Willst du dichten, - sammle dich,p1b_075.004 Sammle dich, wie zum Gebete,p1b_075.005 Daß dein Geist andächtiglichp1b_075.006 Vor das Bild der Schönheit trete.
p1b_075.007 Daß du seine Züge klar,p1b_075.008 Seine Fülle tief erschauest,p1b_075.009 Und es dann getreu und wahrp1b_075.010 Wie in reinen Marmor hauest.
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Ad. Stöber.
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p1b_075.012 § 19. Begriff und Entwicklung der Ästhetik.
p1b_075.013 Ästhetik ist die Wissenschaft des Schönen und der Kunst, also p1b_075.014 auch der höchsten Kunst: der Poesie als des unmittelbaren Ausdrucks p1b_075.015 des Schönen. Wie die Ethik das auf das Gute gerichtete p1b_075.016 Wollen und die Philosophie (im engern Sinn) die Lehre vom Erkennen p1b_075.017 des Wahren behandelt, so umfaßt die Ästhetik die das Schöne erzielende p1b_075.018 Lehre der Empfindung. Das Wort Ästhetik stammt aus dem p1b_075.019 Griechischen (e aisthetike sc. tekhne von aisthanomai ich empfinde, p1b_075.020 nehme wahr). Alex. Gottlieb Baumgarten, der das Wort im Jahre p1b_075.021 1750 zuerst gebrauchte, war der Begründer der Schönheits- und Kunstwissenschaft p1b_075.022 (§ 3); ihr Vollender ist Friedr. Theod. Vischer (§ 4).
p1b_075.023 Der Jnhalt der Ästhetik gab schon den Alten reichen Stoff zu Betrachtungen. p1b_075.024 Platon (427-347 v. Chr.) hat sich in seinem berühmten Dialog p1b_075.025 Phädrus zuerst über das Schöne verbreitet. Jn seiner mehr ethischen Auffassung p1b_075.026 des Schönen unterscheidet er formale, geistige und absolutep1b_075.027 Schönheit. Er nennt die Kräfte des Empfindens, Erkennens und Denkens p1b_075.028 drei in ihren Zielpunkten göttliche Kräfte, das einzige Vermögen der Menschen. p1b_075.029 Das Ziel für das Erkennen ist ihm das Wahre, für das Wollen das Gute,p1b_075.030 für das Empfinden das Schöne. Er verlangt Anstrengung aller Kräfte, um p1b_075.031 durch diese Dreiheit zur Gottheit emporzustreben. Das Kunstschöne verwirft er p1b_075.032 als schlechte Nachahmung des Naturschönen, während Aristoteles (384 bis
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Zweites Hauptstück. p1b_075.002 Ästhetik.
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Ad. Stöber.
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p1b_075.013 Ästhetik ist die Wissenschaft des Schönen und der Kunst, also p1b_075.014 auch der höchsten Kunst: der Poesie als des unmittelbaren Ausdrucks p1b_075.015 des Schönen. Wie die Ethik das auf das Gute gerichtete p1b_075.016 Wollen und die Philosophie (im engern Sinn) die Lehre vom Erkennen p1b_075.017 des Wahren behandelt, so umfaßt die Ästhetik die das Schöne erzielende p1b_075.018 Lehre der Empfindung. Das Wort Ästhetik stammt aus dem p1b_075.019 Griechischen (ἡ αἰσθητική sc. τέχνη von αἰσθάνομαι ich empfinde, p1b_075.020 nehme wahr). Alex. Gottlieb Baumgarten, der das Wort im Jahre p1b_075.021 1750 zuerst gebrauchte, war der Begründer der Schönheits- und Kunstwissenschaft p1b_075.022 (§ 3); ihr Vollender ist Friedr. Theod. Vischer (§ 4).
p1b_075.023 Der Jnhalt der Ästhetik gab schon den Alten reichen Stoff zu Betrachtungen. p1b_075.024 Platon (427─347 v. Chr.) hat sich in seinem berühmten Dialog p1b_075.025 Phädrus zuerst über das Schöne verbreitet. Jn seiner mehr ethischen Auffassung p1b_075.026 des Schönen unterscheidet er formale, geistige und absolutep1b_075.027 Schönheit. Er nennt die Kräfte des Empfindens, Erkennens und Denkens p1b_075.028 drei in ihren Zielpunkten göttliche Kräfte, das einzige Vermögen der Menschen. p1b_075.029 Das Ziel für das Erkennen ist ihm das Wahre, für das Wollen das Gute,p1b_075.030 für das Empfinden das Schöne. Er verlangt Anstrengung aller Kräfte, um p1b_075.031 durch diese Dreiheit zur Gottheit emporzustreben. Das Kunstschöne verwirft er p1b_075.032 als schlechte Nachahmung des Naturschönen, während Aristoteles (384 bis
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Ästhetik ist die Wissenschaft des Schönen und der Kunst, also p1b_075.014
auch der höchsten Kunst: der Poesie als des unmittelbaren Ausdrucks p1b_075.015
des Schönen. Wie die Ethik das auf das Gute gerichtete p1b_075.016
Wollen und die Philosophie (im engern Sinn) die Lehre vom Erkennen p1b_075.017
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Griechischen (ἡ αἰσθητική sc. τέχνη von αἰσθάνομαι ich empfinde, p1b_075.020
nehme wahr). Alex. Gottlieb Baumgarten, der das Wort im Jahre p1b_075.021
1750 zuerst gebrauchte, war der Begründer der Schönheits- und Kunstwissenschaft p1b_075.022
(§ 3); ihr Vollender ist Friedr. Theod. Vischer (§ 4).
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Der Jnhalt der Ästhetik gab schon den Alten reichen Stoff zu Betrachtungen. p1b_075.024
Platon (427─347 v. Chr.) hat sich in seinem berühmten Dialog p1b_075.025
Phädrus zuerst über das Schöne verbreitet. Jn seiner mehr ethischen Auffassung p1b_075.026
des Schönen unterscheidet er formale, geistige und absolute p1b_075.027
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als schlechte Nachahmung des Naturschönen, während Aristoteles (384 bis
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. E75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/109>, abgerufen am 24.11.2024.
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