Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_177.001 p1b_177.004 p1b_177.009 Von dem ich Ehre und irdisches Gut p1b_177.014 Zu Lehen trage und Leib und Blut p1b_177.015 Und Seele und Atem und Leben. p1b_177.016 a. Lob des Goldes von Rückert (Mak. II). p1b_177.018Gesegnet sei der Gelbe mit dem lichten Rand, p1b_177.019 p1b_177.038Der wie die Sonne wandelt über Meer und Land, p1b_177.020 Jn jeder Stadt daheim, zu Haus an jedem Strand, p1b_177.021 Gegrüßt mit Ehrfurcht, wo sein Name wird genannt. p1b_177.022 Er geht als wie ein edler Gast von Hand zu Hand, p1b_177.023 Empfangen überall mit Lust, mit Leid entsandt. p1b_177.024 Er schlichtet jedes menschliche Geschäft gewandt, p1b_177.025 Jn jeder Schwierigkeit ist ihm ein Rat bekannt, p1b_177.026 Er pocht umsonst nicht an die taube Felsenwand, p1b_177.027 Und etwas fühlt für ihn ein Herz, das nichts empfand. p1b_177.028 Er ist der Zaubrer, dem sich keine Schlang' entwand, p1b_177.029 Der Schöne, welchem keine Schönheit widerstand, p1b_177.030 Der Held, der ohne Schwertstreich Helden überwand; p1b_177.031 Der Schwachen Kräfte giebt und Thörichten Verstand, p1b_177.032 Und Selbstvertraun einflößet, das mit Stolz ermannt. p1b_177.033 Wer ihn zum Freund hat, ist den Fürsten anverwandt, p1b_177.034 Wenngleich sein Stammbaum auf gemeinem Boden stand. p1b_177.035 Der trifft des Wunsches Ziel, dem er den Bogen spannt. p1b_177.036 Er ist des Königs Kron' und seiner Herrschaft Pfand, p1b_177.037 Er ist der Erde Kern, und alles sonst ist Tand. b. Willst du die Blüte des frühen, die Früchte des späteren Jahres, p1b_177.039 Willst du, was reizt und entzückt, willst du, was sättigt und nährt; p1b_177.040 Willst du den Himmel, die Erde mit einem Namen begreifen: p1b_177.041 Nenn' ich Sakontala dich, und so ist alles gesagt. (Goethe.) p1b_177.042 Kennst du das Land, wo warm die Herzen glühn, p1b_177.043 Der Liebe Blumen auch dem Nord entblühn, p1b_177.044 Die Tanne dunkel, licht die Birke ragt, p1b_177.045 Auf blauem Meer die Morgensonne tagt? p1b_177.046 Kennst du es wohl? Jch sing' und sage laut: p1b_177.047 Mein Livland ist es, meine Heimat traut.(Adolphi.) p1b_177.048
(Vgl. auch Goethes: Kennst du das Land? wo die Citronen blühn, p1b_177.049 Jm dunkeln Laub die Goldorangen glühn u. s. w.) p1b_177.001 p1b_177.004 p1b_177.009 Von dem ich Ehre und irdisches Gut p1b_177.014 Zu Lehen trage und Leib und Blut p1b_177.015 Und Seele und Atem und Leben. p1b_177.016 a. Lob des Goldes von Rückert (Mak. II). p1b_177.018Gesegnet sei der Gelbe mit dem lichten Rand, p1b_177.019 p1b_177.038Der wie die Sonne wandelt über Meer und Land, p1b_177.020 Jn jeder Stadt daheim, zu Haus an jedem Strand, p1b_177.021 Gegrüßt mit Ehrfurcht, wo sein Name wird genannt. p1b_177.022 Er geht als wie ein edler Gast von Hand zu Hand, p1b_177.023 Empfangen überall mit Lust, mit Leid entsandt. p1b_177.024 Er schlichtet jedes menschliche Geschäft gewandt, p1b_177.025 Jn jeder Schwierigkeit ist ihm ein Rat bekannt, p1b_177.026 Er pocht umsonst nicht an die taube Felsenwand, p1b_177.027 Und etwas fühlt für ihn ein Herz, das nichts empfand. p1b_177.028 Er ist der Zaubrer, dem sich keine Schlang' entwand, p1b_177.029 Der Schöne, welchem keine Schönheit widerstand, p1b_177.030 Der Held, der ohne Schwertstreich Helden überwand; p1b_177.031 Der Schwachen Kräfte giebt und Thörichten Verstand, p1b_177.032 Und Selbstvertraun einflößet, das mit Stolz ermannt. p1b_177.033 Wer ihn zum Freund hat, ist den Fürsten anverwandt, p1b_177.034 Wenngleich sein Stammbaum auf gemeinem Boden stand. p1b_177.035 Der trifft des Wunsches Ziel, dem er den Bogen spannt. p1b_177.036 Er ist des Königs Kron' und seiner Herrschaft Pfand, p1b_177.037 Er ist der Erde Kern, und alles sonst ist Tand. b. Willst du die Blüte des frühen, die Früchte des späteren Jahres, p1b_177.039 Willst du, was reizt und entzückt, willst du, was sättigt und nährt; p1b_177.040 Willst du den Himmel, die Erde mit einem Namen begreifen: p1b_177.041 Nenn' ich Sakontala dich, und so ist alles gesagt. (Goethe.) p1b_177.042 Kennst du das Land, wo warm die Herzen glühn, p1b_177.043 Der Liebe Blumen auch dem Nord entblühn, p1b_177.044 Die Tanne dunkel, licht die Birke ragt, p1b_177.045 Auf blauem Meer die Morgensonne tagt? p1b_177.046 Kennst du es wohl? Jch sing' und sage laut: p1b_177.047 Mein Livland ist es, meine Heimat traut.(Adolphi.) p1b_177.048
(Vgl. auch Goethes: Kennst du das Land? wo die Citronen blühn, p1b_177.049 Jm dunkeln Laub die Goldorangen glühn u. s. w.) <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0211" n="177"/><lb n="p1b_177.001"/> Herde &c.) entgegengesetzt. Das Kollektivum ist dem Plural ähnlich und wird <lb n="p1b_177.002"/> nicht selten als Plural gebraucht; die <hi rendition="#g">Distribution dagegen zerlegt <lb n="p1b_177.003"/> in lauter Einzelheiten.</hi></p> <p><lb n="p1b_177.004"/> Die Distribution <hi rendition="#g">teilt</hi> u. A. auch von mehreren angeführten Personen <lb n="p1b_177.005"/> einer jeden bestimmte Obliegenheiten oder Verrichtungen <hi rendition="#g">zu</hi> (z. B. des <lb n="p1b_177.006"/> Senates Pflicht ist es, den Staat mit Rat zu unterstützen; ─ der Beamten <lb n="p1b_177.007"/> Pflicht, den Willen des Staates mit Treue und Pünktlichkeit zu erfüllen; ─ <lb n="p1b_177.008"/> des Volkes Pflicht, die geeignetsten Männer zu wählen &c.).</p> <p><lb n="p1b_177.009"/> Wenn die Distribution die <hi rendition="#g">Häufung des Ausdrucks</hi> beabsichtigt, <lb n="p1b_177.010"/> so heißt sie <hi rendition="#aq">congeries</hi> == das Zusammengetragene (<foreign xml:lang="grc">συναθροισμός</foreign>). Der <lb n="p1b_177.011"/> Begriff „<hi rendition="#g">Alles</hi>“ wird z. B. im Grafen von Habsburg von Schiller folgendermaßen <lb n="p1b_177.012"/> spezialisiert:</p> <lb n="p1b_177.013"/> <lg> <l>Von dem ich Ehre und irdisches Gut</l> <lb n="p1b_177.014"/> <l>Zu Lehen trage und Leib und Blut</l> <lb n="p1b_177.015"/> <l>Und Seele und Atem und Leben.</l> </lg> <p> <lb n="p1b_177.016"/> <hi rendition="#g">Beispiele der Distribution:</hi> </p> <lb n="p1b_177.017"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">a</hi>. <hi rendition="#g">Lob des Goldes</hi> von Rückert (Mak. <hi rendition="#aq">II</hi>).</hi> </p> <lb n="p1b_177.018"/> <lg> <l>Gesegnet sei der Gelbe mit dem lichten Rand,</l> <lb n="p1b_177.019"/> <l>Der wie die Sonne wandelt über Meer und Land,</l> <lb n="p1b_177.020"/> <l>Jn jeder Stadt daheim, zu Haus an jedem Strand,</l> <lb n="p1b_177.021"/> <l>Gegrüßt mit Ehrfurcht, wo sein Name wird genannt.</l> <lb n="p1b_177.022"/> <l>Er geht als wie ein edler Gast von Hand zu Hand,</l> <lb n="p1b_177.023"/> <l>Empfangen überall mit Lust, mit Leid entsandt.</l> <lb n="p1b_177.024"/> <l>Er schlichtet jedes menschliche Geschäft gewandt,</l> <lb n="p1b_177.025"/> <l>Jn jeder Schwierigkeit ist ihm ein Rat bekannt,</l> <lb n="p1b_177.026"/> <l>Er pocht umsonst nicht an die taube Felsenwand,</l> <lb n="p1b_177.027"/> <l>Und etwas fühlt für ihn ein Herz, das nichts empfand.</l> <lb n="p1b_177.028"/> <l>Er ist der Zaubrer, dem sich keine Schlang' entwand,</l> <lb n="p1b_177.029"/> <l>Der Schöne, welchem keine Schönheit widerstand,</l> <lb n="p1b_177.030"/> <l>Der Held, der ohne Schwertstreich Helden überwand;</l> <lb n="p1b_177.031"/> <l>Der Schwachen Kräfte giebt und Thörichten Verstand,</l> <lb n="p1b_177.032"/> <l>Und Selbstvertraun einflößet, das mit Stolz ermannt.</l> <lb n="p1b_177.033"/> <l>Wer ihn zum Freund hat, ist den Fürsten anverwandt,</l> <lb n="p1b_177.034"/> <l>Wenngleich sein Stammbaum auf gemeinem Boden stand.</l> <lb n="p1b_177.035"/> <l>Der trifft des Wunsches Ziel, dem er den Bogen spannt.</l> <lb n="p1b_177.036"/> <l>Er ist des Königs Kron' und seiner Herrschaft Pfand,</l> <lb n="p1b_177.037"/> <l>Er ist der Erde Kern, und alles sonst ist Tand. </l> </lg> <lb n="p1b_177.038"/> <p rendition="#left"><hi rendition="#aq">b</hi>.</p> <lg> <l>Willst du die Blüte des frühen, die Früchte des späteren Jahres,</l> <lb n="p1b_177.039"/> <l> Willst du, was reizt und entzückt, willst du, was sättigt und nährt;</l> <lb n="p1b_177.040"/> <l>Willst du den Himmel, die Erde mit einem Namen begreifen:</l> <lb n="p1b_177.041"/> <l> Nenn' ich Sakontala dich, und so ist alles gesagt.</l> </lg> <p> <hi rendition="#right">(Goethe.)</hi> </p> <lg> <lb n="p1b_177.042"/> <l>Kennst du das Land, wo warm die Herzen glühn,</l> <lb n="p1b_177.043"/> <l>Der Liebe Blumen auch dem Nord entblühn,</l> <lb n="p1b_177.044"/> <l>Die Tanne dunkel, licht die Birke ragt,</l> <lb n="p1b_177.045"/> <l>Auf blauem Meer die Morgensonne tagt?</l> <lb n="p1b_177.046"/> <l>Kennst du es wohl? Jch sing' und sage laut:</l> <lb n="p1b_177.047"/> <l>Mein Livland ist es, meine Heimat traut.<hi rendition="#right">(Adolphi.)</hi> </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_177.048"/> <l> <hi rendition="#c">(Vgl. auch Goethes: Kennst du das Land? wo die Citronen blühn,</hi> </l> <lb n="p1b_177.049"/> <l> <hi rendition="#c">Jm dunkeln Laub die Goldorangen glühn u. s. w.)</hi> </l> </lg> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [177/0211]
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Herde &c.) entgegengesetzt. Das Kollektivum ist dem Plural ähnlich und wird p1b_177.002
nicht selten als Plural gebraucht; die Distribution dagegen zerlegt p1b_177.003
in lauter Einzelheiten.
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Die Distribution teilt u. A. auch von mehreren angeführten Personen p1b_177.005
einer jeden bestimmte Obliegenheiten oder Verrichtungen zu (z. B. des p1b_177.006
Senates Pflicht ist es, den Staat mit Rat zu unterstützen; ─ der Beamten p1b_177.007
Pflicht, den Willen des Staates mit Treue und Pünktlichkeit zu erfüllen; ─ p1b_177.008
des Volkes Pflicht, die geeignetsten Männer zu wählen &c.).
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Wenn die Distribution die Häufung des Ausdrucks beabsichtigt, p1b_177.010
so heißt sie congeries == das Zusammengetragene (συναθροισμός). Der p1b_177.011
Begriff „Alles“ wird z. B. im Grafen von Habsburg von Schiller folgendermaßen p1b_177.012
spezialisiert:
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Von dem ich Ehre und irdisches Gut p1b_177.014
Zu Lehen trage und Leib und Blut p1b_177.015
Und Seele und Atem und Leben.
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Beispiele der Distribution:
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a. Lob des Goldes von Rückert (Mak. II).
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Gesegnet sei der Gelbe mit dem lichten Rand, p1b_177.019
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Der Held, der ohne Schwertstreich Helden überwand; p1b_177.031
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b.
Willst du die Blüte des frühen, die Früchte des späteren Jahres, p1b_177.039
Willst du, was reizt und entzückt, willst du, was sättigt und nährt; p1b_177.040
Willst du den Himmel, die Erde mit einem Namen begreifen: p1b_177.041
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(Goethe.)
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Kennst du das Land, wo warm die Herzen glühn, p1b_177.043
Der Liebe Blumen auch dem Nord entblühn, p1b_177.044
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Kennst du es wohl? Jch sing' und sage laut: p1b_177.047
Mein Livland ist es, meine Heimat traut.(Adolphi.)
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(Vgl. auch Goethes: Kennst du das Land? wo die Citronen blühn, p1b_177.049
Jm dunkeln Laub die Goldorangen glühn u. s. w.)
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Zitationshilfe: | Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/211>, abgerufen am 16.02.2025. |