p1b_001.004 Poetik ist die Lehre von dem Wesen, von den Grundsätzen, p1b_001.005 Regeln, Formen und Formeln der Dichtkunst, oder die wissenschaftliche p1b_001.006 Betrachtung der Poesie. Als Wissenschaft der Dichtkunst ist sie p1b_001.007 ein Teil der Ästhetik, nämlich die auf Poesie angewandte Ästhetik.
p1b_001.008 Schon in frühester Zeit hat man versucht, aus den Gebilden der Poesie p1b_001.009 Regeln zu abstrahieren und die Formen und Formeln der Poesie zu untersuchen, p1b_001.010 um sich ihrer Gesetze klar zu werden. Das auf diese Weise entstandene p1b_001.011 Regelwerk ist die Poetik. Sie abstrahiert ihre Gesetze ebenso aus der Philosophie p1b_001.012 der schönen Künste, wie aus der Betrachtung mustergültiger Dichtungen.
p1b_001.013 Demgemäß macht uns die Poetik mit den Gesetzen des Schönen, mit der p1b_001.014 Lehre des poetischen Stils und mit der äußeren Form und den Gattungen der p1b_001.015 Poesie &c. bekannt.
p1b_001.016 Die Kenntnis der Poetik erleichtert dem Dichter vor allem seine schöpferische p1b_001.017 Thätigkeit. Die Poetik erschließt aber auch demjenigen, der nicht Dichter p1b_001.018 ist, ein tieferes Verständnis der dichterischen Schöpfungen; sie macht es möglich, p1b_001.019 das Schöne und Erhabene leichter erkennen und würdigen zu können; sie strebt, p1b_001.020 den Sinn für das Schöne zu wecken und zu beleben; sie sucht ästhetische Bildung p1b_001.021 zu fördern. Jhre Kenntnis ist das unerläßliche Vorstudium zur Einführung p1b_001.022 in einen Dichter, wie in die gesammte Litteratur.
p1b_001.023 Bisher waren unsere Poetiken nur denen genießbar und verständlich, die p1b_001.024 schon besaßen, was ein Dichter braucht. Eine Poetik der Neuzeit soll aber p1b_001.025 - angesichts des hohen Bildungsstandes unseres Jahrhunderts - nicht nur p1b_001.026 ein Unterricht im Dichten für Dichter sein, (was früher etwa die Skaldenschulen, p1b_001.027 oder die Dichterschulen zur Zeit der Minnesinger oder die Tabulaturen p1b_001.028 der Meistersänger &c. waren); sie soll auch nicht nur eine Einweisung in das p1b_001.029 Verständnis der fertig gestalteten poetischen Formen bieten: sondern sie soll
p1b_001.004 Poetik ist die Lehre von dem Wesen, von den Grundsätzen, p1b_001.005 Regeln, Formen und Formeln der Dichtkunst, oder die wissenschaftliche p1b_001.006 Betrachtung der Poesie. Als Wissenschaft der Dichtkunst ist sie p1b_001.007 ein Teil der Ästhetik, nämlich die auf Poesie angewandte Ästhetik.
p1b_001.008 Schon in frühester Zeit hat man versucht, aus den Gebilden der Poesie p1b_001.009 Regeln zu abstrahieren und die Formen und Formeln der Poesie zu untersuchen, p1b_001.010 um sich ihrer Gesetze klar zu werden. Das auf diese Weise entstandene p1b_001.011 Regelwerk ist die Poetik. Sie abstrahiert ihre Gesetze ebenso aus der Philosophie p1b_001.012 der schönen Künste, wie aus der Betrachtung mustergültiger Dichtungen.
p1b_001.013 Demgemäß macht uns die Poetik mit den Gesetzen des Schönen, mit der p1b_001.014 Lehre des poetischen Stils und mit der äußeren Form und den Gattungen der p1b_001.015 Poesie &c. bekannt.
p1b_001.016 Die Kenntnis der Poetik erleichtert dem Dichter vor allem seine schöpferische p1b_001.017 Thätigkeit. Die Poetik erschließt aber auch demjenigen, der nicht Dichter p1b_001.018 ist, ein tieferes Verständnis der dichterischen Schöpfungen; sie macht es möglich, p1b_001.019 das Schöne und Erhabene leichter erkennen und würdigen zu können; sie strebt, p1b_001.020 den Sinn für das Schöne zu wecken und zu beleben; sie sucht ästhetische Bildung p1b_001.021 zu fördern. Jhre Kenntnis ist das unerläßliche Vorstudium zur Einführung p1b_001.022 in einen Dichter, wie in die gesammte Litteratur.
p1b_001.023 Bisher waren unsere Poetiken nur denen genießbar und verständlich, die p1b_001.024 schon besaßen, was ein Dichter braucht. Eine Poetik der Neuzeit soll aber p1b_001.025 ─ angesichts des hohen Bildungsstandes unseres Jahrhunderts ─ nicht nur p1b_001.026 ein Unterricht im Dichten für Dichter sein, (was früher etwa die Skaldenschulen, p1b_001.027 oder die Dichterschulen zur Zeit der Minnesinger oder die Tabulaturen p1b_001.028 der Meistersänger &c. waren); sie soll auch nicht nur eine Einweisung in das p1b_001.029 Verständnis der fertig gestalteten poetischen Formen bieten: sondern sie soll
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[E1/0035]
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Erstes Hauptstück. p1b_001.002
Vorbegriffe. ────── p1b_001.003
§ 1. Wesen der Poetik. p1b_001.004
Poetik ist die Lehre von dem Wesen, von den Grundsätzen, p1b_001.005
Regeln, Formen und Formeln der Dichtkunst, oder die wissenschaftliche p1b_001.006
Betrachtung der Poesie. Als Wissenschaft der Dichtkunst ist sie p1b_001.007
ein Teil der Ästhetik, nämlich die auf Poesie angewandte Ästhetik.
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Schon in frühester Zeit hat man versucht, aus den Gebilden der Poesie p1b_001.009
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Demgemäß macht uns die Poetik mit den Gesetzen des Schönen, mit der p1b_001.014
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Poesie &c. bekannt.
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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. E1. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/35>, abgerufen am 21.11.2024.
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