Um Wiederholungen zu vermeiden und für die weitere Ent- wicklung die rechte Grundlage zu gewinnen, habe ich es für nöthig gehalten, bevor ich zu dem eigentlichen Gegenstande die- ser Abhandlung übergehe, eine kurze historische Einleitung vor- auszuschicken. Die Aufgabe derselben ist leicht zu bestimmen: sie soll in wenigen, einfachen Zügen die Geschichte des deut- schen Rechts von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart geben, und nicht bloß zeigen, in welcher Weise und aus wel- chen Elementen sich der heutige Rechtszustand in Deutschland gebildet hat, sondern auch namentlich darthun, wie zu allen Zeiten die Beschaffenheit des Rechts mit dem ganzen öffentli- chen Leben der Nation in dem engsten Zusammenhange ge- standen und von demselben bedingt worden ist. Durch eine solche Betrachtung wird sich über Manches, was bei einer einseitigen, bloß juristischen Auffassung kaum erklärlich scheint, das rechte Verständniß gewinnen lassen, vor Allem auch über die Aufnahme des römischen Rechts in Deutschland und deren Bedeutung für die Gegenwart. Aber es stehen auch einer Darstellung, welche den angegebenen Zweck erreichen soll, keine geringen Schwierigkeiten entgegen. Aus dem ganzen reichen Material kann nur mit einer, allein durch den richtigen Tact
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Erſtes Kapitel. Hiſtoriſche Einleitung.
Um Wiederholungen zu vermeiden und fuͤr die weitere Ent- wicklung die rechte Grundlage zu gewinnen, habe ich es fuͤr noͤthig gehalten, bevor ich zu dem eigentlichen Gegenſtande die- ſer Abhandlung uͤbergehe, eine kurze hiſtoriſche Einleitung vor- auszuſchicken. Die Aufgabe derſelben iſt leicht zu beſtimmen: ſie ſoll in wenigen, einfachen Zuͤgen die Geſchichte des deut- ſchen Rechts von den aͤlteſten Zeiten bis auf die Gegenwart geben, und nicht bloß zeigen, in welcher Weiſe und aus wel- chen Elementen ſich der heutige Rechtszuſtand in Deutſchland gebildet hat, ſondern auch namentlich darthun, wie zu allen Zeiten die Beſchaffenheit des Rechts mit dem ganzen oͤffentli- chen Leben der Nation in dem engſten Zuſammenhange ge- ſtanden und von demſelben bedingt worden iſt. Durch eine ſolche Betrachtung wird ſich uͤber Manches, was bei einer einſeitigen, bloß juriſtiſchen Auffaſſung kaum erklaͤrlich ſcheint, das rechte Verſtaͤndniß gewinnen laſſen, vor Allem auch uͤber die Aufnahme des roͤmiſchen Rechts in Deutſchland und deren Bedeutung fuͤr die Gegenwart. Aber es ſtehen auch einer Darſtellung, welche den angegebenen Zweck erreichen ſoll, keine geringen Schwierigkeiten entgegen. Aus dem ganzen reichen Material kann nur mit einer, allein durch den richtigen Tact
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[[3]/0015]
Erſtes Kapitel.
Hiſtoriſche Einleitung.
Um Wiederholungen zu vermeiden und fuͤr die weitere Ent-
wicklung die rechte Grundlage zu gewinnen, habe ich es fuͤr
noͤthig gehalten, bevor ich zu dem eigentlichen Gegenſtande die-
ſer Abhandlung uͤbergehe, eine kurze hiſtoriſche Einleitung vor-
auszuſchicken. Die Aufgabe derſelben iſt leicht zu beſtimmen:
ſie ſoll in wenigen, einfachen Zuͤgen die Geſchichte des deut-
ſchen Rechts von den aͤlteſten Zeiten bis auf die Gegenwart
geben, und nicht bloß zeigen, in welcher Weiſe und aus wel-
chen Elementen ſich der heutige Rechtszuſtand in Deutſchland
gebildet hat, ſondern auch namentlich darthun, wie zu allen
Zeiten die Beſchaffenheit des Rechts mit dem ganzen oͤffentli-
chen Leben der Nation in dem engſten Zuſammenhange ge-
ſtanden und von demſelben bedingt worden iſt. Durch eine
ſolche Betrachtung wird ſich uͤber Manches, was bei einer
einſeitigen, bloß juriſtiſchen Auffaſſung kaum erklaͤrlich ſcheint,
das rechte Verſtaͤndniß gewinnen laſſen, vor Allem auch uͤber
die Aufnahme des roͤmiſchen Rechts in Deutſchland und deren
Bedeutung fuͤr die Gegenwart. Aber es ſtehen auch einer
Darſtellung, welche den angegebenen Zweck erreichen ſoll, keine
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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/15>, abgerufen am 21.11.2024.
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