Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Fortsetzung. -- Das Recht der Genossenschaft.
dieß in der juristischen Terminologie so ausdrücken, daß bei
jeder Art der Genossenschaft zu untersuchen ist, in wieweit der
Begriff der universitas von dem der communio modificirt
wird; nur versteht es sich von selbst, daß beide nicht in bloß
äußerlicher Verbindung neben einander gedacht werden dürfen,
sondern daß sie sich eben zu einem organischen Gefüge zusam-
mengethan haben, welches gerade das Wesen des Instituts
ausmacht*), aber in seinen verschiedenen Erscheinungen wieder
verschieden gestaltet seyn kann, je nachdem der besondere Zweck
der Vereine und ihre eigenthümlichen Verfassungen es mit sich
bringen. Im Folgenden sollen nun zuvörderst die wichtigsten
Arten der Genossenschaften, wie sie im heutigen Rechtsleben
vorkommen, kurz angegeben werden.

1. Genossenschaften von unmittelbar politi-
scher Bedeutung
. Dahin kann man auf gewisse Weise
den deutschen Bund rechnen; desgleichen den deutschen Zoll-
verein, wenn er nicht mehr auf Kündigung stände. Außerdem
sind die einzelnen regierenden Häuser zu nennen, sowohl in
ihrer Gesammtheit als auch in den selbständigen Linien; die
Corporationen der landsässigen Ritterschaft, insofern sie be-
stimmte politische Rechte ausüben; die Universitäten und geist-
lichen Stifter unter derselben Voraussetzung; die Zünfte und
Gilden, wenn auf ihnen noch die städtische Verfassung beruht.

2. Genossenschaften der Grundbesitzer eines
bestimmten Bezirkes
. Hier kommen die Ueberreste der

*) So hat z. B. Mittermaier (Grundsätze des deutschen Privatrechts
[6. Aufl.] I. §. 251.) richtig erkannt, daß die Gewerkschaft im Bergrecht
weder eine reine universitas noch eine societas ist; aber er läßt beide
Begriffe nur neben einander bestehen, ohne zu zeigen, wie sie zu einer
neuen, selbständigen Rechtsbildung zusammengeflossen sind.

Fortſetzung. — Das Recht der Genoſſenſchaft.
dieß in der juriſtiſchen Terminologie ſo ausdruͤcken, daß bei
jeder Art der Genoſſenſchaft zu unterſuchen iſt, in wieweit der
Begriff der universitas von dem der communio modificirt
wird; nur verſteht es ſich von ſelbſt, daß beide nicht in bloß
aͤußerlicher Verbindung neben einander gedacht werden duͤrfen,
ſondern daß ſie ſich eben zu einem organiſchen Gefuͤge zuſam-
mengethan haben, welches gerade das Weſen des Inſtituts
ausmacht*), aber in ſeinen verſchiedenen Erſcheinungen wieder
verſchieden geſtaltet ſeyn kann, je nachdem der beſondere Zweck
der Vereine und ihre eigenthuͤmlichen Verfaſſungen es mit ſich
bringen. Im Folgenden ſollen nun zuvoͤrderſt die wichtigſten
Arten der Genoſſenſchaften, wie ſie im heutigen Rechtsleben
vorkommen, kurz angegeben werden.

1. Genoſſenſchaften von unmittelbar politi-
ſcher Bedeutung
. Dahin kann man auf gewiſſe Weiſe
den deutſchen Bund rechnen; desgleichen den deutſchen Zoll-
verein, wenn er nicht mehr auf Kuͤndigung ſtaͤnde. Außerdem
ſind die einzelnen regierenden Haͤuſer zu nennen, ſowohl in
ihrer Geſammtheit als auch in den ſelbſtaͤndigen Linien; die
Corporationen der landſaͤſſigen Ritterſchaft, inſofern ſie be-
ſtimmte politiſche Rechte ausuͤben; die Univerſitaͤten und geiſt-
lichen Stifter unter derſelben Vorausſetzung; die Zuͤnfte und
Gilden, wenn auf ihnen noch die ſtaͤdtiſche Verfaſſung beruht.

2. Genoſſenſchaften der Grundbeſitzer eines
beſtimmten Bezirkes
. Hier kommen die Ueberreſte der

*) So hat z. B. Mittermaier (Grundſaͤtze des deutſchen Privatrechts
[6. Aufl.] I. §. 251.) richtig erkannt, daß die Gewerkſchaft im Bergrecht
weder eine reine universitas noch eine societas iſt; aber er laͤßt beide
Begriffe nur neben einander beſtehen, ohne zu zeigen, wie ſie zu einer
neuen, ſelbſtaͤndigen Rechtsbildung zuſammengefloſſen ſind.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0177" n="165"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fort&#x017F;etzung. &#x2014; Das Recht der Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft</hi>.</fw><lb/>
dieß in der juri&#x017F;ti&#x017F;chen Terminologie &#x017F;o ausdru&#x0364;cken, daß bei<lb/>
jeder Art der Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft zu unter&#x017F;uchen i&#x017F;t, in wieweit der<lb/>
Begriff der <hi rendition="#aq">universitas</hi> von dem der <hi rendition="#aq">communio</hi> modificirt<lb/>
wird; nur ver&#x017F;teht es &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t, daß beide nicht in bloß<lb/>
a&#x0364;ußerlicher Verbindung neben einander gedacht werden du&#x0364;rfen,<lb/>
&#x017F;ondern daß &#x017F;ie &#x017F;ich eben zu einem organi&#x017F;chen Gefu&#x0364;ge zu&#x017F;am-<lb/>
mengethan haben, welches gerade das We&#x017F;en des In&#x017F;tituts<lb/>
ausmacht<note place="foot" n="*)">So hat z. B. Mittermaier (Grund&#x017F;a&#x0364;tze des deut&#x017F;chen Privatrechts<lb/>
[6. Aufl.] <hi rendition="#aq">I.</hi> §. 251.) richtig erkannt, daß die Gewerk&#x017F;chaft im Bergrecht<lb/>
weder eine reine <hi rendition="#aq">universitas</hi> noch eine <hi rendition="#aq">societas</hi> i&#x017F;t; aber er la&#x0364;ßt beide<lb/>
Begriffe nur neben einander be&#x017F;tehen, ohne zu zeigen, wie &#x017F;ie zu einer<lb/>
neuen, &#x017F;elb&#x017F;ta&#x0364;ndigen Rechtsbildung zu&#x017F;ammengeflo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind.</note>, aber in &#x017F;einen ver&#x017F;chiedenen Er&#x017F;cheinungen wieder<lb/>
ver&#x017F;chieden ge&#x017F;taltet &#x017F;eyn kann, je nachdem der be&#x017F;ondere Zweck<lb/>
der Vereine und ihre eigenthu&#x0364;mlichen Verfa&#x017F;&#x017F;ungen es mit &#x017F;ich<lb/>
bringen. Im Folgenden &#x017F;ollen nun zuvo&#x0364;rder&#x017F;t die wichtig&#x017F;ten<lb/>
Arten der Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, wie &#x017F;ie im heutigen Rechtsleben<lb/>
vorkommen, kurz angegeben werden.</p><lb/>
            <p>1. <hi rendition="#g">Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften von unmittelbar politi-<lb/>
&#x017F;cher Bedeutung</hi>. Dahin kann man auf gewi&#x017F;&#x017F;e Wei&#x017F;e<lb/>
den deut&#x017F;chen Bund rechnen; desgleichen den deut&#x017F;chen Zoll-<lb/>
verein, wenn er nicht mehr auf Ku&#x0364;ndigung &#x017F;ta&#x0364;nde. Außerdem<lb/>
&#x017F;ind die einzelnen regierenden Ha&#x0364;u&#x017F;er zu nennen, &#x017F;owohl in<lb/>
ihrer Ge&#x017F;ammtheit als auch in den &#x017F;elb&#x017F;ta&#x0364;ndigen Linien; die<lb/>
Corporationen der land&#x017F;a&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Ritter&#x017F;chaft, in&#x017F;ofern &#x017F;ie be-<lb/>
&#x017F;timmte politi&#x017F;che Rechte ausu&#x0364;ben; die Univer&#x017F;ita&#x0364;ten und gei&#x017F;t-<lb/>
lichen Stifter unter der&#x017F;elben Voraus&#x017F;etzung; die Zu&#x0364;nfte und<lb/>
Gilden, wenn auf ihnen noch die &#x017F;ta&#x0364;dti&#x017F;che Verfa&#x017F;&#x017F;ung beruht.</p><lb/>
            <p>2. <hi rendition="#g">Geno&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften der Grundbe&#x017F;itzer eines<lb/>
be&#x017F;timmten Bezirkes</hi>. Hier kommen die Ueberre&#x017F;te der<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0177] Fortſetzung. — Das Recht der Genoſſenſchaft. dieß in der juriſtiſchen Terminologie ſo ausdruͤcken, daß bei jeder Art der Genoſſenſchaft zu unterſuchen iſt, in wieweit der Begriff der universitas von dem der communio modificirt wird; nur verſteht es ſich von ſelbſt, daß beide nicht in bloß aͤußerlicher Verbindung neben einander gedacht werden duͤrfen, ſondern daß ſie ſich eben zu einem organiſchen Gefuͤge zuſam- mengethan haben, welches gerade das Weſen des Inſtituts ausmacht *), aber in ſeinen verſchiedenen Erſcheinungen wieder verſchieden geſtaltet ſeyn kann, je nachdem der beſondere Zweck der Vereine und ihre eigenthuͤmlichen Verfaſſungen es mit ſich bringen. Im Folgenden ſollen nun zuvoͤrderſt die wichtigſten Arten der Genoſſenſchaften, wie ſie im heutigen Rechtsleben vorkommen, kurz angegeben werden. 1. Genoſſenſchaften von unmittelbar politi- ſcher Bedeutung. Dahin kann man auf gewiſſe Weiſe den deutſchen Bund rechnen; desgleichen den deutſchen Zoll- verein, wenn er nicht mehr auf Kuͤndigung ſtaͤnde. Außerdem ſind die einzelnen regierenden Haͤuſer zu nennen, ſowohl in ihrer Geſammtheit als auch in den ſelbſtaͤndigen Linien; die Corporationen der landſaͤſſigen Ritterſchaft, inſofern ſie be- ſtimmte politiſche Rechte ausuͤben; die Univerſitaͤten und geiſt- lichen Stifter unter derſelben Vorausſetzung; die Zuͤnfte und Gilden, wenn auf ihnen noch die ſtaͤdtiſche Verfaſſung beruht. 2. Genoſſenſchaften der Grundbeſitzer eines beſtimmten Bezirkes. Hier kommen die Ueberreſte der *) So hat z. B. Mittermaier (Grundſaͤtze des deutſchen Privatrechts [6. Aufl.] I. §. 251.) richtig erkannt, daß die Gewerkſchaft im Bergrecht weder eine reine universitas noch eine societas iſt; aber er laͤßt beide Begriffe nur neben einander beſtehen, ohne zu zeigen, wie ſie zu einer neuen, ſelbſtaͤndigen Rechtsbildung zuſammengefloſſen ſind.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/177
Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/177>, abgerufen am 21.11.2024.