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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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gerichtete Begeisterung hemme. Er läßt den Sokrates alle Arten von Begeisterung p1b_079.002
(Wahnsinn) erörtern, wobei u. A. als dritte Art die von den Musen ausgehende p1b_079.003
Besessenheit genannt wird, welche, nachdem sie eine zarte und unbefleckte p1b_079.004
Seele ergriffen hat, dieselbe in der Dichtung erweckt und zum Ausdruck bringt, p1b_079.005
hiebei aber unzählige Thaten der Voreltern verherrlichend die Nachkommen veredelt p1b_079.006
und bildet. Von hier aus geht Plato auf die Seele über, welche er p1b_079.007
als sich selbst bewegend und unsterblich bezeichnet (c. 24), indem er sie ihrer p1b_079.008
Gestalt nach mit einem geflügelten Zweigespann nebst dem Wagenlenker desselben p1b_079.009
vergleicht. Daran reiht er eine hochpoetische Schilderung des ursprünglichen p1b_079.010
Verkehrs der Seelen mit der Götterwelt. Er sagt: Der Götter Rosse= und p1b_079.011
Wagenlenker sind selbst gut und von guter Abstammung, die der übrigen Seelen p1b_079.012
aber sind gemischt. Das eine Roß unseres menschlichen Seelengespanns ist vortrefflich, p1b_079.013
das andere nicht, weshalb es schwer zu lenken ist. Die Seele ist p1b_079.014
gefiedert. Die vollkommene schwebt in der Höhe, die entfiederte aber wird fortgerissen, p1b_079.015
bis sie irgend einen festen Körper ergreift, worauf sie einen irdenen p1b_079.016
Leib erhält, der sich infolge ihrer Kraft von selbst zu bewegen scheint. Nunmehr p1b_079.017
ist ein sterbliches und ein unsterbliches Teil verbunden. Von Natur aus p1b_079.018
ist die Kraft des Gefieders dazu bestimmt, das Schwere nach Oben zu führen, p1b_079.019
dort in der Höhe schwebend, wo das Geschlecht der Götter wohnt, - teilzunehmen p1b_079.020
am Göttlichen, welches das Weise, das Gute und das Schöne p1b_079.021
ist, um sich an diesem zu nähren. Zeus, der große Führer im Himmelsgebäude, p1b_079.022
zieht hier voran, indem er Alles ordnet und für Alle sorgt. Jhm folgt die p1b_079.023
Schar der Götter und Dämonen in 11 Gruppen, um sich in seligen Scenen p1b_079.024
und Umgängen beglückt zu bewegen. Da die Götter neidlos sind, so folgt p1b_079.025
ihnen, wer nur will: alle Seelen und Geister. Wenn die Götter zum Mahl p1b_079.026
gehen, so schreiten sie mit ihren wohlgezügelten Rossen am Rand unter die p1b_079.027
himmlische Wölbung mit Leichtigkeit steil empor. Wenn sie am äußersten Rande p1b_079.028
des Himmels angekommen sind, schreiten sie noch hinaus in die Sphäre des p1b_079.029
Umschwungs der höchsten Dinge und verweilen auf dem Rücken des Himmels, p1b_079.030
wo sie der Umschwung allmählich herum bringt: sie beschauen nun, was außerhalb p1b_079.031
des Himmelsgebäudes ist. Ewige Schönheitsformen, ewig herrliche Wahrheiten p1b_079.032
werden da erkannt: jene farb- und gestaltlose Wesenheit, welche in Wahrheit p1b_079.033
ein Sein hat, die sich allein vom Verstande, dem Steuermann der Seele, p1b_079.034
beschauen läßt. Da das Denken der Götter - wie das einer jeden Seele p1b_079.035
- vom Verstande und von reinem Wissen sich nährt, so gerät es beim Anblick p1b_079.036
des wirklich Seienden in Freude; es nährt sich davon und empfindet Wohlbehagen. p1b_079.037
Endlich kommt wieder der Umschwung im Kreise, der die Götter an p1b_079.038
die vorige Stelle zurückbringt. Nun schlüpfen sie wieder in das Jnnere des p1b_079.039
Himmelsgebäudes und kehren nach Hause zurück, wo der Wagenlenker den p1b_079.040
Rossen Ambrosia und Nektar vorsetzt. Dieses ist die tägliche Lebensart der p1b_079.041
Götter. Von ihr verschieden ist die Lebensart der menschlichen Seelen. Diejenigen p1b_079.042
Seelen, welche einem Gotte am ähnlichsten sind, kommen wohl auch p1b_079.043
zum äußersten Raum empor und werden auch im Umschwung mit herum geführt, p1b_079.044
aber sie werden mit Gewalt vom widerstrebenden Rosse gestört, so daß

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/113>, abgerufen am 21.11.2024.