p1b_081.001 Mendelssohn, welcher Einheit im Mannigfaltigen als den Charakter der p1b_081.002 Schönheit angab, oder Hogarth, der die Wellenlinie für die Quelle der p1b_081.003 Schönheit hielt, oder Burke, welcher meint, das Schöne werde in den Sinneswerkzeugen p1b_081.004 allein empfunden, den Begriff des Schönen ganz erschöpft, in welcher p1b_081.005 Beziehung erst Kant und der ideale Hegel (§ 19) dem Wesen desselben p1b_081.006 am nächsten kamen.
p1b_081.007 Zur vollen Erkenntnis leitet unzweifelhaft der einfache Weg naturwissenschaftlicher p1b_081.008 Empirie und Prüfung. Unsere Empfindungen in ihren Äußerungen p1b_081.009 manifestieren sich in ihrem Verhalten zum Schönen als Gefallen oder p1b_081.010 Mißfallen. - Das den höheren Sinnen des Gesichts und Gehörs Gebildeter p1b_081.011 Wohlgefällige ist somit das Schöne. Obwohl das Schöne mit dem Guten p1b_081.012 verbunden sein kann, hat das Schöne nichts mit diesem zu thun. (Z. B. p1b_081.013 entscheidet bei Beurteilung der Schönheit des menschlichen Körpers nur der p1b_081.014 Schein, == die Erscheinung: das Äußere.)
p1b_081.015 2. Bei Bestimmung des Schönen kommt es auf das Verhältnis des Beurteilenden p1b_081.016 zum Objekt an, das beurteilt wird. Die Übereinstimmung bewirkt p1b_081.017 Liebe und Freude am Schönen, also Anziehung; die Nichtübereinstimmung p1b_081.018 bewirkt Abscheu, Mißfallen, Widerwillen, also Abstoßung. - Anziehen und p1b_081.019 Abstoßen des Schönen und des Häßlichen lassen zwei Punkte erkennen, in p1b_081.020 welchen beides aufgehoben zu sein scheint: Das Unbedeutende und das p1b_081.021 Gleichgültige. Wenn das Schöne das absolut Maßvolle ist, so muß das p1b_081.022 Häßliche das absolut Maßlose sein.
p1b_081.023 3. Zwischen dem Schönen und dem Häßlichen als Polen stehen das p1b_081.024 Furchtbare und das Lachbare (nicht Lächerliche) sich gegenüber. Das Furchtbare p1b_081.025 erhebt sich in der Wage ebenso hoch über das Maß unserer ästhetischen p1b_081.026 Kraft, als das Lachbare unter dasselbe fällt. So werden das Furchtbare p1b_081.027 und das Lachbare in ihrem Verhältnisse zum Schönen zu ästhetischen Grundbegriffen, p1b_081.028 von denen jeder durch Zwischenstufen entweder zum Schönen emporleitet p1b_081.029 oder zum Häßlichen niederführt. Solche Zwischenempfindungen in der p1b_081.030 Windrose des absolut Schönen sind: 1. das Schönfurchtbare (das Schöne p1b_081.031 einerseits, die Furcht andererseits, was wir Erhabenes nennen, das wir p1b_081.032 uns als Trost denken, soweit wir ihm durch Liebe verwandt sind, das wir p1b_081.033 aber fürchten, wenn wir das Aufhören der Liebe vermuten). 2. Das Furchtbar=Häßlichep1b_081.034 (Furcht und Ekel in ihrem Zusammentreffen bewirken das p1b_081.035 Grausige, Scheußliche, - oder bei Gleichgültigkeit - das Niedere als Gegensatz p1b_081.036 zum Erhabenen). 3. Das Lachbar-Schöne (es ist das Reizende, das p1b_081.037 uns fesselt, das uns aber doch nicht mit der magnetischen Gewalt des rein p1b_081.038 Schönen anzieht).
p1b_081.039 Weitere leicht einzureihende und zu definierende Abstufungen sind noch das p1b_081.040 Herrliche, das Schönerhabene, das Gewaltige, Entsetzliche, p1b_081.041 Schreckliche, Gemeine, Liebliche u. s. w.
p1b_081.042 So entsteht eine Skala von dunklen Empfindungen, welchen selbstredend die p1b_081.043 in Begriffe umzusetzenden Empfindungen als klare, klar gewordene Gefühle entsprechen,
p1b_081.001 Mendelssohn, welcher Einheit im Mannigfaltigen als den Charakter der p1b_081.002 Schönheit angab, oder Hogarth, der die Wellenlinie für die Quelle der p1b_081.003 Schönheit hielt, oder Burke, welcher meint, das Schöne werde in den Sinneswerkzeugen p1b_081.004 allein empfunden, den Begriff des Schönen ganz erschöpft, in welcher p1b_081.005 Beziehung erst Kant und der ideale Hegel (§ 19) dem Wesen desselben p1b_081.006 am nächsten kamen.
p1b_081.007 Zur vollen Erkenntnis leitet unzweifelhaft der einfache Weg naturwissenschaftlicher p1b_081.008 Empirie und Prüfung. Unsere Empfindungen in ihren Äußerungen p1b_081.009 manifestieren sich in ihrem Verhalten zum Schönen als Gefallen oder p1b_081.010 Mißfallen. ─ Das den höheren Sinnen des Gesichts und Gehörs Gebildeter p1b_081.011 Wohlgefällige ist somit das Schöne. Obwohl das Schöne mit dem Guten p1b_081.012 verbunden sein kann, hat das Schöne nichts mit diesem zu thun. (Z. B. p1b_081.013 entscheidet bei Beurteilung der Schönheit des menschlichen Körpers nur der p1b_081.014 Schein, == die Erscheinung: das Äußere.)
p1b_081.015 2. Bei Bestimmung des Schönen kommt es auf das Verhältnis des Beurteilenden p1b_081.016 zum Objekt an, das beurteilt wird. Die Übereinstimmung bewirkt p1b_081.017 Liebe und Freude am Schönen, also Anziehung; die Nichtübereinstimmung p1b_081.018 bewirkt Abscheu, Mißfallen, Widerwillen, also Abstoßung. ─ Anziehen und p1b_081.019 Abstoßen des Schönen und des Häßlichen lassen zwei Punkte erkennen, in p1b_081.020 welchen beides aufgehoben zu sein scheint: Das Unbedeutende und das p1b_081.021 Gleichgültige. Wenn das Schöne das absolut Maßvolle ist, so muß das p1b_081.022 Häßliche das absolut Maßlose sein.
p1b_081.023 3. Zwischen dem Schönen und dem Häßlichen als Polen stehen das p1b_081.024 Furchtbare und das Lachbare (nicht Lächerliche) sich gegenüber. Das Furchtbare p1b_081.025 erhebt sich in der Wage ebenso hoch über das Maß unserer ästhetischen p1b_081.026 Kraft, als das Lachbare unter dasselbe fällt. So werden das Furchtbare p1b_081.027 und das Lachbare in ihrem Verhältnisse zum Schönen zu ästhetischen Grundbegriffen, p1b_081.028 von denen jeder durch Zwischenstufen entweder zum Schönen emporleitet p1b_081.029 oder zum Häßlichen niederführt. Solche Zwischenempfindungen in der p1b_081.030 Windrose des absolut Schönen sind: 1. das Schönfurchtbare (das Schöne p1b_081.031 einerseits, die Furcht andererseits, was wir Erhabenes nennen, das wir p1b_081.032 uns als Trost denken, soweit wir ihm durch Liebe verwandt sind, das wir p1b_081.033 aber fürchten, wenn wir das Aufhören der Liebe vermuten). 2. Das Furchtbar=Häßlichep1b_081.034 (Furcht und Ekel in ihrem Zusammentreffen bewirken das p1b_081.035 Grausige, Scheußliche, ─ oder bei Gleichgültigkeit ─ das Niedere als Gegensatz p1b_081.036 zum Erhabenen). 3. Das Lachbar-Schöne (es ist das Reizende, das p1b_081.037 uns fesselt, das uns aber doch nicht mit der magnetischen Gewalt des rein p1b_081.038 Schönen anzieht).
p1b_081.039 Weitere leicht einzureihende und zu definierende Abstufungen sind noch das p1b_081.040 Herrliche, das Schönerhabene, das Gewaltige, Entsetzliche, p1b_081.041 Schreckliche, Gemeine, Liebliche u. s. w.
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Zur vollen Erkenntnis leitet unzweifelhaft der einfache Weg naturwissenschaftlicher p1b_081.008
Empirie und Prüfung. Unsere Empfindungen in ihren Äußerungen p1b_081.009
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(Furcht und Ekel in ihrem Zusammentreffen bewirken das p1b_081.035
Grausige, Scheußliche, ─ oder bei Gleichgültigkeit ─ das Niedere als Gegensatz p1b_081.036
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Weitere leicht einzureihende und zu definierende Abstufungen sind noch das p1b_081.040
Herrliche, das Schönerhabene, das Gewaltige, Entsetzliche, p1b_081.041
Schreckliche, Gemeine, Liebliche u. s. w.
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/115>, abgerufen am 21.11.2024.
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