Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Erster Band. Stuttgart, 1882.p1b_320.001 Jch hab' eine alte Muhme, p1b_320.002 Die ein altes Büchlein hat, p1b_320.003 Es liegt in dem alten Buche p1b_320.004 Ein altes dürres Blatt. p1b_320.005 p1b_320.009So dürr sind wohl auch die Hände, p1b_320.006 Die einst im Lenz ihr's gepflünckt, p1b_320.007 Was mag wohl die Alte haben, p1b_320.008 Sie weint, so oft sie's erblickt. (A. Grün, Das Blatt im Buche.) p1b_320.010Unter allen Schlangen ist eine p1b_320.011 p1b_320.014Auf Erden nicht gezeugt, p1b_320.012 Mit der an Schnelle keine, p1b_320.013 An Wut sich keine vergleicht. (Schiller, Parabeln und Rätsel VIII.) p1b_320.015O gieb, vom weichen Pfühle, p1b_320.016 p1b_320.019Traumend, | ein halb | Gehor! | p1b_320.017 Bei meinem Saitenspiele, p1b_320.018 Schlafe! was willst du mehr? (Goethe, Nachtgesang.) p1b_320.020 p1b_320.023 p1b_320.027 p1b_320.031 C. Der neue Senar. Breve - Breve - Breve | - Breve - Breve - Breve -. p1b_320.032 p1b_320.035 p1b_320.001 Jch hab' ĕinĕ ālte Muhme, p1b_320.002 Dĭe ĕin āltes Büchlein hat, p1b_320.003 Es liegt ĭn dĕm ālten Buche p1b_320.004 Ein altes dürres Blatt. p1b_320.005 p1b_320.009So dürr sind wohl auch die Hände, p1b_320.006 Die einst im Lenz ĭhr's gĕpflǖckt, p1b_320.007 Was mag wŏhl dĭe Ālte haben, p1b_320.008 Sie weint, so oft sĭe's ĕrblīckt. (A. Grün, Das Blatt im Buche.) p1b_320.010Ŭntĕr āllĕn Schlāngĕn ĭst ēinĕ p1b_320.011 p1b_320.014Auf Erden nicht gezeugt, p1b_320.012 Mit der an Schnelle keine, p1b_320.013 An Wut sich keine vergleicht. (Schiller, Parabeln und Rätsel VIII.) p1b_320.015O gieb, vom weichen Pfühle, p1b_320.016 p1b_320.019Trǟumĕnd, │ ĕin hālb │ Gĕhȫr! │ p1b_320.017 Bei meinem Saitenspiele, p1b_320.018 Schlāfĕ! wăs wīllst du mehr? (Goethe, Nachtgesang.) p1b_320.020 p1b_320.023 p1b_320.027 p1b_320.031 C. 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Wăs <lb n="p1b_320.022"/> wīllst &c.)</p> <p><lb n="p1b_320.023"/> Als Beispiele dieser äußerst beliebten Form erwähne ich noch: Chamissos <lb n="p1b_320.024"/> Abdallah, Runges Blume der Blumen, Uhlands Märchen, Heines „Jch weiß <lb n="p1b_320.025"/> nicht, was soll es bedeuten“ und „Ein Fichtenbaum steht einsam“, Goethes <lb n="p1b_320.026"/> Der König von Thule, Scheffels Der Pfahlmann, Platens Die Najade u. s. w.</p> <p><lb n="p1b_320.027"/> Viele unserer Dichter wenden das Gesetz der alten Nibelungenstrophe wieder <lb n="p1b_320.028"/> an, indem sie nur die sechs Hebungen in der Zeile respektieren und die Senkungen <lb n="p1b_320.029"/> beliebig setzen. Wir kommen darauf im alten Nibelungenvers § 190 <lb n="p1b_320.030"/> zu sprechen, sowie im Kapitel vom Accentverse § 116─122.</p> </div> <div n="5"> <lb n="p1b_320.031"/> <head> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">C</hi>. <hi rendition="#g">Der neue Senar</hi>. ⏑ – ⏑ – ⏑ │ – ⏑ – ⏑ – ⏑ –.</hi> </head> <p><lb n="p1b_320.032"/> Der neue Senar(ius) unterscheidet sich vom Alexandriner nur durch <lb n="p1b_320.033"/> seine wechselnde, weibliche Cäsur, (im dritten, zuweilen im vierten Takte), <lb n="p1b_320.034"/> sowie durch seinen akatalektischen Schluß.</p> <p><lb n="p1b_320.035"/> Ein besonderes Schönheitsmoment dieses Verses ist der weibliche Abschluß <lb n="p1b_320.036"/> der ersten rhythmischen Hälfte, wodurch die zweite Hälfte mit einer Arsis beginnt <lb n="p1b_320.037"/> und fallende Tendenz erhält, z. B.</p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [320/0354]
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Jch hab' ĕinĕ ālte Muhme, p1b_320.002
Dĭe ĕin āltes Büchlein hat, p1b_320.003
Es liegt ĭn dĕm ālten Buche p1b_320.004
Ein altes dürres Blatt.
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So dürr sind wohl auch die Hände, p1b_320.006
Die einst im Lenz ĭhr's gĕpflǖckt, p1b_320.007
Was mag wŏhl dĭe Ālte haben, p1b_320.008
Sie weint, so oft sĭe's ĕrblīckt.
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(A. Grün, Das Blatt im Buche.)
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Ŭntĕr āllĕn Schlāngĕn ĭst ēinĕ p1b_320.011
Auf Erden nicht gezeugt, p1b_320.012
Mit der an Schnelle keine, p1b_320.013
An Wut sich keine vergleicht.
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(Schiller, Parabeln und Rätsel VIII.)
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O gieb, vom weichen Pfühle, p1b_320.016
Trǟumĕnd, │ ĕin hālb │ Gĕhȫr! │ p1b_320.017
Bei meinem Saitenspiele, p1b_320.018
Schlāfĕ! wăs wīllst du mehr?
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(Goethe, Nachtgesang.)
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(Hier kann vom Anapäst nur gesprochen werden, wenn man den weggelassenen p1b_320.021
Auftakt ergänzt; etwa so: „Stĭll trǟu │ mĕnd ĕin hālb“ und „Ŏ schlāfĕ! Wăs p1b_320.022
wīllst &c.)
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Als Beispiele dieser äußerst beliebten Form erwähne ich noch: Chamissos p1b_320.024
Abdallah, Runges Blume der Blumen, Uhlands Märchen, Heines „Jch weiß p1b_320.025
nicht, was soll es bedeuten“ und „Ein Fichtenbaum steht einsam“, Goethes p1b_320.026
Der König von Thule, Scheffels Der Pfahlmann, Platens Die Najade u. s. w.
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Viele unserer Dichter wenden das Gesetz der alten Nibelungenstrophe wieder p1b_320.028
an, indem sie nur die sechs Hebungen in der Zeile respektieren und die Senkungen p1b_320.029
beliebig setzen. Wir kommen darauf im alten Nibelungenvers § 190 p1b_320.030
zu sprechen, sowie im Kapitel vom Accentverse § 116─122.
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C. Der neue Senar. ⏑ – ⏑ – ⏑ │ – ⏑ – ⏑ – ⏑ –. p1b_320.032
Der neue Senar(ius) unterscheidet sich vom Alexandriner nur durch p1b_320.033
seine wechselnde, weibliche Cäsur, (im dritten, zuweilen im vierten Takte), p1b_320.034
sowie durch seinen akatalektischen Schluß.
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Ein besonderes Schönheitsmoment dieses Verses ist der weibliche Abschluß p1b_320.036
der ersten rhythmischen Hälfte, wodurch die zweite Hälfte mit einer Arsis beginnt p1b_320.037
und fallende Tendenz erhält, z. B.
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