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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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1. Verstakt. Wir bezeichnen als Verstakt, was man früher Versfuß p1b_284.002
nannte, da derselbe in der rhythmischen Reihe thatsächlich dasselbe ist, was man p1b_284.003
in der Musik als Takt auffaßt. (Vgl. § 85.)

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Der Verstakt kann bestehen aus einer Hebung, oder aus Hebung und p1b_284.005
Senkung, oder aus Hebung und 2 oder mehreren Senkungen. Nie hat er p1b_284.006
mehr als eine Hebung, z. B. Apfel, Geduld, Konigin, Melodie (§ 64). Jm p1b_284.007
freien Vers ist die Zahl der Senkungen gleichgültig, z. B. Losen Sie dies | p1b_284.008
räntselhafte | Schweigen (Schiller). Sie ess | en, sie trin | ken und bezah | len p1b_284.009
nicht gern | (Goethe). Schneck, | Schneck, | Mänuschen. (Vgl. § 116 d. B.)

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2. Je nachdem die ein- oder zweisilbige Senkung nach oder vor der p1b_284.011
Hebung steht, erhalten wir verschiedenartige Verstakte: a. steigende Breve - und Breve Breve -, p1b_284.012
b. fallende - Breve und - Breve Breve.

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Beispiele:

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a. steigende. p1b_284.015
a. Es braust | ein Ruf | wie Don | nerhall. (Mit je 1 Thesis.) p1b_284.016
b. Jn dem Tha | le erglänn | zet das himm | lische Licht. (Mit je 2 Thesen.) p1b_284.017
b. fallende. p1b_284.018
g. Schone | Gottin | Morgen | rote. (Mit je 1 Thesis.) p1b_284.019
d. Ewiger, güntiger, gnändiger, Mänchtiger. (Mit je 2 Thesen.)

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3. Satztakt (Wortfuß). Wir verstehen unter Satztakt ein ungetrenntes p1b_284.021
ganzes Wort (z. B. Pflanze, Pflanzennahrung), zu welchem - sofern es Substantiv p1b_284.022
ist - auch sein Artikel gerechnet wird, oder auch noch das nach Ton p1b_284.023
und Sinn zu ihm gehörige Nebenwort, (z. B. er nimmt es).

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Man nannte den Worttakt seither "Wortfuß", welcher Name schon nach p1b_284.025
den aus § 85 sich ergebenden Konsequenzen fallen sollte. Es ist einleuchtend, p1b_284.026
daß mancher Satztakt das Maß von mehreren Verstakten auszufüllen im Stande p1b_284.027
ist, z. B.

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Verstan | desmen | schen (== 21/2 Verstakte), p1b_284.029
Pflanzen | nahrung (== 2 Verstakte), p1b_284.030
Entsetzlich (== 11/2 Verstakte), p1b_284.031
Tapetenfabrikant (== 3 Verstakte).

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Doch giebt es genug Satztakte, welche einen Verstakt nicht überschreiten, p1b_284.033
z. B.

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Leben, | reden, | singen, | beten. | p1b_284.035
Leise | flehen | meine | Lieder.

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1. Verstakt. Wir bezeichnen als Verstakt, was man früher Versfuß p1b_284.002
nannte, da derselbe in der rhythmischen Reihe thatsächlich dasselbe ist, was man p1b_284.003
in der Musik als Takt auffaßt. (Vgl. § 85.)

p1b_284.004
Der Verstakt kann bestehen aus einer Hebung, oder aus Hebung und p1b_284.005
Senkung, oder aus Hebung und 2 oder mehreren Senkungen. Nie hat er p1b_284.006
mehr als eine Hebung, z. B. Āpfĕl, Gĕdūld, Kȫnĭgĭn, Mĕlŏdiē (§ 64). Jm p1b_284.007
freien Vers ist die Zahl der Senkungen gleichgültig, z. B. Lȫsĕn Sĭe dĭes │ p1b_284.008
rǟtsĕlhăftĕ │ Schwēigĕn (Schiller). Sĭe ēss │ ĕn, sĭe trīn │ kĕn ŭnd bĕzāh │ lĕn p1b_284.009
nĭcht gērn │ (Goethe). Schnēck, │ Schnēck, │ Mǟuschĕn. (Vgl. § 116 d. B.)

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2. Je nachdem die ein- oder zweisilbige Senkung nach oder vor der p1b_284.011
Hebung steht, erhalten wir verschiedenartige Verstakte: a. steigende ⏑ – und ⏑ ⏑ –, p1b_284.012
b. fallende – ⏑ und – ⏑ ⏑.

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Beispiele:

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a. steigende. p1b_284.015
α. Ĕs brāust │ ĕin Rūf │ wĭe Dōn │ nĕrhāll. (Mit je 1 Thesis.) p1b_284.016
β. J̆n dĕm Thā │ lĕ ĕrglǟn │ zĕt dăs hīmm │ lĭschĕ Līcht. (Mit je 2 Thesen.) p1b_284.017
b. fallende. p1b_284.018
γ. Schȫnĕ │ Gȫttĭn │ Mōrgĕn │ rȫtĕ. (Mit je 1 Thesis.) p1b_284.019
δ. Ēwiğĕr, gǖtĭgĕr, gnǟdĭgĕr, Mǟchtĭgĕr. (Mit je 2 Thesen.)

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3. Satztakt (Wortfuß). Wir verstehen unter Satztakt ein ungetrenntes p1b_284.021
ganzes Wort (z. B. Pflanze, Pflanzennahrung), zu welchem ─ sofern es Substantiv p1b_284.022
ist ─ auch sein Artikel gerechnet wird, oder auch noch das nach Ton p1b_284.023
und Sinn zu ihm gehörige Nebenwort, (z. B. er nimmt es).

p1b_284.024
Man nannte den Worttakt seither „Wortfuß“, welcher Name schon nach p1b_284.025
den aus § 85 sich ergebenden Konsequenzen fallen sollte. Es ist einleuchtend, p1b_284.026
daß mancher Satztakt das Maß von mehreren Verstakten auszufüllen im Stande p1b_284.027
ist, z. B.

p1b_284.028
Vĕrstān │ dĕsmēn │ schĕn (== 2½ Verstakte), p1b_284.029
Pflānzĕn │ nāhrŭng (== 2 Verstakte), p1b_284.030
Ĕntsētzlĭch (== 1½ Verstakte), p1b_284.031
Tăpētĕnfābrĭkānt (== 3 Verstakte).

p1b_284.032
Doch giebt es genug Satztakte, welche einen Verstakt nicht überschreiten, p1b_284.033
z. B.

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Lēbĕn, │ rēdĕn, │ sīngĕn, │ bētĕn. │ p1b_284.035
Lēisĕ │ flēhĕn │ mēinĕ │ Līedĕr.
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[284/0318] p1b_284.001 1. Verstakt. Wir bezeichnen als Verstakt, was man früher Versfuß p1b_284.002 nannte, da derselbe in der rhythmischen Reihe thatsächlich dasselbe ist, was man p1b_284.003 in der Musik als Takt auffaßt. (Vgl. § 85.) p1b_284.004 Der Verstakt kann bestehen aus einer Hebung, oder aus Hebung und p1b_284.005 Senkung, oder aus Hebung und 2 oder mehreren Senkungen. Nie hat er p1b_284.006 mehr als eine Hebung, z. B. Āpfĕl, Gĕdūld, Kȫnĭgĭn, Mĕlŏdiē (§ 64). Jm p1b_284.007 freien Vers ist die Zahl der Senkungen gleichgültig, z. B. Lȫsĕn Sĭe dĭes │ p1b_284.008 rǟtsĕlhăftĕ │ Schwēigĕn (Schiller). Sĭe ēss │ ĕn, sĭe trīn │ kĕn ŭnd bĕzāh │ lĕn p1b_284.009 nĭcht gērn │ (Goethe). Schnēck, │ Schnēck, │ Mǟuschĕn. (Vgl. § 116 d. B.) p1b_284.010 2. Je nachdem die ein- oder zweisilbige Senkung nach oder vor der p1b_284.011 Hebung steht, erhalten wir verschiedenartige Verstakte: a. steigende ⏑ – und ⏑ ⏑ –, p1b_284.012 b. fallende – ⏑ und – ⏑ ⏑. p1b_284.013 Beispiele: p1b_284.014 a. steigende. p1b_284.015 α. Ĕs brāust │ ĕin Rūf │ wĭe Dōn │ nĕrhāll. (Mit je 1 Thesis.) p1b_284.016 β. J̆n dĕm Thā │ lĕ ĕrglǟn │ zĕt dăs hīmm │ lĭschĕ Līcht. (Mit je 2 Thesen.) p1b_284.017 b. fallende. p1b_284.018 γ. Schȫnĕ │ Gȫttĭn │ Mōrgĕn │ rȫtĕ. (Mit je 1 Thesis.) p1b_284.019 δ. Ēwiğĕr, gǖtĭgĕr, gnǟdĭgĕr, Mǟchtĭgĕr. (Mit je 2 Thesen.) p1b_284.020 3. Satztakt (Wortfuß). Wir verstehen unter Satztakt ein ungetrenntes p1b_284.021 ganzes Wort (z. B. Pflanze, Pflanzennahrung), zu welchem ─ sofern es Substantiv p1b_284.022 ist ─ auch sein Artikel gerechnet wird, oder auch noch das nach Ton p1b_284.023 und Sinn zu ihm gehörige Nebenwort, (z. B. er nimmt es). p1b_284.024 Man nannte den Worttakt seither „Wortfuß“, welcher Name schon nach p1b_284.025 den aus § 85 sich ergebenden Konsequenzen fallen sollte. Es ist einleuchtend, p1b_284.026 daß mancher Satztakt das Maß von mehreren Verstakten auszufüllen im Stande p1b_284.027 ist, z. B. p1b_284.028 Vĕrstān │ dĕsmēn │ schĕn (== 2½ Verstakte), p1b_284.029 Pflānzĕn │ nāhrŭng (== 2 Verstakte), p1b_284.030 Ĕntsētzlĭch (== 1½ Verstakte), p1b_284.031 Tăpētĕnfābrĭkānt (== 3 Verstakte). p1b_284.032 Doch giebt es genug Satztakte, welche einen Verstakt nicht überschreiten, p1b_284.033 z. B. p1b_284.034 Lēbĕn, │ rēdĕn, │ sīngĕn, │ bētĕn. │ p1b_284.035 Lēisĕ │ flēhĕn │ mēinĕ │ Līedĕr.

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/318>, abgerufen am 22.11.2024.