p1b_268.001 gebundener Rhythmik mechanisch wiederkehrender Versfüße für die Dauer nicht p1b_268.002 begnügen. Wir mußten die Fesseln des Versrhythmus brechen, wenn wir nicht p1b_268.003 die deutsche Schönheit einer konventionellen Formenschnitzerei opfern wollten.
p1b_268.004 Viele hochbedeutende neuere Dichter haben daher - ohne Aufforderung p1b_268.005 seitens einer bis jetzt nicht vorhandenen accentuierenden Rhythmik - die Rückkehr p1b_268.006 zum geschichtlichen Grundelement des deutschen Rhythmus in ihren Dichtungen p1b_268.007 bereits begonnen, was wir im Kapitel vom Accentvers (§ 116-122) p1b_268.008 nachweisen werden. Es kann keinem Zweifel unterworfen sein, daß nunmehr p1b_268.009 das deutsche Sprachgefühl siegen und in der neuen Rhythmik der neuen Poesie p1b_268.010 erneutes Leben, Schwung und Bewegung verleihen wird.
p1b_268.011 § 89. Die rhythmische Reihe.
p1b_268.012 Die Vereinigung von 2 (bis zu 6) Takten, sofern diese dem p1b_268.013 Sinne nach von einem einzigen Hauptaccent beherrscht werden, hieß p1b_268.014 bei den Griechen Kolon oder Glied, wofür bei uns die Bezeichnung p1b_268.015 rhythmische Reihe entsprechender sein dürfte. Die rhythmische Reihe p1b_268.016 reicht so weit, als der logische Nachdruck desjenigen Wortes fortwirkt, p1b_268.017 welches den für diese Reihe geltenden Hauptaccent erhält.
p1b_268.018 Für Bezeichnung ihrer verschiedenen Ausdehnung schlagen wir die p1b_268.019 deutschen Benennungen Zweitakt, Dreitakt, Viertakt, Fünftakt, Sechstakt, p1b_268.020 oder zweitaktige, dreitaktige, viertaktige, fünftaktige, sechstaktige p1b_268.021 rhythmische Reihe vor. Doch können immerhin auch die den Griechen p1b_268.022 entstammenden verständlichen Namen Dipodie, Tripodie, Tetrapodie, p1b_268.023 Pentapodie, Hexapodie, - oder dipodisches, tripodisches, tetrapodisches, p1b_268.024 pentapodisches, hexapodisches Kolon beibehalten werden, oder auch dipodische, p1b_268.025 tripodische, tetrapodische, pentapodische, hexapodische Reihe.
p1b_268.026 Eine Dipodie hat 2 Takte, eine Tripodie 3 u. s. w.
p1b_268.027 Nur ganz ausnahmsweise überschreitet die rhythmische Reihe die Ausdehnung p1b_268.028 von sechs Takten. Oft ist sie länger als die Verszeile, oft kürzer, p1b_268.029 meist fällt sie jedoch mit ihr zusammen, z. B.
p1b_268.030
Jm schwarzen Wallfisch zu Ascalon -p1b_268.031 Da trank ein Mann drei Tag'.(Scheffel.)
p1b_268.032 Sie endigt bei uns stets mit einem vollen Worte. Einschnitte (Wortbrechungen) p1b_268.033 wie folgende verträgt sie nicht:
p1b_268.034
Diese meister=p1b_268.035 Losen Geister.
(Rückert.)
p1b_268.036 Oder: Und sie freute sich des schönenp1b_268.037 Meeres &c. &c.
(Schiller.)
p1b_268.038 Jm Beispiele von Rückert liegt der Hauptaccent in der Silbe "Geist"; p1b_268.039 also heißt die rhythmische Reihe: diese meisterlosen Geister. Jm Beispiele von p1b_268.040 Schiller hat das Wort Meer den Hauptnachdruck, weshalb es unbedingt zur p1b_268.041 rhythmischen Reihe gehört.
p1b_268.001 gebundener Rhythmik mechanisch wiederkehrender Versfüße für die Dauer nicht p1b_268.002 begnügen. Wir mußten die Fesseln des Versrhythmus brechen, wenn wir nicht p1b_268.003 die deutsche Schönheit einer konventionellen Formenschnitzerei opfern wollten.
p1b_268.004 Viele hochbedeutende neuere Dichter haben daher ─ ohne Aufforderung p1b_268.005 seitens einer bis jetzt nicht vorhandenen accentuierenden Rhythmik ─ die Rückkehr p1b_268.006 zum geschichtlichen Grundelement des deutschen Rhythmus in ihren Dichtungen p1b_268.007 bereits begonnen, was wir im Kapitel vom Accentvers (§ 116─122) p1b_268.008 nachweisen werden. Es kann keinem Zweifel unterworfen sein, daß nunmehr p1b_268.009 das deutsche Sprachgefühl siegen und in der neuen Rhythmik der neuen Poesie p1b_268.010 erneutes Leben, Schwung und Bewegung verleihen wird.
p1b_268.011 § 89. Die rhythmische Reihe.
p1b_268.012 Die Vereinigung von 2 (bis zu 6) Takten, sofern diese dem p1b_268.013 Sinne nach von einem einzigen Hauptaccent beherrscht werden, hieß p1b_268.014 bei den Griechen Kolon oder Glied, wofür bei uns die Bezeichnung p1b_268.015 rhythmische Reihe entsprechender sein dürfte. Die rhythmische Reihe p1b_268.016 reicht so weit, als der logische Nachdruck desjenigen Wortes fortwirkt, p1b_268.017 welches den für diese Reihe geltenden Hauptaccent erhält.
p1b_268.018 Für Bezeichnung ihrer verschiedenen Ausdehnung schlagen wir die p1b_268.019 deutschen Benennungen Zweitakt, Dreitakt, Viertakt, Fünftakt, Sechstakt, p1b_268.020 oder zweitaktige, dreitaktige, viertaktige, fünftaktige, sechstaktige p1b_268.021 rhythmische Reihe vor. Doch können immerhin auch die den Griechen p1b_268.022 entstammenden verständlichen Namen Dipodie, Tripodie, Tetrapodie, p1b_268.023 Pentapodie, Hexapodie, ─ oder dipodisches, tripodisches, tetrapodisches, p1b_268.024 pentapodisches, hexapodisches Kolon beibehalten werden, oder auch dipodische, p1b_268.025 tripodische, tetrapodische, pentapodische, hexapodische Reihe.
p1b_268.026 Eine Dipodie hat 2 Takte, eine Tripodie 3 u. s. w.
p1b_268.027 Nur ganz ausnahmsweise überschreitet die rhythmische Reihe die Ausdehnung p1b_268.028 von sechs Takten. Oft ist sie länger als die Verszeile, oft kürzer, p1b_268.029 meist fällt sie jedoch mit ihr zusammen, z. B.
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Jm schwarzen Wallfisch zu Ascalon ─p1b_268.031 Da trank ein Mann drei Tag'.(Scheffel.)
p1b_268.032 Sie endigt bei uns stets mit einem vollen Worte. Einschnitte (Wortbrechungen) p1b_268.033 wie folgende verträgt sie nicht:
p1b_268.034
Diese meister=p1b_268.035 Losen Geister.
(Rückert.)
p1b_268.036 Oder: Und sie freute sich des schönenp1b_268.037 Meeres &c. &c.
(Schiller.)
p1b_268.038 Jm Beispiele von Rückert liegt der Hauptaccent in der Silbe „Geist“; p1b_268.039 also heißt die rhythmische Reihe: diese meisterlosen Geister. Jm Beispiele von p1b_268.040 Schiller hat das Wort Meer den Hauptnachdruck, weshalb es unbedingt zur p1b_268.041 rhythmischen Reihe gehört.
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gebundener Rhythmik mechanisch wiederkehrender Versfüße für die Dauer nicht p1b_268.002
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die deutsche Schönheit einer konventionellen Formenschnitzerei opfern wollten.
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Viele hochbedeutende neuere Dichter haben daher ─ ohne Aufforderung p1b_268.005
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zum geschichtlichen Grundelement des deutschen Rhythmus in ihren Dichtungen p1b_268.007
bereits begonnen, was wir im Kapitel vom Accentvers (§ 116─122) p1b_268.008
nachweisen werden. Es kann keinem Zweifel unterworfen sein, daß nunmehr p1b_268.009
das deutsche Sprachgefühl siegen und in der neuen Rhythmik der neuen Poesie p1b_268.010
erneutes Leben, Schwung und Bewegung verleihen wird.
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§ 89. Die rhythmische Reihe. p1b_268.012
Die Vereinigung von 2 (bis zu 6) Takten, sofern diese dem p1b_268.013
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Jm schwarzen Wallfisch zu Ascalon ─ p1b_268.031
Da trank ein Mann drei Tag'.(Scheffel.)
p1b_268.032
Sie endigt bei uns stets mit einem vollen Worte. Einschnitte (Wortbrechungen) p1b_268.033
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p1b_268.034
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p1b_268.036
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p1b_268.038
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Schiller hat das Wort Meer den Hauptnachdruck, weshalb es unbedingt zur p1b_268.041
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/302>, abgerufen am 22.11.2024.
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