Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.Theil I. Von der Bestrafung der Verbrechen u. Vergehen im Allg. Die Nebenstrafen treten nur verstärkend zu den Hauptstrafen hinzu;aber sie tragen den Charakter der Strafe an sich, und sind nicht bloß Mittel vorläufiger Sicherung, wie die Verhaftung, die Beschlagnahme des Vermögens (§. 73. 110.). -- Darnach enthält das Gesetzbuch fol- gendes Strafsystem: A. Hauptstrafen. I. Die Todesstrafe. Die früheren Schärfungen sind beseitigt; II. Freiheitsstrafen. Von diesen giebt es folgende Arten: 1) Die Zuchthausstrafe. Sie hat den Verlust der bürgerlichen Ehre von Rechtswegen zur Folge, so wie während ihrer Dauer die Be- schränkung der Rechtsfähigkeit des Verurtheilten in Beziehung auf sein Vermögen. Die Zuchthausstrafe ist entweder lebenslänglich oder auf Zeit, nämlich von zwei bis zwanzig Jahren. 2) Die Einschließung. Diese Strafe besteht in einfacher Frei- heitsentziehung, und kommt, jedoch nur in seltenen Fällen, selbständig vor oder tritt im Fall mildernder Umstände an die Stelle der Zuchthaus- strafe. Die kürzeste Dauer der Einschließung (wie überhaupt der Frei- heitsstrafen, mit Ausnahme des Zuchthauses) ist Ein Tag, die längste Dauer beträgt zwanzig Jahre. 3) Die Gefängnißstrafe. Diese tritt ein a. bei den Vergehen. Die Verurtheilten können in einer ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessenen Weise beschäftigt werden; die längste Dauer der Strafe ist, wenn das Gesetz nicht ein Anderes bestimmt, fünf Jahre. b. bei Uebertretungen. Die polizeiliche Gefängnißstrafe besteht, mit Ausnahme Eines Falls (§. 341.), in einfacher Freiheitsentziehung; sie kann höchstens auf sechs Wochen erkannt werden. III. Die Geldbuße. Diese kommt vor: 1) ausschließlich, ohne weiteren Zusatz; 2) alternativ, so daß dem Richter die Wahl zwischen Gefängniß und Geldbuße gelassen ist, und zwar sowohl bei bestimmten Vergehen als auch bei den Uebertretungen. Bei letzteren ist diese Wahl sogar regelmäßig dem Richter gegeben; doch ist das Maximum der Geldbuße auf fünfzig Thaler festgesetzt. 3) cumulativ, indem in gewissen Fällen zu einer Freiheitsstrafe eine Geldbuße verstärkend hinzutritt. B. Nebenstrafen. I. Ehrenstrafen. 1) Der Verlust der bürgerlichen Ehre tritt als die noth- Theil I. Von der Beſtrafung der Verbrechen u. Vergehen im Allg. Die Nebenſtrafen treten nur verſtärkend zu den Hauptſtrafen hinzu;aber ſie tragen den Charakter der Strafe an ſich, und ſind nicht bloß Mittel vorläufiger Sicherung, wie die Verhaftung, die Beſchlagnahme des Vermögens (§. 73. 110.). — Darnach enthält das Geſetzbuch fol- gendes Strafſyſtem: A. Hauptſtrafen. I. Die Todesſtrafe. Die früheren Schärfungen ſind beſeitigt; II. Freiheitsſtrafen. Von dieſen giebt es folgende Arten: 1) Die Zuchthausſtrafe. Sie hat den Verluſt der bürgerlichen Ehre von Rechtswegen zur Folge, ſo wie während ihrer Dauer die Be- ſchränkung der Rechtsfähigkeit des Verurtheilten in Beziehung auf ſein Vermögen. Die Zuchthausſtrafe iſt entweder lebenslänglich oder auf Zeit, nämlich von zwei bis zwanzig Jahren. 2) Die Einſchließung. Dieſe Strafe beſteht in einfacher Frei- heitsentziehung, und kommt, jedoch nur in ſeltenen Fällen, ſelbſtändig vor oder tritt im Fall mildernder Umſtände an die Stelle der Zuchthaus- ſtrafe. Die kürzeſte Dauer der Einſchließung (wie überhaupt der Frei- heitsſtrafen, mit Ausnahme des Zuchthauſes) iſt Ein Tag, die längſte Dauer beträgt zwanzig Jahre. 3) Die Gefängnißſtrafe. Dieſe tritt ein a. bei den Vergehen. Die Verurtheilten können in einer ihren Fähigkeiten und Verhältniſſen angemeſſenen Weiſe beſchäftigt werden; die längſte Dauer der Strafe iſt, wenn das Geſetz nicht ein Anderes beſtimmt, fünf Jahre. b. bei Uebertretungen. Die polizeiliche Gefängnißſtrafe beſteht, mit Ausnahme Eines Falls (§. 341.), in einfacher Freiheitsentziehung; ſie kann höchſtens auf ſechs Wochen erkannt werden. III. Die Geldbuße. Dieſe kommt vor: 1) ausſchließlich, ohne weiteren Zuſatz; 2) alternativ, ſo daß dem Richter die Wahl zwiſchen Gefängniß und Geldbuße gelaſſen iſt, und zwar ſowohl bei beſtimmten Vergehen als auch bei den Uebertretungen. Bei letzteren iſt dieſe Wahl ſogar regelmäßig dem Richter gegeben; doch iſt das Maximum der Geldbuße auf fünfzig Thaler feſtgeſetzt. 3) cumulativ, indem in gewiſſen Fällen zu einer Freiheitsſtrafe eine Geldbuße verſtärkend hinzutritt. B. Nebenſtrafen. I. 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Theil I. Von der Beſtrafung der Verbrechen u. Vergehen im Allg.
Die Nebenſtrafen treten nur verſtärkend zu den Hauptſtrafen hinzu;
aber ſie tragen den Charakter der Strafe an ſich, und ſind nicht bloß
Mittel vorläufiger Sicherung, wie die Verhaftung, die Beſchlagnahme
des Vermögens (§. 73. 110.). — Darnach enthält das Geſetzbuch fol-
gendes Strafſyſtem:
A. Hauptſtrafen.
I. Die Todesſtrafe. Die früheren Schärfungen ſind beſeitigt;
nur auf den Verluſt der bürgerlichen Ehre kann neben der Todesſtrafe
erkannt werden.
II. Freiheitsſtrafen. Von dieſen giebt es folgende Arten:
1) Die Zuchthausſtrafe. Sie hat den Verluſt der bürgerlichen
Ehre von Rechtswegen zur Folge, ſo wie während ihrer Dauer die Be-
ſchränkung der Rechtsfähigkeit des Verurtheilten in Beziehung auf ſein
Vermögen. Die Zuchthausſtrafe iſt entweder lebenslänglich oder auf
Zeit, nämlich von zwei bis zwanzig Jahren.
2) Die Einſchließung. Dieſe Strafe beſteht in einfacher Frei-
heitsentziehung, und kommt, jedoch nur in ſeltenen Fällen, ſelbſtändig
vor oder tritt im Fall mildernder Umſtände an die Stelle der Zuchthaus-
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3) Die Gefängnißſtrafe. Dieſe tritt ein
a. bei den Vergehen. Die Verurtheilten können in einer ihren
Fähigkeiten und Verhältniſſen angemeſſenen Weiſe beſchäftigt
werden; die längſte Dauer der Strafe iſt, wenn das Geſetz nicht
ein Anderes beſtimmt, fünf Jahre.
b. bei Uebertretungen. Die polizeiliche Gefängnißſtrafe beſteht, mit
Ausnahme Eines Falls (§. 341.), in einfacher Freiheitsentziehung; ſie
kann höchſtens auf ſechs Wochen erkannt werden.
III. Die Geldbuße. Dieſe kommt vor:
1) ausſchließlich, ohne weiteren Zuſatz;
2) alternativ, ſo daß dem Richter die Wahl zwiſchen Gefängniß
und Geldbuße gelaſſen iſt, und zwar ſowohl bei beſtimmten Vergehen
als auch bei den Uebertretungen. Bei letzteren iſt dieſe Wahl ſogar
regelmäßig dem Richter gegeben; doch iſt das Maximum der Geldbuße
auf fünfzig Thaler feſtgeſetzt.
3) cumulativ, indem in gewiſſen Fällen zu einer Freiheitsſtrafe
eine Geldbuße verſtärkend hinzutritt.
B. Nebenſtrafen.
I. Ehrenſtrafen.
1) Der Verluſt der bürgerlichen Ehre tritt als die noth-
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