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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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Soll ein Kunstwerk erblühen, so ist der Stellung der Worte besondere p1b_137.002
Rechnung zu tragen.

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Eine kunstvolle Satzbildung (vgl. § 62), die z. B. nicht selten Nebensächliches p1b_137.004
zuerst bietet, das Objekt nach dem Zeitwort, das Adjektiv nach seinem p1b_137.005
Substantiv bringt, trennbare Präpositionen ungetrennt läßt, ist dem Dichter p1b_137.006
erlaubt, ja, sie zeigt eigentlich erst den auf der Höhe stehenden Poeten, der die p1b_137.007
deutsche Sprache wie sein Jnstrument zu spielen versteht, ohne unschön in seinem p1b_137.008
Produkt zu werden.

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4. Verse, welche aus lauter einsilbigen Wörtern bestehen, sind dichterisch p1b_137.010
unschön, weil bei ihnen von den reizegebenden Einschnitten (§ 96) nicht die p1b_137.011
Rede sein kann, und weil das Betonungsgesetz bei diesen gleichmetrigen p1b_137.012
Wörtern in Widerstreit mit sich selbst gerät; z. B. Ehr, Macht, Ruhm, Glück, p1b_137.013
Gut mir paßt &c.

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Diese Regel gilt auch in anderen Sprachen, z. B. im Französischen: Je p1b_137.015
vois le ciel si beau, si pur et net
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Beispiele einsilbiger Wörter:

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a.

Jst man reich, wie bald vergißt p1b_137.018
Man, wer Gott und was man ist.
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(Weiße.)

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b.

Gott ist die Lieb', und läßt die Welt erlösen.
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(Gellert.)

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c.

Sag ihm: Weißt du, wie bald du wirst in Staub zerfallen.
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(Rückert.)

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(Ähnlich unschön: Ges. A. VIII. 544. Vgl. übrigens ebend. I. 398.)

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Wie ganz anders wirken dagegen Verse wie diese:

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Er stand auf seines Daches Zinnen, p1b_137.027
Er schaute mit vergnügten Sinnen p1b_137.028
Auf das beherrschte Samos hin.
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(Schiller.)

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§ 30. Das Schöne im Gebrauch des wichtigsten Ausschmückungs-Elements.
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1. Das wichtigste Ausschmückungselement der poetischen Sprache p1b_137.033
für Erzielung der Sinnlichkeit und Lebendigkeit des Ausdrucks ist das p1b_137.034
Beiwort (Epitheton ornans). Es ist nötig, daß der Dichter das p1b_137.035
charakteristisch richtige, sinnlich malende Beiwort suche und wähle, welches p1b_137.036
der bedeutenden Grundvorstellung wirkungsvoll und unterstützend p1b_137.037
an die Seite zu treten vermag.

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2. Das Beiwort verrät den Dichter.

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1. Nicht darf der Leser poetischer Gestaltungen gezwungen sein, wie in p1b_137.040
der wissenschaftlichen Prosa, durch langes Grübeln eine Reihe von Denkoperationen p1b_137.041
durchzumachen, weil dadurch der Verstand an Stelle der Phantasie

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Soll ein Kunstwerk erblühen, so ist der Stellung der Worte besondere p1b_137.002
Rechnung zu tragen.

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/171>, abgerufen am 24.11.2024.