Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_099.001 Ein roter Schauer zittert noch p1b_099.002 Um ihre frischen Wangen. p1b_099.003 O still und fragt den Bräutigam, p1b_099.004 Den Lenz, den kühnen Freier, p1b_099.005 Der diese Nacht zur Erde kam p1b_099.006 Nach ihrer Hochzeitfeier. p1b_099.007 p1b_099.008 p1b_099.010 p1b_099.015 Herbst von Lenau. p1b_099.017Nun ist es Herbst, die Blätter fallen, p1b_099.018 Den Wald durchbraust des Scheidens Weh; p1b_099.019 Den Lenz und seine Nachtigallen p1b_099.020 Versäumt' ich auf der wüsten See. p1b_099.021 Der Himmel schien so mild, so helle, p1b_099.022 Verloren ging sein warmes Licht; p1b_099.023 Es blühte nicht die Meereswelle. p1b_099.024 Die rohen Winde sangen nicht. p1b_099.025 Und mir verging die Jugend traurig, p1b_099.026 Des Frühlings Wonne blieb versäumt: p1b_099.027 Der Herbst durchweht mich trennungschaurig p1b_099.028 Mein Herz dem Tod entgegenträumt. p1b_099.029 p1b_099.030 p1b_099.033 Belsazer von Heinr. Heine. p1b_099.035Die Mitternacht zog näher schon; p1b_099.036 Jn stummer Ruh lag Babylon. p1b_099.037 Nur oben in des Königs Schloß, p1b_099.038 Da flackerts, da lärmt des Königs Troß. p1b_099.039 Dort oben in dem Königssaal, p1b_099.040 Belsazer hielt sein Königsmahl. p1b_099.041 Die Knechte saßen in schimmernden Reihn p1b_099.042 Und leerten die Becher mit funkelndem Wein. p1b_099.043
Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht'; p1b_099.044 So klang es dem störrigen Könige recht. p1b_099.001 Ein roter Schauer zittert noch p1b_099.002 Um ihre frischen Wangen. p1b_099.003 O still und fragt den Bräutigam, p1b_099.004 Den Lenz, den kühnen Freier, p1b_099.005 Der diese Nacht zur Erde kam p1b_099.006 Nach ihrer Hochzeitfeier. p1b_099.007 p1b_099.008 p1b_099.010 p1b_099.015 Herbst von Lenau. p1b_099.017Nun ist es Herbst, die Blätter fallen, p1b_099.018 Den Wald durchbraust des Scheidens Weh; p1b_099.019 Den Lenz und seine Nachtigallen p1b_099.020 Versäumt' ich auf der wüsten See. p1b_099.021 Der Himmel schien so mild, so helle, p1b_099.022 Verloren ging sein warmes Licht; p1b_099.023 Es blühte nicht die Meereswelle. p1b_099.024 Die rohen Winde sangen nicht. p1b_099.025 Und mir verging die Jugend traurig, p1b_099.026 Des Frühlings Wonne blieb versäumt: p1b_099.027 Der Herbst durchweht mich trennungschaurig p1b_099.028 Mein Herz dem Tod entgegenträumt. p1b_099.029 p1b_099.030 p1b_099.033 Belsazer von Heinr. Heine. p1b_099.035Die Mitternacht zog näher schon; p1b_099.036 Jn stummer Ruh lag Babylon. p1b_099.037 Nur oben in des Königs Schloß, p1b_099.038 Da flackerts, da lärmt des Königs Troß. p1b_099.039 Dort oben in dem Königssaal, p1b_099.040 Belsazer hielt sein Königsmahl. p1b_099.041 Die Knechte saßen in schimmernden Reihn p1b_099.042 Und leerten die Becher mit funkelndem Wein. p1b_099.043
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Ein roter Schauer zittert noch p1b_099.002
Um ihre frischen Wangen.
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O still und fragt den Bräutigam, p1b_099.004
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Der diese Nacht zur Erde kam p1b_099.006
Nach ihrer Hochzeitfeier.
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d. Das Edle und Würdevolle.
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Es ist der Ausdruck des guten Geschmacks und der gebildeten p1b_099.009
Phantasie.
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Gegen das Edle und Würdevolle verstoßen alle jene Gedichte, die sich p1b_099.011
in niedrigen Bildern, in grellen Redensarten, gemeinen Wendungen und p1b_099.012
prosaischen Ausdrucksweisen gefallen (z. B. Heine: „Und du bist ja sonst kein p1b_099.013
Esel.“ Oder: „O welch ein Ochs bist du.“ Vgl. auch sein „Himmelherrgottsakrament“ p1b_099.014
(Stoßseufzer S. 57, im Nachlaß).
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Beispiel des Edlen und Würdevollen:
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Herbst von Lenau.
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Nun ist es Herbst, die Blätter fallen, p1b_099.018
Den Wald durchbraust des Scheidens Weh; p1b_099.019
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Versäumt' ich auf der wüsten See.
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Der Himmel schien so mild, so helle, p1b_099.022
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Die rohen Winde sangen nicht.
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Und mir verging die Jugend traurig, p1b_099.026
Des Frühlings Wonne blieb versäumt: p1b_099.027
Der Herbst durchweht mich trennungschaurig p1b_099.028
Mein Herz dem Tod entgegenträumt.
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e. Das Wunderbare.
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Es erblüht stets einer phantastischen Auffassung des Naturerhabenen p1b_099.031
und ist daher namentlich in der epischen Poesie von großer p1b_099.032
Wirkung.
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Beispiel des Wunderbaren:
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Belsazer von Heinr. Heine.
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Die Mitternacht zog näher schon; p1b_099.036
Jn stummer Ruh lag Babylon.
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Dort oben in dem Königssaal, p1b_099.040
Belsazer hielt sein Königsmahl.
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Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht'; p1b_099.044
So klang es dem störrigen Könige recht.
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