Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_204.001 p1b_204.004 Er rauscht und rauscht und rauscht, die Gegend hört ihn rauschen, p1b_204.006 Und lauscht und lauscht und lauscht, und wird nicht satt zu lauschen. p1b_204.007 Er wühlt und wühlt und wühlt, der Boden fühlt ihn wühlen, p1b_204.008 Und fühlt und fühlt und fühlt, und reicht nicht aus zu fühlen. p1b_204.009 Er schäumt und schäumt und schäumt, die Blume läßt ihn schäumen, p1b_204.010 Und träumt und träumt und träumt, und hört nicht auf zu träumen. p1b_204.011 Er strahlt und strahlt und strahlt, der Maler sieht ihn strahlen, p1b_204.012 Und malt und malt und malt, und wird nicht müd zu malen. p1b_204.013 Er haucht und haucht und haucht, feucht fühlt die Luft sein Hauchen, p1b_204.014 Und taucht und taucht und taucht, sich satt darein zu tauchen. p1b_204.015 Er quillt und quillt und quillt, und wird nicht matt zu quellen, p1b_204.016 Er schwillt und schwillt und schwillt, und wird nicht satt zu schwellen. p1b_204.017 p1b_204.019Und wie er quoll und quoll, und wie er schwoll und schwoll, p1b_204.018 Sein Quellen wird nie leer, sein Schwellen wird nie voll. (Rückert, Weisheit d. Brahm. 197.) p1b_204.020 § 56. Nebenarten der Klimax. p1b_204.021 p1b_204.022 p1b_204.023 p1b_204.027 p1b_204.030 Und immer höher schwoll die Flut, p1b_204.032 Und immer lauter schnob der Wind, p1b_204.033 Und immer tiefer sank der Mut.(Bürger.) p1b_204.034 (Hüffel in "Beruf".) p1b_204.038 Du bist ein Muttersohn und von der Mutterbrust p1b_204.040 p1b_204.045Noch nicht entwöhnt, sie ist noch immer deine Lust. p1b_204.041 Du bist ein Muttersohn, doch an der Mutterbrust p1b_204.042 Hast du den Vater selbst geahnt in stiller Lust. p1b_204.043 Du bist ein Muttersohn, doch auch des Vaters Kind, p1b_204.044 Der auch die Kinder liebt, die lieb der Mutter sind. (Rückert, Weish. des Brahm.) p1b_204.001 p1b_204.004 Er rauscht und rauscht und rauscht, die Gegend hört ihn rauschen, p1b_204.006 Und lauscht und lauscht und lauscht, und wird nicht satt zu lauschen. p1b_204.007 Er wühlt und wühlt und wühlt, der Boden fühlt ihn wühlen, p1b_204.008 Und fühlt und fühlt und fühlt, und reicht nicht aus zu fühlen. p1b_204.009 Er schäumt und schäumt und schäumt, die Blume läßt ihn schäumen, p1b_204.010 Und träumt und träumt und träumt, und hört nicht auf zu träumen. p1b_204.011 Er strahlt und strahlt und strahlt, der Maler sieht ihn strahlen, p1b_204.012 Und malt und malt und malt, und wird nicht müd zu malen. p1b_204.013 Er haucht und haucht und haucht, feucht fühlt die Luft sein Hauchen, p1b_204.014 Und taucht und taucht und taucht, sich satt darein zu tauchen. p1b_204.015 Er quillt und quillt und quillt, und wird nicht matt zu quellen, p1b_204.016 Er schwillt und schwillt und schwillt, und wird nicht satt zu schwellen. p1b_204.017 p1b_204.019Und wie er quoll und quoll, und wie er schwoll und schwoll, p1b_204.018 Sein Quellen wird nie leer, sein Schwellen wird nie voll. (Rückert, Weisheit d. Brahm. 197.) p1b_204.020 § 56. Nebenarten der Klimax. p1b_204.021 p1b_204.022 p1b_204.023 p1b_204.027 p1b_204.030 Und immer höher schwoll die Flut, p1b_204.032 Und immer lauter schnob der Wind, p1b_204.033 Und immer tiefer sank der Mut.(Bürger.) p1b_204.034 (Hüffel in „Beruf“.) p1b_204.038 Du bist ein Muttersohn und von der Mutterbrust p1b_204.040 p1b_204.045Noch nicht entwöhnt, sie ist noch immer deine Lust. p1b_204.041 Du bist ein Muttersohn, doch an der Mutterbrust p1b_204.042 Hast du den Vater selbst geahnt in stiller Lust. p1b_204.043 Du bist ein Muttersohn, doch auch des Vaters Kind, p1b_204.044 Der auch die Kinder liebt, die lieb der Mutter sind. 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B. im „Wasserfall“ folgende Alexandriner-Distichen:</p> <lb n="p1b_204.005"/> <lg> <l>Er rauscht und rauscht und rauscht, die Gegend hört ihn rauschen,</l> <lb n="p1b_204.006"/> <l>Und lauscht und lauscht und lauscht, und wird nicht satt zu lauschen. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_204.007"/> <l>Er wühlt und wühlt und wühlt, der Boden fühlt ihn wühlen,</l> <lb n="p1b_204.008"/> <l>Und fühlt und fühlt und fühlt, und reicht nicht aus zu fühlen. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_204.009"/> <l>Er schäumt und schäumt und schäumt, die Blume läßt ihn schäumen,</l> <lb n="p1b_204.010"/> <l>Und träumt und träumt und träumt, und hört nicht auf zu träumen. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_204.011"/> <l>Er strahlt und strahlt und strahlt, der Maler sieht ihn strahlen,</l> <lb n="p1b_204.012"/> <l>Und malt und malt und malt, und wird nicht müd zu malen. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_204.013"/> <l>Er haucht und haucht und haucht, feucht fühlt die Luft sein Hauchen,</l> <lb n="p1b_204.014"/> <l>Und taucht und taucht und taucht, sich satt darein zu tauchen. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_204.015"/> <l>Er quillt und quillt und quillt, und wird nicht matt zu quellen,</l> <lb n="p1b_204.016"/> <l>Er schwillt und schwillt und schwillt, und wird nicht satt zu schwellen. </l> </lg> <lg> <lb n="p1b_204.017"/> <l>Und wie er quoll und quoll, und wie er schwoll und schwoll,</l> <lb n="p1b_204.018"/> <l>Sein Quellen wird nie leer, sein Schwellen wird nie voll.</l> </lg> <lb n="p1b_204.019"/> <p> <hi rendition="#right">(Rückert, Weisheit d. 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Wenn auch die Hütte <lb n="p1b_204.029"/> weniger ist als der Palast, so liegt doch hier der Schwerpunkt im Begriff „Hütte“.</p> <p> <lb n="p1b_204.030"/> <hi rendition="#g">Weitere Beispiele:</hi> </p> <lb n="p1b_204.031"/> <lg> <l>Und immer höher schwoll die Flut,</l> <lb n="p1b_204.032"/> <l>Und immer lauter schnob der Wind,</l> <lb n="p1b_204.033"/> <l>Und immer tiefer sank der Mut.<hi rendition="#right">(Bürger.)</hi></l> </lg> <p><lb n="p1b_204.034"/> Wie? Du willst dich gegen deinen Schöpfer auflehnen? Aber worauf bist du <lb n="p1b_204.035"/> denn stolz? Auf deine Vernunft, auf dein Wissen, auf diese Bruchstücke, auf die <lb n="p1b_204.036"/> Splitter des Wahren, auf dieses eigentliche Nichtwissen?</p> <lb n="p1b_204.037"/> <p> <hi rendition="#right">(Hüffel in „Beruf“.)</hi> </p> <p><lb n="p1b_204.038"/> Eine besondere Art von <hi rendition="#g">Antiklimax</hi> bildet Rückert in folgendem Beispiel:</p> <lb n="p1b_204.039"/> <lg> <l>Du bist ein Muttersohn und von der Mutterbrust</l> <lb n="p1b_204.040"/> <l>Noch nicht entwöhnt, sie ist noch immer deine Lust.</l> <lb n="p1b_204.041"/> <l>Du bist ein Muttersohn, doch an der Mutterbrust</l> <lb n="p1b_204.042"/> <l>Hast du den Vater selbst geahnt in stiller Lust.</l> <lb n="p1b_204.043"/> <l>Du bist ein Muttersohn, doch auch des Vaters Kind,</l> <lb n="p1b_204.044"/> <l>Der auch die Kinder liebt, die lieb der Mutter sind.</l> </lg> <lb n="p1b_204.045"/> <p> <hi rendition="#right">(Rückert, Weish. des Brahm.)</hi> </p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [204/0238]
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Eine besondere Art von Klimax bildet Rückert durch Wiederholung p1b_204.002
des Begriffs und daran sich reihende bedeutungsteigernde Ausführung. Wir p1b_204.003
nennen diese Form für die Folge die Rückert-Klimax.
p1b_204.004
Man vergl. z. B. im „Wasserfall“ folgende Alexandriner-Distichen:
p1b_204.005
Er rauscht und rauscht und rauscht, die Gegend hört ihn rauschen, p1b_204.006
Und lauscht und lauscht und lauscht, und wird nicht satt zu lauschen.
p1b_204.007
Er wühlt und wühlt und wühlt, der Boden fühlt ihn wühlen, p1b_204.008
Und fühlt und fühlt und fühlt, und reicht nicht aus zu fühlen.
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Er schäumt und schäumt und schäumt, die Blume läßt ihn schäumen, p1b_204.010
Und träumt und träumt und träumt, und hört nicht auf zu träumen.
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Er strahlt und strahlt und strahlt, der Maler sieht ihn strahlen, p1b_204.012
Und malt und malt und malt, und wird nicht müd zu malen.
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Er haucht und haucht und haucht, feucht fühlt die Luft sein Hauchen, p1b_204.014
Und taucht und taucht und taucht, sich satt darein zu tauchen.
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Er quillt und quillt und quillt, und wird nicht matt zu quellen, p1b_204.016
Er schwillt und schwillt und schwillt, und wird nicht satt zu schwellen.
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Und wie er quoll und quoll, und wie er schwoll und schwoll, p1b_204.018
Sein Quellen wird nie leer, sein Schwellen wird nie voll.
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(Rückert, Weisheit d. Brahm. 197.)
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§ 56. Nebenarten der Klimax. p1b_204.021
Es sind die Antiklimax und die Häufung.
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1. Antiklimax.
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Die der Klimax entgegensetzte Figur, welche vom erhabeneren zum p1b_204.024
schwächeren Gedanken niedersteigt (gradatio a majore ad minus) heißt p1b_204.025
Antiklimax. Das Absteigen ist jedoch nur scheinbar; der letzte Begriff p1b_204.026
hat doch die höchste Bedeutung.
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Z. B.: „Wenn wir groß sind, so sind wir es überall, auf dem Throne, p1b_204.028
im Palaste, in der Hütte.“ Dies ist eine Antiklimax. Wenn auch die Hütte p1b_204.029
weniger ist als der Palast, so liegt doch hier der Schwerpunkt im Begriff „Hütte“.
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Weitere Beispiele:
p1b_204.031
Und immer höher schwoll die Flut, p1b_204.032
Und immer lauter schnob der Wind, p1b_204.033
Und immer tiefer sank der Mut.(Bürger.)
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Wie? Du willst dich gegen deinen Schöpfer auflehnen? Aber worauf bist du p1b_204.035
denn stolz? Auf deine Vernunft, auf dein Wissen, auf diese Bruchstücke, auf die p1b_204.036
Splitter des Wahren, auf dieses eigentliche Nichtwissen?
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(Hüffel in „Beruf“.)
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Eine besondere Art von Antiklimax bildet Rückert in folgendem Beispiel:
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Du bist ein Muttersohn und von der Mutterbrust p1b_204.040
Noch nicht entwöhnt, sie ist noch immer deine Lust. p1b_204.041
Du bist ein Muttersohn, doch an der Mutterbrust p1b_204.042
Hast du den Vater selbst geahnt in stiller Lust. p1b_204.043
Du bist ein Muttersohn, doch auch des Vaters Kind, p1b_204.044
Der auch die Kinder liebt, die lieb der Mutter sind.
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(Rückert, Weish. des Brahm.)
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