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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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gebundener Rhythmik mechanisch wiederkehrender Versfüße für die Dauer nicht p1b_268.002
begnügen. Wir mußten die Fesseln des Versrhythmus brechen, wenn wir nicht p1b_268.003
die deutsche Schönheit einer konventionellen Formenschnitzerei opfern wollten.

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Viele hochbedeutende neuere Dichter haben daher - ohne Aufforderung p1b_268.005
seitens einer bis jetzt nicht vorhandenen accentuierenden Rhythmik - die Rückkehr p1b_268.006
zum geschichtlichen Grundelement des deutschen Rhythmus in ihren Dichtungen p1b_268.007
bereits begonnen, was wir im Kapitel vom Accentvers (§ 116-122) p1b_268.008
nachweisen werden. Es kann keinem Zweifel unterworfen sein, daß nunmehr p1b_268.009
das deutsche Sprachgefühl siegen und in der neuen Rhythmik der neuen Poesie p1b_268.010
erneutes Leben, Schwung und Bewegung verleihen wird.

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§ 89. Die rhythmische Reihe.

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Die Vereinigung von 2 (bis zu 6) Takten, sofern diese dem p1b_268.013
Sinne nach von einem einzigen Hauptaccent beherrscht werden, hieß p1b_268.014
bei den Griechen Kolon oder Glied, wofür bei uns die Bezeichnung p1b_268.015
rhythmische Reihe entsprechender sein dürfte. Die rhythmische Reihe p1b_268.016
reicht so weit, als der logische Nachdruck desjenigen Wortes fortwirkt, p1b_268.017
welches den für diese Reihe geltenden Hauptaccent erhält.

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Für Bezeichnung ihrer verschiedenen Ausdehnung schlagen wir die p1b_268.019
deutschen Benennungen Zweitakt, Dreitakt, Viertakt, Fünftakt, Sechstakt, p1b_268.020
oder zweitaktige, dreitaktige, viertaktige, fünftaktige, sechstaktige p1b_268.021
rhythmische Reihe vor. Doch können immerhin auch die den Griechen p1b_268.022
entstammenden verständlichen Namen Dipodie, Tripodie, Tetrapodie, p1b_268.023
Pentapodie, Hexapodie, - oder dipodisches, tripodisches, tetrapodisches, p1b_268.024
pentapodisches, hexapodisches Kolon beibehalten werden, oder auch dipodische, p1b_268.025
tripodische, tetrapodische, pentapodische, hexapodische Reihe.

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Eine Dipodie hat 2 Takte, eine Tripodie 3 u. s. w.

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Nur ganz ausnahmsweise überschreitet die rhythmische Reihe die Ausdehnung p1b_268.028
von sechs Takten. Oft ist sie länger als die Verszeile, oft kürzer, p1b_268.029
meist fällt sie jedoch mit ihr zusammen, z. B.

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Jm schwarzen Wallfisch zu Ascalon - p1b_268.031
Da trank ein Mann drei Tag'.(Scheffel.)

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Sie endigt bei uns stets mit einem vollen Worte. Einschnitte (Wortbrechungen) p1b_268.033
wie folgende verträgt sie nicht:

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Diese meister= p1b_268.035
Losen Geister.

(Rückert.)

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Oder: Und sie freute sich des schönen p1b_268.037
Meeres &c. &c.

(Schiller.)

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Jm Beispiele von Rückert liegt der Hauptaccent in der Silbe "Geist"; p1b_268.039
also heißt die rhythmische Reihe: diese meisterlosen Geister. Jm Beispiele von p1b_268.040
Schiller hat das Wort Meer den Hauptnachdruck, weshalb es unbedingt zur p1b_268.041
rhythmischen Reihe gehört.

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§ 89. Die rhythmische Reihe.

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Die Vereinigung von 2 (bis zu 6) Takten, sofern diese dem p1b_268.013
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Für Bezeichnung ihrer verschiedenen Ausdehnung schlagen wir die p1b_268.019
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/302>, abgerufen am 22.11.2024.