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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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der praktische Nachweis möglich wurde, daß diese Gesetze in unserem p1b_III.002
Sprachgeist und Sprachbau von jeher begründet waren. Das Jahr p1b_III.003
1870/71, das unserer politisch=patriotischen Lyrik einen gewissen Aufschwung p1b_III.004
verlieh und uns ein neues Deutschland gab, sollte doch p1b_III.005
auch eine allem Nachäffen feindliche, echt deutsche Poetik im Gefolge p1b_III.006
haben und zeigen, daß Deutschland auch in der Poesie auf eigenen p1b_III.007
Füßen zu stehen vermag, daß es in seiner urdeutschen Betonung und p1b_III.008
in seinen nationalen Metren, Strophen und Formen alles besitzt, p1b_III.009
was durch Nachbilden antiker und moderner fremder Metren vergeblich p1b_III.010
erstrebt wurde. Die meisten unserer besseren und besten Dichter p1b_III.011
haben, wo sie sich von der Form beengt fühlten, ihrem natürlichen, p1b_III.012
deutschen Wohllauts- und Rhythmusgefühle nachgegeben und p1b_III.013
wohl im Hinblick auf die Minnesinger und auf die Dichter des Volkslieds p1b_III.014
ziemlich häufig das Wagnis begangen (vgl. § 116-122), p1b_III.015
mit den herkömmlichen Schulbegriffen zu brechen und zwar p1b_III.016
unbekümmert um den Tadel der Pedanten und Halbwisser, die aus p1b_III.017
übertriebenem Respekt vor der herkömmlichen Autorität die Schönheit p1b_III.018
freier Verse (§ 120 ff.) als Fehler bemäkelten, um ja nicht in den p1b_III.019
Verdacht der Unkenntnis der Schulgesetze zu kommen. Bei Schiller p1b_III.020
läßt sich z. B. der Einfluß des deutschen Accentgesetzes in all seinen p1b_III.021
jambischen Stücken (mit Ausnahme der Jungfrau von Orleans und p1b_III.022
der Braut von Messina) nachweisen; ebenso bei Goethe im Faust. p1b_III.023
Aber erst Heinrich Heine war der Erste, welcher erhaben über die p1b_III.024
Kritik der Pedanten die herkömmliche Metrik kühn durchbrach. Er p1b_III.025
gehörte zu den wenigen, die das Wesen der deutschen Rhythmik fühlten p1b_III.026
und sich praktisch gegen die griechisch=deutsche auflehnten (vgl. Strodtmanns p1b_III.027
Dichterprofile 1879, I. S. 246). Fr. Rückert in Kind Horn, p1b_III.028
Geibel in Sigurds Brautfahrt, A. Grün in Der treue Gefährte, p1b_III.029
Hamerling im Vaterlandslied, Uhland in Taillefer, Wilh. Jordan p1b_III.030
im Nibelunge, Scheffel u. A. (vgl. § 119, 120, 191, 219) haben sich p1b_III.031
absichtlich von der Schulregel des modernen zwängenden Versrhythmus p1b_III.032
frei gemacht. Mit Heine haben nunmehr für den Sehenden alle p1b_III.033
besseren Dichter das nicht mehr zu unterdrückende Recht des deutschen p1b_III.034
Sinn-Accents beansprucht, der sein Gesetzbuch gebieterisch fordert. Der p1b_III.035
Übersetzer des Cajus Silius Italicus klagt mit Recht: "Wir besitzen p1b_III.036
unleugbar eine große Anzahl schöner, phantasievoller, erhebender Gedichte p1b_III.037
und hochbegabter Dichter, allein eine vollständig reine Silbenmessung

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der praktische Nachweis möglich wurde, daß diese Gesetze in unserem p1b_III.002
Sprachgeist und Sprachbau von jeher begründet waren. Das Jahr p1b_III.003
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der Braut von Messina) nachweisen; ebenso bei Goethe im Faust. p1b_III.023
Aber erst Heinrich Heine war der Erste, welcher erhaben über die p1b_III.024
Kritik der Pedanten die herkömmliche Metrik kühn durchbrach. Er p1b_III.025
gehörte zu den wenigen, die das Wesen der deutschen Rhythmik fühlten p1b_III.026
und sich praktisch gegen die griechisch=deutsche auflehnten (vgl. Strodtmanns p1b_III.027
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Hamerling im Vaterlandslied, Uhland in Taillefer, Wilh. Jordan p1b_III.030
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absichtlich von der Schulregel des modernen zwängenden Versrhythmus p1b_III.032
frei gemacht. Mit Heine haben nunmehr für den Sehenden alle p1b_III.033
besseren Dichter das nicht mehr zu unterdrückende Recht des deutschen p1b_III.034
Sinn-Accents beansprucht, der sein Gesetzbuch gebieterisch fordert. Der p1b_III.035
Übersetzer des Cajus Silius Italicus klagt mit Recht: „Wir besitzen p1b_III.036
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. RIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/13>, abgerufen am 21.11.2024.