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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.

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b. Gereimte Zeilen.

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Drei Palmen über'm Bronnen, p1b_319.003
Ein braun Gefild umher, p1b_319.004
Und fern im Glanz der Sonnen p1b_319.005
Geklüft und blaues Meer.(Em. Geibel.)
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Wenn sich zwei Herzen scheiden, p1b_319.007
Die sich dereinst geliebt, p1b_319.008
Das ist ein großes Leiden, p1b_319.009
Wie's größres nimmer giebt.(Derselbe.)
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O sieh, wie innig küssen p1b_319.011
Sich Schmetterling und Ros', p1b_319.012
Doch beide niemals wissen p1b_319.013
Jhr nahes, hartes Los. &c.
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(Ernst II., Herzog z. S.=Kob., Der Besuch.)

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Vgl. noch Goethes Bundeslied, Uhlands Schenk von Limburg u. s. w.

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3. Am wohlklingendsten und freundlichsten gestaltet sich der neue Nibelungenvers p1b_319.017
durch verständnisvolle Einfügung von Anapästen.

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Proben:

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a. Ungeteilte Zeilen.

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"Wohin ihr Reiterheere? Wohin du trünber Kumpan, p1b_319.021
Wohin ihr Schiffer im Meere? Wohin du Krückenmann? &c. p1b_319.022
Den Mönchen wackeln die Bärte, die Nonnen werden rot, p1b_319.023
Und leis im Chore lispelt's: Herr, hilf uns aus der Not! p1b_319.024
Doch Max spricht zu den Kriegern: "Jhr Treuen auf, und teilt p1b_319.025
Euch in Kapuz und Schleier! dann rasch in die Stadt geeilt.
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(A. Grüns Romanzenkranz "Der letzte Ritter".)

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Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr, p1b_319.028
Weit glännzt es ünber die Lande bis an das blaue Meer. &c.
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(Uhland, Sängers Fluch.) p1b_319.030

b. Geteilte Zeilen.

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Jm stillen Klostergarten p1b_319.032
Eine bleiche Jungfrau ging &c. (Uhland, Die Nonne.)
p1b_319.033
Zu Ottensen auf der Wiese p1b_319.034
Jst eine gemeinsame Gruft, p1b_319.035
So traurig ist keine, wie diese, p1b_319.036
Wohl unter des Himmels Luft!
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(Rückerts Gräber zu Ottensen.)

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(Ebenso ist Rückerts "Hofer" behandelt und geschrieben.)

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β. Gereimte Zeilen.

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Drei Palmen über'm Bronnen, p1b_319.003
Ein braun Gefild umher, p1b_319.004
Und fern im Glanz der Sonnen p1b_319.005
Geklüft und blaues Meer.(Em. Geibel.)
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Wenn sich zwei Herzen scheiden, p1b_319.007
Die sich dereinst geliebt, p1b_319.008
Das ist ein großes Leiden, p1b_319.009
Wie's größres nimmer giebt.(Derselbe.)
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O sieh, wie innig küssen p1b_319.011
Sich Schmetterling und Ros', p1b_319.012
Doch beide niemals wissen p1b_319.013
Jhr nahes, hartes Los. &c.
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(Ernst II., Herzog z. S.=Kob., Der Besuch.)

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Vgl. noch Goethes Bundeslied, Uhlands Schenk von Limburg u. s. w.

p1b_319.016
3. Am wohlklingendsten und freundlichsten gestaltet sich der neue Nibelungenvers p1b_319.017
durch verständnisvolle Einfügung von Anapästen.

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Proben:

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α. Ungeteilte Zeilen.

p1b_319.020
„Wohin ihr Reiterheere? Wohin du trǖbĕr Kŭmpān, p1b_319.021
Wohin ihr Schiffĕr ĭm Mēere? Wohin du Krückenmann? &c. p1b_319.022
Den Mönchen wackĕln dĭe Bärte, die Nonnen werden rot, p1b_319.023
Und leis im Chore lispelt's: Herr, hilf uns aus der Not! p1b_319.024
Doch Max spricht zu den Kriegern: „Jhr Treuen auf, und teilt p1b_319.025
Euch in Kapuz und Schleier! dann rasch ĭn dĭe Stādt geeilt.
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(A. Grüns Romanzenkranz „Der letzte Ritter“.)

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Es stand in alten Zeiten ein Schloß, so hoch und hehr, p1b_319.028
Weit glǟnzt ĕs ǖbĕr dĭe Lānde bis an das blaue Meer. &c.
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β. Geteilte Zeilen.

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Jm stillen Klostergarten p1b_319.032
Eĭnĕ bleiche Jungfrau ging &c. (Uhland, Die Nonne.)
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Zu Ottensen auf der Wiese p1b_319.034
Jst eine gemeinsame Gruft, p1b_319.035
So traurig ist keine, wie diese, p1b_319.036
Wohl unter des Himmels Luft!
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(Rückerts Gräber zu Ottensen.)

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(Ebenso ist Rückerts „Hofer“ behandelt und geschrieben.)

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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik01_1882/353>, abgerufen am 22.11.2024.