Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.Historische Einleitung. griff sie nicht in regelmäßiger Wirksamkeit ein, sondern über-wachte und leitete hauptsächlich, so gut es ging, die Fehden der einzelnen Genossen, die aber seltner mit Waffen als mit Ei- den ausgekämpft wurden, und in der Zahlung einer Buße an den Verletzten regelmäßig ihre Erledigung fanden. Doch erhob sie vom Friedbrecher in selbständiger Berechtigung auch noch das Fredum, und wer sich direct an der Gesammtheit verging, den traf die Strafe des Verräthers. Im Felde wird aber überhaupt ein strengeres Kriegsrecht gegolten haben. In dieser Lage blieben die im heutigen Deutschland an- Hiſtoriſche Einleitung. griff ſie nicht in regelmaͤßiger Wirkſamkeit ein, ſondern uͤber-wachte und leitete hauptſaͤchlich, ſo gut es ging, die Fehden der einzelnen Genoſſen, die aber ſeltner mit Waffen als mit Ei- den ausgekaͤmpft wurden, und in der Zahlung einer Buße an den Verletzten regelmaͤßig ihre Erledigung fanden. Doch erhob ſie vom Friedbrecher in ſelbſtaͤndiger Berechtigung auch noch das Fredum, und wer ſich direct an der Geſammtheit verging, den traf die Strafe des Verraͤthers. Im Felde wird aber uͤberhaupt ein ſtrengeres Kriegsrecht gegolten haben. In dieſer Lage blieben die im heutigen Deutſchland an- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0019" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Hiſtoriſche Einleitung</hi>.</fw><lb/> griff ſie nicht in regelmaͤßiger Wirkſamkeit ein, ſondern uͤber-<lb/> wachte und leitete hauptſaͤchlich, ſo gut es ging, die Fehden der<lb/> einzelnen Genoſſen, die aber ſeltner mit Waffen als mit Ei-<lb/> den ausgekaͤmpft wurden, und in der Zahlung einer Buße<lb/> an den Verletzten regelmaͤßig ihre Erledigung fanden. Doch<lb/> erhob ſie vom Friedbrecher in ſelbſtaͤndiger Berechtigung auch<lb/> noch das Fredum, und wer ſich direct an der Geſammtheit<lb/> verging, den traf die Strafe des Verraͤthers. Im Felde wird<lb/> aber uͤberhaupt ein ſtrengeres Kriegsrecht gegolten haben.</p><lb/> <p>In dieſer Lage blieben die im heutigen Deutſchland an-<lb/> geſeſſenen Volksſtaͤmme, (denn nur mit dieſen haben wir es<lb/> hier zunaͤchſt zu thun) bis zwei Ereigniſſe eintraten, welche zu<lb/> einander in naher Beziehung ſtehend, einen welthiſtoriſchen<lb/> Einfluß auf ſie ausuͤbten: ihre Bekehrung zum Chriſtenthume<lb/> und ihre Einverleibung in die fraͤnkiſche Monarchie. Die<lb/> chriſtliche Religion, fuͤr welche gerade bei den Germanen die<lb/> groͤßte Empfaͤnglichkeit vorhanden war, hat ſie befaͤhigt, an<lb/> der allgemeinen Entwicklung der abendlaͤndiſchen Cultur Theil<lb/> zu nehmen, und uͤberhaupt auf das Rechtsweſen bedeutungs-<lb/> voll einwirkend, vor Allem in der eigenthuͤmlichen Stellung<lb/> der Geiſtlichkeit ein neues Element der Verfaſſung hervorge-<lb/> rufen. In der fraͤnkiſchen Monarchie aber kamen die Deut-<lb/> ſchen unter die Gewalt des auf dem eroberten roͤmiſchen Bo-<lb/> den entwickelten Koͤnigthums, welches die Souverainitaͤt der<lb/> einzelnen Volksſtaͤmme und ihrer Herzoͤge beſchraͤnkte, und ſie<lb/> zu einer, wenn auch nur aͤußerlichen politiſchen Einheit zu-<lb/> ſammenfuͤhrte, in der ſich ſchon ein geordnetes Staatsleben<lb/> geltend machte. Karl’s des Großen Sieg uͤber die Sachſen<lb/> bildet den Wendepunct in dieſer Periode der deutſchen Ge-<lb/> ſchichte, wie denn uͤberhaupt die Bedeutung des fraͤnkiſchen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [7/0019]
Hiſtoriſche Einleitung.
griff ſie nicht in regelmaͤßiger Wirkſamkeit ein, ſondern uͤber-
wachte und leitete hauptſaͤchlich, ſo gut es ging, die Fehden der
einzelnen Genoſſen, die aber ſeltner mit Waffen als mit Ei-
den ausgekaͤmpft wurden, und in der Zahlung einer Buße
an den Verletzten regelmaͤßig ihre Erledigung fanden. Doch
erhob ſie vom Friedbrecher in ſelbſtaͤndiger Berechtigung auch
noch das Fredum, und wer ſich direct an der Geſammtheit
verging, den traf die Strafe des Verraͤthers. Im Felde wird
aber uͤberhaupt ein ſtrengeres Kriegsrecht gegolten haben.
In dieſer Lage blieben die im heutigen Deutſchland an-
geſeſſenen Volksſtaͤmme, (denn nur mit dieſen haben wir es
hier zunaͤchſt zu thun) bis zwei Ereigniſſe eintraten, welche zu
einander in naher Beziehung ſtehend, einen welthiſtoriſchen
Einfluß auf ſie ausuͤbten: ihre Bekehrung zum Chriſtenthume
und ihre Einverleibung in die fraͤnkiſche Monarchie. Die
chriſtliche Religion, fuͤr welche gerade bei den Germanen die
groͤßte Empfaͤnglichkeit vorhanden war, hat ſie befaͤhigt, an
der allgemeinen Entwicklung der abendlaͤndiſchen Cultur Theil
zu nehmen, und uͤberhaupt auf das Rechtsweſen bedeutungs-
voll einwirkend, vor Allem in der eigenthuͤmlichen Stellung
der Geiſtlichkeit ein neues Element der Verfaſſung hervorge-
rufen. In der fraͤnkiſchen Monarchie aber kamen die Deut-
ſchen unter die Gewalt des auf dem eroberten roͤmiſchen Bo-
den entwickelten Koͤnigthums, welches die Souverainitaͤt der
einzelnen Volksſtaͤmme und ihrer Herzoͤge beſchraͤnkte, und ſie
zu einer, wenn auch nur aͤußerlichen politiſchen Einheit zu-
ſammenfuͤhrte, in der ſich ſchon ein geordnetes Staatsleben
geltend machte. Karl’s des Großen Sieg uͤber die Sachſen
bildet den Wendepunct in dieſer Periode der deutſchen Ge-
ſchichte, wie denn uͤberhaupt die Bedeutung des fraͤnkiſchen
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