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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Das Volksrecht als gemeines Ständerecht.
Voraussetzung, daß es dabei nicht auf eine Bevorrechtung des
neu zu schaffenden Ritterstandes in Beziehung auf die allge-
meinen Lasten und Pflichten, welche der Staat den Einzelnen
auferlegt, abgesehen ist; daß vielmehr, so weit eine Abweichung
nicht durchaus nothwendig erscheint, das Princip der Gleich-
heit vor dem Gesetze streng durchgeführt werde. Es ist also
der Plan nur darauf gerichtet, die politische Berechtigung der
Standesgenossen auf eine dem heutigen Staatsleben entspre-
chende Weise zu erhöhen, gewissermaaßen neben der gemeinen
Freiheit eine besondere zu begründen, ähnlich wie es sich schon
zur Zeit der altgermanischen Volksverfassung verhalten konnte.
Wenn nun auch für eine solche Einrichtung manche Gründe
und namentlich das gewichtige Beispiel Englands zu sprechen
scheinen, so stellt sich bei einer näheren Erwägung die Sache
doch als so bedenklich im Princip und so schwierig in der Aus-
führung dar, daß wohl besser ganz darauf verzichtet, und die
politische Regeneration des Volkes von einer andern Seite ver-
sucht wird. Es sind dabei namentlich folgende Puncte zu be-
rücksichtigen:

1. Es fehlt einer solchen Institution für Deutschland die
rechte geschichtliche Vorbereitung; sie würde sich als eine neue
Schöpfung erst zu consolidiren und dabei mit den allergröß-
ten Hindernissen zu kämpfen haben. Denn sie würde gleich-
mäßig im Widerspruch stehen mit der allgemeinen Richtung
der Zeit, welche zur möglichsten Gleichstellung der Staatsbür-
ger hindrängt, und mit dem Familiensinn des deutschen Adels,
welcher sich in allen seinen einzelnen Gliedern wieder erkennen
will. Auch widerspricht die Zurücksetzung der meisten Fami-
lienglieder, welche bei der Majoratsordnung unvermeidlich ist,
der heutigen allgemeinen Rechtsanschauung im Volke; solche

Das Volksrecht als gemeines Staͤnderecht.
Vorausſetzung, daß es dabei nicht auf eine Bevorrechtung des
neu zu ſchaffenden Ritterſtandes in Beziehung auf die allge-
meinen Laſten und Pflichten, welche der Staat den Einzelnen
auferlegt, abgeſehen iſt; daß vielmehr, ſo weit eine Abweichung
nicht durchaus nothwendig erſcheint, das Princip der Gleich-
heit vor dem Geſetze ſtreng durchgefuͤhrt werde. Es iſt alſo
der Plan nur darauf gerichtet, die politiſche Berechtigung der
Standesgenoſſen auf eine dem heutigen Staatsleben entſpre-
chende Weiſe zu erhoͤhen, gewiſſermaaßen neben der gemeinen
Freiheit eine beſondere zu begruͤnden, aͤhnlich wie es ſich ſchon
zur Zeit der altgermaniſchen Volksverfaſſung verhalten konnte.
Wenn nun auch fuͤr eine ſolche Einrichtung manche Gruͤnde
und namentlich das gewichtige Beiſpiel Englands zu ſprechen
ſcheinen, ſo ſtellt ſich bei einer naͤheren Erwaͤgung die Sache
doch als ſo bedenklich im Princip und ſo ſchwierig in der Aus-
fuͤhrung dar, daß wohl beſſer ganz darauf verzichtet, und die
politiſche Regeneration des Volkes von einer andern Seite ver-
ſucht wird. Es ſind dabei namentlich folgende Puncte zu be-
ruͤckſichtigen:

1. Es fehlt einer ſolchen Inſtitution fuͤr Deutſchland die
rechte geſchichtliche Vorbereitung; ſie wuͤrde ſich als eine neue
Schoͤpfung erſt zu conſolidiren und dabei mit den allergroͤß-
ten Hinderniſſen zu kaͤmpfen haben. Denn ſie wuͤrde gleich-
maͤßig im Widerſpruch ſtehen mit der allgemeinen Richtung
der Zeit, welche zur moͤglichſten Gleichſtellung der Staatsbuͤr-
ger hindraͤngt, und mit dem Familienſinn des deutſchen Adels,
welcher ſich in allen ſeinen einzelnen Gliedern wieder erkennen
will. Auch widerſpricht die Zuruͤckſetzung der meiſten Fami-
lienglieder, welche bei der Majoratsordnung unvermeidlich iſt,
der heutigen allgemeinen Rechtsanſchauung im Volke; ſolche

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[207/0219] Das Volksrecht als gemeines Staͤnderecht. Vorausſetzung, daß es dabei nicht auf eine Bevorrechtung des neu zu ſchaffenden Ritterſtandes in Beziehung auf die allge- meinen Laſten und Pflichten, welche der Staat den Einzelnen auferlegt, abgeſehen iſt; daß vielmehr, ſo weit eine Abweichung nicht durchaus nothwendig erſcheint, das Princip der Gleich- heit vor dem Geſetze ſtreng durchgefuͤhrt werde. Es iſt alſo der Plan nur darauf gerichtet, die politiſche Berechtigung der Standesgenoſſen auf eine dem heutigen Staatsleben entſpre- chende Weiſe zu erhoͤhen, gewiſſermaaßen neben der gemeinen Freiheit eine beſondere zu begruͤnden, aͤhnlich wie es ſich ſchon zur Zeit der altgermaniſchen Volksverfaſſung verhalten konnte. Wenn nun auch fuͤr eine ſolche Einrichtung manche Gruͤnde und namentlich das gewichtige Beiſpiel Englands zu ſprechen ſcheinen, ſo ſtellt ſich bei einer naͤheren Erwaͤgung die Sache doch als ſo bedenklich im Princip und ſo ſchwierig in der Aus- fuͤhrung dar, daß wohl beſſer ganz darauf verzichtet, und die politiſche Regeneration des Volkes von einer andern Seite ver- ſucht wird. Es ſind dabei namentlich folgende Puncte zu be- ruͤckſichtigen: 1. Es fehlt einer ſolchen Inſtitution fuͤr Deutſchland die rechte geſchichtliche Vorbereitung; ſie wuͤrde ſich als eine neue Schoͤpfung erſt zu conſolidiren und dabei mit den allergroͤß- ten Hinderniſſen zu kaͤmpfen haben. Denn ſie wuͤrde gleich- maͤßig im Widerſpruch ſtehen mit der allgemeinen Richtung der Zeit, welche zur moͤglichſten Gleichſtellung der Staatsbuͤr- ger hindraͤngt, und mit dem Familienſinn des deutſchen Adels, welcher ſich in allen ſeinen einzelnen Gliedern wieder erkennen will. Auch widerſpricht die Zuruͤckſetzung der meiſten Fami- lienglieder, welche bei der Majoratsordnung unvermeidlich iſt, der heutigen allgemeinen Rechtsanſchauung im Volke; ſolche

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/219>, abgerufen am 23.11.2024.