Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Fortsetzung. -- Das Recht der Genossenschaft. wägen, daß überhaupt die Rechtsinstitute in ihrer freien Ent-faltung nicht immer so von einander getrennt bleiben, daß sie nach bestimmten juristischen Begriffen genau zu classificiren sind, und daß namentlich in Zeiten, welche noch keine scharf ausgeprägte Staatsgewalt kennen, das rein politische und das privatrechtliche Element der Rechtsbildung vielfach in einander überzugreifen pflegen. Es kommt dann vor Allem darauf an das Gemeinsame in dem höheren Institute, welches hier die Corporation ist, darzustellen, und dem Besonderen, der Genos- senschaft, wiederum eine selbständige Betrachtung zu widmen. In Beziehung auf diese Verhältnisse besteht nun aber 11*
Fortſetzung. — Das Recht der Genoſſenſchaft. waͤgen, daß uͤberhaupt die Rechtsinſtitute in ihrer freien Ent-faltung nicht immer ſo von einander getrennt bleiben, daß ſie nach beſtimmten juriſtiſchen Begriffen genau zu claſſificiren ſind, und daß namentlich in Zeiten, welche noch keine ſcharf ausgepraͤgte Staatsgewalt kennen, das rein politiſche und das privatrechtliche Element der Rechtsbildung vielfach in einander uͤberzugreifen pflegen. Es kommt dann vor Allem darauf an das Gemeinſame in dem hoͤheren Inſtitute, welches hier die Corporation iſt, darzuſtellen, und dem Beſonderen, der Genoſ- ſenſchaft, wiederum eine ſelbſtaͤndige Betrachtung zu widmen. In Beziehung auf dieſe Verhaͤltniſſe beſteht nun aber 11*
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Fortſetzung. — Das Recht der Genoſſenſchaft.
waͤgen, daß uͤberhaupt die Rechtsinſtitute in ihrer freien Ent-
faltung nicht immer ſo von einander getrennt bleiben, daß ſie
nach beſtimmten juriſtiſchen Begriffen genau zu claſſificiren
ſind, und daß namentlich in Zeiten, welche noch keine ſcharf
ausgepraͤgte Staatsgewalt kennen, das rein politiſche und das
privatrechtliche Element der Rechtsbildung vielfach in einander
uͤberzugreifen pflegen. Es kommt dann vor Allem darauf an
das Gemeinſame in dem hoͤheren Inſtitute, welches hier die
Corporation iſt, darzuſtellen, und dem Beſonderen, der Genoſ-
ſenſchaft, wiederum eine ſelbſtaͤndige Betrachtung zu widmen.
In Beziehung auf dieſe Verhaͤltniſſe beſteht nun aber
eine große Verſchiedenheit zwiſchen dem roͤmiſchen und deut-
ſchen Rechte. Jenes kennt fuͤr die Vereinigung der Menſchen
zu beſtimmten Zwecken, abgeſehen von der uͤbrigens durchweg
als communio behandelten Ehe, nur zwei, einander ſchroff
gegenuͤberſtehende Formen: die universitas und die communio,
welche, wenn ſie durch Vertrag eingegangen iſt, societas heißt.
Erſtere tritt als die reine Durchfuͤhrung des Begriffs der juriſti-
ſchen Perſon auf: die einzelnen Mitglieder kommen nur in
ihrer Beziehung zur Geſammtheit in Betracht, und dieſe iſt
in den Angelegenheiten der Corporation ausſchließlich berech-
tigt und verpflichtet. Die Bedeutung einer ſolchen universi-
tas aber war, wie leicht zu erachten, in dem roͤmiſch-byzanti-
niſchen Reiche nicht erheblich; nur die Stadtgemeinden nehmen
wenigſtens ein juriſtiſches Intereſſe in Anſpruch; die Genoſ-
ſenſchaften dagegen kommen, abgeſehen von einigen aͤrmlichen,
polizeilich beſchraͤnkten Erſcheinungen, faſt gar nicht vor: es
fehlte dazu der Aſſociationsgeiſt und die Freiheit der Bewe-
gung. — Im Gegenſatz zur univcrsitas beruht nun die
communio durchaus auf dem Willen der Einzelnen: nur dieſe
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