geneigt zeigte; b) der Entwurf von 1843. ist darnach ausgearbei- tet worden, und auch am Schluß des allgemeinen Theils, §. 127-40. finden sich einzelne allgemeine Bestimmungen über Polizei-Vergehen.
Bei der Revision von 1845. kam die Frage noch einmal zur Er- örterung. Der Preußische Landtag hatte zugleich mit andern Monenten darauf angetragen, alle Bestimmungen über Polizei-Vergehen aus dem Strafgesetzbuche auszuscheiden, und das ganze Gebiet der Polizei, for- mell und materiell, einer besonderen Polizei-Ordnung zuzuweisen. Von anderer Seite hatte man sich dagegen nur für die Absonderung der po- lizeilichen Strafvorschriften von den die eigentlichen Verbrechen betreffen- den Bestimmungen des Strafgesetzbuchs erklärt. Dieser Ansicht folgte das Ministerium für die Gesetz-Revision. Die Frage von der vollstän- digen Kodifikation des Polizeirechts, welcher bekannte innere und äußere Gründe entgegenständen, sei hier nicht zu erledigen; aber die Ausschei- dung der polizeilichen Strafbestimmungen, und zwar nach der Kompe- tenz der Behörden, sei aus Gründen der Zweckmäßigkeit dringend zu empfehlen. c) Der revidirte Entwurf von 1845. wurde nach dieser Me- thode abgefaßt, und dieselbe ist seitdem unangefochten geblieben; nur wurde später bei Annahme der Dreitheilung statt des Ausdrucks "Poli- zei-Vergehen" die Bezeichnung "Uebertretungen" gewählt.
Betrachtet man nun den Inhalt des dritten Theils des Strafgesetz- buchs, so ergiebt sich, daß derselbe, abgesehen von den allgemeinen Be- stimmungen des ersten Titels, auf folgende Kategorien zurückgeführt werden kann, welche freilich in dem angenommenen Systeme, das nur auf den Gegenstand der Uebertretungen Rücksicht nimmt, keine Beach- tung gefunden haben.
I. Da die Unterscheidung von Vergehen und Uebertretungen nicht nach dem Grunde der inneren Natur der Handlung, sondern nur nach dem äußeren Maaße der Strafbarkeit gemacht worden ist, so kommen, eben so wie sich unter den Vergehen Handlungen finden, welche nur aus polizeilichen Rücksichten mit Strafe bedroht sind, -- auch unter den Uebertretungen solche Fälle vor, welche keinen rein polizeilichen Charak- ter an sich tragen, und nur wegen des Strafmaaßes dem dritten Theile zugewiesen worden sind. Solche Uebertretungen mit krimineller Natur sind: die Thierquälerei (§. 340. Nr. 10.), die Bettelei, wenigstens das
b)Berathungs-Protokolle. I. S. 3. 4. 152.
c)Revision von 1845. I. S. 4. 5. Vgl. oben S. 60. 61.
Beseler Kommentar. 37
Von der Beſtrafung der Uebertretungen im Allgemeinen.
lungsweiſe, obgleich ſich die Staatsraths-Kommiſſion Anfangs derſelben wenig geneigt zeigte; b) der Entwurf von 1843. iſt darnach ausgearbei- tet worden, und auch am Schluß des allgemeinen Theils, §. 127-40. finden ſich einzelne allgemeine Beſtimmungen über Polizei-Vergehen.
Bei der Reviſion von 1845. kam die Frage noch einmal zur Er- örterung. Der Preußiſche Landtag hatte zugleich mit andern Monenten darauf angetragen, alle Beſtimmungen über Polizei-Vergehen aus dem Strafgeſetzbuche auszuſcheiden, und das ganze Gebiet der Polizei, for- mell und materiell, einer beſonderen Polizei-Ordnung zuzuweiſen. Von anderer Seite hatte man ſich dagegen nur für die Abſonderung der po- lizeilichen Strafvorſchriften von den die eigentlichen Verbrechen betreffen- den Beſtimmungen des Strafgeſetzbuchs erklärt. Dieſer Anſicht folgte das Miniſterium für die Geſetz-Reviſion. Die Frage von der vollſtän- digen Kodifikation des Polizeirechts, welcher bekannte innere und äußere Gründe entgegenſtänden, ſei hier nicht zu erledigen; aber die Ausſchei- dung der polizeilichen Strafbeſtimmungen, und zwar nach der Kompe- tenz der Behörden, ſei aus Gründen der Zweckmäßigkeit dringend zu empfehlen. c) Der revidirte Entwurf von 1845. wurde nach dieſer Me- thode abgefaßt, und dieſelbe iſt ſeitdem unangefochten geblieben; nur wurde ſpäter bei Annahme der Dreitheilung ſtatt des Ausdrucks „Poli- zei-Vergehen“ die Bezeichnung „Uebertretungen“ gewählt.
Betrachtet man nun den Inhalt des dritten Theils des Strafgeſetz- buchs, ſo ergiebt ſich, daß derſelbe, abgeſehen von den allgemeinen Be- ſtimmungen des erſten Titels, auf folgende Kategorien zurückgeführt werden kann, welche freilich in dem angenommenen Syſteme, das nur auf den Gegenſtand der Uebertretungen Rückſicht nimmt, keine Beach- tung gefunden haben.
I. Da die Unterſcheidung von Vergehen und Uebertretungen nicht nach dem Grunde der inneren Natur der Handlung, ſondern nur nach dem äußeren Maaße der Strafbarkeit gemacht worden iſt, ſo kommen, eben ſo wie ſich unter den Vergehen Handlungen finden, welche nur aus polizeilichen Rückſichten mit Strafe bedroht ſind, — auch unter den Uebertretungen ſolche Fälle vor, welche keinen rein polizeilichen Charak- ter an ſich tragen, und nur wegen des Strafmaaßes dem dritten Theile zugewieſen worden ſind. Solche Uebertretungen mit krimineller Natur ſind: die Thierquälerei (§. 340. Nr. 10.), die Bettelei, wenigſtens das
b)Berathungs-Protokolle. I. S. 3. 4. 152.
c)Reviſion von 1845. I. S. 4. 5. Vgl. oben S. 60. 61.
Beſeler Kommentar. 37
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[569/0579]
Von der Beſtrafung der Uebertretungen im Allgemeinen.
lungsweiſe, obgleich ſich die Staatsraths-Kommiſſion Anfangs derſelben
wenig geneigt zeigte; b) der Entwurf von 1843. iſt darnach ausgearbei-
tet worden, und auch am Schluß des allgemeinen Theils, §. 127-40.
finden ſich einzelne allgemeine Beſtimmungen über Polizei-Vergehen.
Bei der Reviſion von 1845. kam die Frage noch einmal zur Er-
örterung. Der Preußiſche Landtag hatte zugleich mit andern Monenten
darauf angetragen, alle Beſtimmungen über Polizei-Vergehen aus dem
Strafgeſetzbuche auszuſcheiden, und das ganze Gebiet der Polizei, for-
mell und materiell, einer beſonderen Polizei-Ordnung zuzuweiſen. Von
anderer Seite hatte man ſich dagegen nur für die Abſonderung der po-
lizeilichen Strafvorſchriften von den die eigentlichen Verbrechen betreffen-
den Beſtimmungen des Strafgeſetzbuchs erklärt. Dieſer Anſicht folgte
das Miniſterium für die Geſetz-Reviſion. Die Frage von der vollſtän-
digen Kodifikation des Polizeirechts, welcher bekannte innere und äußere
Gründe entgegenſtänden, ſei hier nicht zu erledigen; aber die Ausſchei-
dung der polizeilichen Strafbeſtimmungen, und zwar nach der Kompe-
tenz der Behörden, ſei aus Gründen der Zweckmäßigkeit dringend zu
empfehlen. c) Der revidirte Entwurf von 1845. wurde nach dieſer Me-
thode abgefaßt, und dieſelbe iſt ſeitdem unangefochten geblieben; nur
wurde ſpäter bei Annahme der Dreitheilung ſtatt des Ausdrucks „Poli-
zei-Vergehen“ die Bezeichnung „Uebertretungen“ gewählt.
Betrachtet man nun den Inhalt des dritten Theils des Strafgeſetz-
buchs, ſo ergiebt ſich, daß derſelbe, abgeſehen von den allgemeinen Be-
ſtimmungen des erſten Titels, auf folgende Kategorien zurückgeführt
werden kann, welche freilich in dem angenommenen Syſteme, das nur
auf den Gegenſtand der Uebertretungen Rückſicht nimmt, keine Beach-
tung gefunden haben.
I. Da die Unterſcheidung von Vergehen und Uebertretungen nicht
nach dem Grunde der inneren Natur der Handlung, ſondern nur nach
dem äußeren Maaße der Strafbarkeit gemacht worden iſt, ſo kommen,
eben ſo wie ſich unter den Vergehen Handlungen finden, welche nur
aus polizeilichen Rückſichten mit Strafe bedroht ſind, — auch unter den
Uebertretungen ſolche Fälle vor, welche keinen rein polizeilichen Charak-
ter an ſich tragen, und nur wegen des Strafmaaßes dem dritten Theile
zugewieſen worden ſind. Solche Uebertretungen mit krimineller Natur
ſind: die Thierquälerei (§. 340. Nr. 10.), die Bettelei, wenigſtens das
b) Berathungs-Protokolle. I. S. 3. 4. 152.
c) Reviſion von 1845. I. S. 4. 5. Vgl. oben S. 60. 61.
Beſeler Kommentar. 37
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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/579>, abgerufen am 26.11.2024.
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