p1b_VIII.001 ich auf die Nachsicht Besserwissender und schärfer Kombinierender, die p1b_VIII.002 frei vom Dünkel splitterrichtender oder verdienstloser neidischer Halbwisser p1b_VIII.003 den guten Willen mit der Erwägung anerkennen, daß etwas p1b_VIII.004 in dieser Art Zusammenhängendes und Erschöpfendes in unserer p1b_VIII.005 Litteratur noch nicht vorhanden ist!
p1b_VIII.006 Alle Dichter und Gelehrte aber bitte ich dringendst, etwaige p1b_VIII.007 Verbesserungen in Anordnung und Materie für eine neue Auflage p1b_VIII.008 mir zugehen zu lassen, oder mich auf Unrichtigkeiten aufmerksam zu p1b_VIII.009 machen.
p1b_VIII.010 Mein schönster Lohn würde es sein, wenn auch Fachmänner wahrhaft p1b_VIII.011 bereichernde Daten in meiner Arbeit finden und dieselbe als Lehrmittel p1b_VIII.012 empfehlen möchten, damit die Schulbehörden des deutschen p1b_VIII.013 Reiches endlich Veranlassung nehmen, dem Unterrichte in der deutschen p1b_VIII.014 Poetik mit Litteraturgeschichte eine oder zwei wöchentliche Lehrstunden p1b_VIII.015 in den oberen Klassen aller besseren Anstalten einzuräumen. Jch verspreche p1b_VIII.016 mir ein Aufblühen des Geschmacks unseres Volkes im Großen, p1b_VIII.017 wenn schon die strebende Jugend befähigt wird, die Feinheiten der p1b_VIII.018 Kunst in unseren Dichtungen zu empfinden, die Formen und Mittel p1b_VIII.019 zu verstehen, die Technik zu handhaben oder zu durchschauen, wie ich p1b_VIII.020 insbesondere die Poetik bei richtiger Behandlung für geeigenschaftet halte, p1b_VIII.021 in die obersten und letzten Disciplinen aller höheren Unterrichtsanstalten p1b_VIII.022 einzuführen: in Logik und Psychologie!
p1b_VIII.023 Zweifelsohne wird der Lernende, welcher den erfrischenden Gang p1b_VIII.024 durch eine begriff- und lebenzeugende Poetik erfolgreich gemacht hat, p1b_VIII.025 mindestens die Poetik als Philosophie der Poesie und p1b_VIII.026 ihrer Geschichte auffassen lernen: als die - so zu sagenp1b_VIII.027 - ein historisch entwickelndes Verfahren beobachtende p1b_VIII.028 Naturgeschichte der Poesie, die dem ganzen Fache konkreten p1b_VIII.029 Gehalt, Leben, Gestalt und Reiz verleiht!
p1b_VIII.030 Stuttgart, am Enthüllungstage des Hamburger Lessing-Denkmals 1881.
p1b_VIII.031
Dr. C. Beyer.
p1b_VIII.001 ich auf die Nachsicht Besserwissender und schärfer Kombinierender, die p1b_VIII.002 frei vom Dünkel splitterrichtender oder verdienstloser neidischer Halbwisser p1b_VIII.003 den guten Willen mit der Erwägung anerkennen, daß etwas p1b_VIII.004 in dieser Art Zusammenhängendes und Erschöpfendes in unserer p1b_VIII.005 Litteratur noch nicht vorhanden ist!
p1b_VIII.006 Alle Dichter und Gelehrte aber bitte ich dringendst, etwaige p1b_VIII.007 Verbesserungen in Anordnung und Materie für eine neue Auflage p1b_VIII.008 mir zugehen zu lassen, oder mich auf Unrichtigkeiten aufmerksam zu p1b_VIII.009 machen.
p1b_VIII.010 Mein schönster Lohn würde es sein, wenn auch Fachmänner wahrhaft p1b_VIII.011 bereichernde Daten in meiner Arbeit finden und dieselbe als Lehrmittel p1b_VIII.012 empfehlen möchten, damit die Schulbehörden des deutschen p1b_VIII.013 Reiches endlich Veranlassung nehmen, dem Unterrichte in der deutschen p1b_VIII.014 Poetik mit Litteraturgeschichte eine oder zwei wöchentliche Lehrstunden p1b_VIII.015 in den oberen Klassen aller besseren Anstalten einzuräumen. Jch verspreche p1b_VIII.016 mir ein Aufblühen des Geschmacks unseres Volkes im Großen, p1b_VIII.017 wenn schon die strebende Jugend befähigt wird, die Feinheiten der p1b_VIII.018 Kunst in unseren Dichtungen zu empfinden, die Formen und Mittel p1b_VIII.019 zu verstehen, die Technik zu handhaben oder zu durchschauen, wie ich p1b_VIII.020 insbesondere die Poetik bei richtiger Behandlung für geeigenschaftet halte, p1b_VIII.021 in die obersten und letzten Disciplinen aller höheren Unterrichtsanstalten p1b_VIII.022 einzuführen: in Logik und Psychologie!
p1b_VIII.023 Zweifelsohne wird der Lernende, welcher den erfrischenden Gang p1b_VIII.024 durch eine begriff- und lebenzeugende Poetik erfolgreich gemacht hat, p1b_VIII.025 mindestens die Poetik als Philosophie der Poesie und p1b_VIII.026 ihrer Geschichte auffassen lernen: als die ─ so zu sagenp1b_VIII.027 ─ ein historisch entwickelndes Verfahren beobachtende p1b_VIII.028 Naturgeschichte der Poesie, die dem ganzen Fache konkreten p1b_VIII.029 Gehalt, Leben, Gestalt und Reiz verleiht!
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[RVIII/0018]
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p1b_VIII.010
Mein schönster Lohn würde es sein, wenn auch Fachmänner wahrhaft p1b_VIII.011
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Reiches endlich Veranlassung nehmen, dem Unterrichte in der deutschen p1b_VIII.014
Poetik mit Litteraturgeschichte eine oder zwei wöchentliche Lehrstunden p1b_VIII.015
in den oberen Klassen aller besseren Anstalten einzuräumen. Jch verspreche p1b_VIII.016
mir ein Aufblühen des Geschmacks unseres Volkes im Großen, p1b_VIII.017
wenn schon die strebende Jugend befähigt wird, die Feinheiten der p1b_VIII.018
Kunst in unseren Dichtungen zu empfinden, die Formen und Mittel p1b_VIII.019
zu verstehen, die Technik zu handhaben oder zu durchschauen, wie ich p1b_VIII.020
insbesondere die Poetik bei richtiger Behandlung für geeigenschaftet halte, p1b_VIII.021
in die obersten und letzten Disciplinen aller höheren Unterrichtsanstalten p1b_VIII.022
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Zweifelsohne wird der Lernende, welcher den erfrischenden Gang p1b_VIII.024
durch eine begriff- und lebenzeugende Poetik erfolgreich gemacht hat, p1b_VIII.025
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─ ein historisch entwickelndes Verfahren beobachtende p1b_VIII.028
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Gehalt, Leben, Gestalt und Reiz verleiht!
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. RVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/18>, abgerufen am 21.11.2024.
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