Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Sechstes Kapitel sind pro rata berechtigt und verpflichtet, und selbst eine soli-darische Verhaftung muß erst durch andere Mittel, z. B. durch ein Mandat begründet werden. Die Gemeinschaft als solche hat keine selbständige Persönlichkeit, sie hängt in ihrer Existenz davon ab, ob die Einzelnen ihre Mitglieder bleiben oder blei- ben wollen: der Tod oder der freiwillige Rücktritt eines Ein- zigen hebt die ganze Vereinigung auf; an einen Uebergang auf die Erben ist nicht zu denken; selbst vertragsmäßige Ver- abredungen über die Dauer können nur auf bestimmte Zeit, höchstens bis auf den Tod eines Gesellschafters geschlossen werden. -- Zwischen diesen Extremen kennt das römische Recht keine Vermittlung; es gestattet stets die Frage: liegt im Fall einer solchen Vereinigung eine universitas oder eine com- munio vor? Ganz anders aber verhält sich die Sache nach deutschem Sechſtes Kapitel ſind pro rata berechtigt und verpflichtet, und ſelbſt eine ſoli-dariſche Verhaftung muß erſt durch andere Mittel, z. B. durch ein Mandat begruͤndet werden. Die Gemeinſchaft als ſolche hat keine ſelbſtaͤndige Perſoͤnlichkeit, ſie haͤngt in ihrer Exiſtenz davon ab, ob die Einzelnen ihre Mitglieder bleiben oder blei- ben wollen: der Tod oder der freiwillige Ruͤcktritt eines Ein- zigen hebt die ganze Vereinigung auf; an einen Uebergang auf die Erben iſt nicht zu denken; ſelbſt vertragsmaͤßige Ver- abredungen uͤber die Dauer koͤnnen nur auf beſtimmte Zeit, hoͤchſtens bis auf den Tod eines Geſellſchafters geſchloſſen werden. — Zwiſchen dieſen Extremen kennt das roͤmiſche Recht keine Vermittlung; es geſtattet ſtets die Frage: liegt im Fall einer ſolchen Vereinigung eine universitas oder eine com- munio vor? Ganz anders aber verhaͤlt ſich die Sache nach deutſchem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0176" n="164"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Sechſtes Kapitel</hi></fw><lb/> ſind <hi rendition="#aq">pro rata</hi> berechtigt und verpflichtet, und ſelbſt eine ſoli-<lb/> dariſche Verhaftung muß erſt durch andere Mittel, z. B. durch<lb/> ein Mandat begruͤndet werden. Die Gemeinſchaft als ſolche<lb/> hat keine ſelbſtaͤndige Perſoͤnlichkeit, ſie haͤngt in ihrer Exiſtenz<lb/> davon ab, ob die Einzelnen ihre Mitglieder bleiben oder blei-<lb/> ben wollen: der Tod oder der freiwillige Ruͤcktritt eines Ein-<lb/> zigen hebt die ganze Vereinigung auf; an einen Uebergang<lb/> auf die Erben iſt nicht zu denken; ſelbſt vertragsmaͤßige Ver-<lb/> abredungen uͤber die Dauer koͤnnen nur auf beſtimmte Zeit,<lb/> hoͤchſtens bis auf den Tod eines Geſellſchafters geſchloſſen<lb/> werden. — Zwiſchen dieſen Extremen kennt das roͤmiſche Recht<lb/> keine Vermittlung; es geſtattet ſtets die Frage: liegt im Fall<lb/> einer ſolchen Vereinigung eine <hi rendition="#aq">universitas</hi> oder eine <hi rendition="#aq">com-<lb/> munio</hi> vor?</p><lb/> <p>Ganz anders aber verhaͤlt ſich die Sache nach deutſchem<lb/> Rechte. Selbſt in der Gemeinde finden ſich hier Modificatio-<lb/> nen des ſtrengen Begriffs der juriſtiſchen Perſon, indem na-<lb/> mentlich in Beziehung auf gewiſſe Gemeindeguͤter Sonder-<lb/> rechte der einzelnen Mitglieder vorkommen, fuͤr welche das<lb/> roͤmiſche Recht keine entſprechenden Begriffe hat. Noch mehr<lb/> aber haben ſolche Abweichungen bei der deutſchen Genoſſen-<lb/> ſchaft ſtatt, indem hier unter den mannichfaltigſten Combina-<lb/> tionen das Recht der Geſammtheit mit dem der einzelnen<lb/> Mitglieder durchwachſen iſt, und namentlich in Beziehung<lb/> auf das Vermoͤgen eine Verbindung der <hi rendition="#aq">universitas</hi> mit<lb/> der <hi rendition="#aq">communio</hi> vorliegt. Daraus ſind denn ganz ſelbſtaͤndige<lb/> Inſtitute hervorgegangen, deren rechtliche Beurtheilung nur<lb/> dann moͤglich wird, wenn man dem allgemeinen Princip, wel-<lb/> ches hier gewaltet hat, nachgeht, und zugleich jede beſondere<lb/> Erſcheinung in ihrer Eigenthuͤmlichkeit auffaßt. Man kann<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [164/0176]
Sechſtes Kapitel
ſind pro rata berechtigt und verpflichtet, und ſelbſt eine ſoli-
dariſche Verhaftung muß erſt durch andere Mittel, z. B. durch
ein Mandat begruͤndet werden. Die Gemeinſchaft als ſolche
hat keine ſelbſtaͤndige Perſoͤnlichkeit, ſie haͤngt in ihrer Exiſtenz
davon ab, ob die Einzelnen ihre Mitglieder bleiben oder blei-
ben wollen: der Tod oder der freiwillige Ruͤcktritt eines Ein-
zigen hebt die ganze Vereinigung auf; an einen Uebergang
auf die Erben iſt nicht zu denken; ſelbſt vertragsmaͤßige Ver-
abredungen uͤber die Dauer koͤnnen nur auf beſtimmte Zeit,
hoͤchſtens bis auf den Tod eines Geſellſchafters geſchloſſen
werden. — Zwiſchen dieſen Extremen kennt das roͤmiſche Recht
keine Vermittlung; es geſtattet ſtets die Frage: liegt im Fall
einer ſolchen Vereinigung eine universitas oder eine com-
munio vor?
Ganz anders aber verhaͤlt ſich die Sache nach deutſchem
Rechte. Selbſt in der Gemeinde finden ſich hier Modificatio-
nen des ſtrengen Begriffs der juriſtiſchen Perſon, indem na-
mentlich in Beziehung auf gewiſſe Gemeindeguͤter Sonder-
rechte der einzelnen Mitglieder vorkommen, fuͤr welche das
roͤmiſche Recht keine entſprechenden Begriffe hat. Noch mehr
aber haben ſolche Abweichungen bei der deutſchen Genoſſen-
ſchaft ſtatt, indem hier unter den mannichfaltigſten Combina-
tionen das Recht der Geſammtheit mit dem der einzelnen
Mitglieder durchwachſen iſt, und namentlich in Beziehung
auf das Vermoͤgen eine Verbindung der universitas mit
der communio vorliegt. Daraus ſind denn ganz ſelbſtaͤndige
Inſtitute hervorgegangen, deren rechtliche Beurtheilung nur
dann moͤglich wird, wenn man dem allgemeinen Princip, wel-
ches hier gewaltet hat, nachgeht, und zugleich jede beſondere
Erſcheinung in ihrer Eigenthuͤmlichkeit auffaßt. Man kann
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