Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_098.001 Es brannt' ein Wald. Jch Rasender lief p1b_098.002 Jn brennenden Wald. Vom Haare der Bäume p1b_098.003 Troff Feuer auf mich - p1b_098.004 Doch sengte nur die Flamme mein Gebein, p1b_098.005 Und verzehrte mich nicht. - p1b_098.006 - - - - - - - - p1b_098.007 Ha, nicht sterben können! nicht sterben können! p1b_098.008 Schrecklicher Zürner im Himmel, p1b_098.009 Hast Du in Deinem Rüsthause p1b_098.010 Noch ein schrecklicheres Gericht? p1b_098.011 Ha, so laß es niederdonnern auf mich! p1b_098.012 Mich wälz' ein Wettersturm p1b_098.013 Von Karmels Rücken hinunter, p1b_098.014 Daß ich an seinem Fuße p1b_098.015 Ausgestreckt lieg' - p1b_098.016 Und keuch' - und zuck' und sterbe!" - p1b_098.017 p1b_098.022Und Ahasveros sank. Jhm klang's im Ohr; p1b_098.018 Nacht deckte seine borst'ge Augenwimper. p1b_098.019 Ein Engel trug ihn wieder in's Geklüft. p1b_098.020 "Da schlaf nun," sprach der Engel, "Ahasver, p1b_098.021 Schlaf süßen Schlaf; Gott zürnt nicht ewig!" (Aus "Der ewige Jude" von Schubart.) p1b_098.023 p1b_098.024 p1b_098.026 Die Brautnacht von Wilhelm Müller. p1b_098.028Es hat geflammt die ganze Nacht p1b_098.029 Am hohen Himmelsbogen, p1b_098.030 Wie eines Feuerspieles Pracht p1b_098.031 Hat es die Luft durchflogen; p1b_098.032 Und nieder sank es tief und schwer p1b_098.033 Mit ahnungsvoller Schwüle, p1b_098.034 Ein dumpfes Rollen zog daher p1b_098.035 Und sprach von ferner Kühle: p1b_098.036 Da fielen Tropfen warm und mild p1b_098.037 Wie lang erstickte Thränen; p1b_098.038 Die Erde trank, doch ungestillt p1b_098.039 Blieb noch ihr heißes Sehnen. p1b_098.040 Und sieh, der Morgen steigt empor - p1b_098.041 Welch Wunder ist geschehen? p1b_098.042 Jn ihrem vollen Blütenflor p1b_098.043 Seh' ich die Erde stehen. p1b_098.044 O Wunder, wer hat das vollbracht? p1b_098.045 Der Knospen spröde Hülle, p1b_098.046 Wer brach sie auf in einer Nacht p1b_098.047 Zu solcher Liebesfülle? p1b_098.048
O still, o still und merket doch p1b_098.049 Der Blüten scheues Bangen! p1b_098.001 Es brannt' ein Wald. Jch Rasender lief p1b_098.002 Jn brennenden Wald. Vom Haare der Bäume p1b_098.003 Troff Feuer auf mich ─ p1b_098.004 Doch sengte nur die Flamme mein Gebein, p1b_098.005 Und verzehrte mich nicht. ─ p1b_098.006 ─ ─ ─ ─ ─ ─ ─ ─ p1b_098.007 Ha, nicht sterben können! nicht sterben können! p1b_098.008 Schrecklicher Zürner im Himmel, p1b_098.009 Hast Du in Deinem Rüsthause p1b_098.010 Noch ein schrecklicheres Gericht? p1b_098.011 Ha, so laß es niederdonnern auf mich! p1b_098.012 Mich wälz' ein Wettersturm p1b_098.013 Von Karmels Rücken hinunter, p1b_098.014 Daß ich an seinem Fuße p1b_098.015 Ausgestreckt lieg' ─ p1b_098.016 Und keuch' ─ und zuck' und sterbe!“ ─ p1b_098.017 p1b_098.022Und Ahasveros sank. Jhm klang's im Ohr; p1b_098.018 Nacht deckte seine borst'ge Augenwimper. p1b_098.019 Ein Engel trug ihn wieder in's Geklüft. p1b_098.020 „Da schlaf nun,“ sprach der Engel, „Ahasver, p1b_098.021 Schlaf süßen Schlaf; Gott zürnt nicht ewig!“ (Aus „Der ewige Jude“ von Schubart.) p1b_098.023 p1b_098.024 p1b_098.026 Die Brautnacht von Wilhelm Müller. p1b_098.028Es hat geflammt die ganze Nacht p1b_098.029 Am hohen Himmelsbogen, p1b_098.030 Wie eines Feuerspieles Pracht p1b_098.031 Hat es die Luft durchflogen; p1b_098.032 Und nieder sank es tief und schwer p1b_098.033 Mit ahnungsvoller Schwüle, p1b_098.034 Ein dumpfes Rollen zog daher p1b_098.035 Und sprach von ferner Kühle: p1b_098.036 Da fielen Tropfen warm und mild p1b_098.037 Wie lang erstickte Thränen; p1b_098.038 Die Erde trank, doch ungestillt p1b_098.039 Blieb noch ihr heißes Sehnen. p1b_098.040 Und sieh, der Morgen steigt empor ─ p1b_098.041 Welch Wunder ist geschehen? p1b_098.042 Jn ihrem vollen Blütenflor p1b_098.043 Seh' ich die Erde stehen. p1b_098.044 O Wunder, wer hat das vollbracht? p1b_098.045 Der Knospen spröde Hülle, p1b_098.046 Wer brach sie auf in einer Nacht p1b_098.047 Zu solcher Liebesfülle? p1b_098.048
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(Aus „Der ewige Jude“ von Schubart.)
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c. Das Prächtige.
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Beispiel des Prächtigen:
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Die Brautnacht von Wilhelm Müller.
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Der Blüten scheues Bangen!
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